Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Über die Hochebene von Bogota. In: Ders.: Kleinere Schriften. Erster Band. Geognostische und physikalische Erinnerungen. Stuttgart und Tübingen, 1853, S. 100-132.

Bild:
<< vorherige Seite

Botschika, als Trimurti, hat drei Namen; auch zeigten die Priester (Lamas) von Iraca oder Sogamoso den ersten spanischen Eroberern, den Begleitern des Adelantado Ximenez de Quesada, Idole, in welchen der Sonnensohn mit drei Köpfen abgebildet war. Botschika ist dabei eine Personificirung, ein Repräsentant menschlicher Gesittung, eine große historische Gestalt: erdacht, um ihr einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, alle geistlichen und bürgerlichen Einrichtungen, wie das zur Anordnung der Feste (Opfer- und Wallfahrts-Epochen) so nothwendige Calenderwesen, zuzuschreiben. Was sich allmälig gebildet und entwickelt hat, wird gedacht als simultan, durch einen fremden Wundermann oder Ankömmling hervorgerufen. So verschieden auch immer die Grade der Civilisation sein mögen, zu denen die Menschheit sich erhebt: auf dem Rücken der Cordilleren oder an den Ufern des Mittelmeeres, in Griechenland, Kleinasien oder Aegypten; überall finden sich die Spuren desselben Ganges der Ideen, überall die wiederkehrenden Formen des Glaubens und phantasiereicher Erdichtung.

Die alte geognostische Mythe der Muyscas, eines kaum der Barbarei entgangenen oder vielleicht halb in diese zurückgesunkenen Volkes, hat, aus dem physikalischen Gesichtspunkte betrachtet, wenigstens den Vorzug, daß sie die Oeffnung des Thales und den Abfluß des Alpensees einer auf einmal und gewaltsam wirkenden Kraft zuschreibt. Diese Ansicht entspricht den Bedingungen des Naturphänomens, der Gestaltung des Felsenthores. Die Schichten des Kalksteins liegen horizontal. Die Spalte scheint neuer als die Erhärtung und Hebung; es ist nicht eine Lücke, welche

Botschika, als Trimurti, hat drei Namen; auch zeigten die Priester (Lamas) von Iraca oder Sogamoso den ersten spanischen Eroberern, den Begleitern des Adelantado Ximenez de Quesada, Idole, in welchen der Sonnensohn mit drei Köpfen abgebildet war. Botschika ist dabei eine Personificirung, ein Repräsentant menschlicher Gesittung, eine große historische Gestalt: erdacht, um ihr einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, alle geistlichen und bürgerlichen Einrichtungen, wie das zur Anordnung der Feste (Opfer- und Wallfahrts-Epochen) so nothwendige Calenderwesen, zuzuschreiben. Was sich allmälig gebildet und entwickelt hat, wird gedacht als simultan, durch einen fremden Wundermann oder Ankömmling hervorgerufen. So verschieden auch immer die Grade der Civilisation sein mögen, zu denen die Menschheit sich erhebt: auf dem Rücken der Cordilleren oder an den Ufern des Mittelmeeres, in Griechenland, Kleinasien oder Aegypten; überall finden sich die Spuren desselben Ganges der Ideen, überall die wiederkehrenden Formen des Glaubens und phantasiereicher Erdichtung.

Die alte geognostische Mythe der Muyscas, eines kaum der Barbarei entgangenen oder vielleicht halb in diese zurückgesunkenen Volkes, hat, aus dem physikalischen Gesichtspunkte betrachtet, wenigstens den Vorzug, daß sie die Oeffnung des Thales und den Abfluß des Alpensees einer auf einmal und gewaltsam wirkenden Kraft zuschreibt. Diese Ansicht entspricht den Bedingungen des Naturphänomens, der Gestaltung des Felsenthores. Die Schichten des Kalksteins liegen horizontal. Die Spalte scheint neuer als die Erhärtung und Hebung; es ist nicht eine Lücke, welche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0020" n="118"/>
Botschika, als Trimurti, hat drei Namen; auch zeigten die Priester (Lamas) von Iraca oder Sogamoso den ersten spanischen Eroberern, den Begleitern des Adelantado Ximenez de Quesada, Idole, in welchen der Sonnensohn mit drei Köpfen abgebildet war. Botschika ist dabei eine Personificirung, ein Repräsentant menschlicher Gesittung, eine große historische Gestalt: erdacht, um ihr einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, alle geistlichen und bürgerlichen Einrichtungen, wie das zur Anordnung der Feste (Opfer- und Wallfahrts-Epochen) so nothwendige Calenderwesen, zuzuschreiben. Was sich allmälig gebildet und entwickelt hat, wird gedacht als simultan, durch einen fremden Wundermann oder Ankömmling hervorgerufen. So verschieden auch immer die Grade der Civilisation sein mögen, zu denen die Menschheit sich erhebt: auf dem Rücken der <placeName>Cordilleren</placeName> oder an den Ufern des <placeName>Mittelmeeres</placeName>, in <placeName>Griechenland</placeName>, <placeName>Kleinasien</placeName> oder <placeName>Aegypten</placeName>; überall finden sich die Spuren desselben Ganges der Ideen, überall die wiederkehrenden Formen des Glaubens und phantasiereicher Erdichtung.</p><lb/>
        <p>Die alte geognostische Mythe der Muyscas, eines kaum der Barbarei entgangenen oder vielleicht halb in diese zurückgesunkenen Volkes, hat, aus dem physikalischen Gesichtspunkte betrachtet, wenigstens den Vorzug, daß sie die Oeffnung des Thales und den Abfluß des Alpensees einer auf einmal und gewaltsam wirkenden Kraft zuschreibt. Diese Ansicht entspricht den Bedingungen des Naturphänomens, der Gestaltung des Felsenthores. Die Schichten des Kalksteins liegen horizontal. Die Spalte scheint neuer als die Erhärtung und Hebung; es ist nicht eine Lücke, welche<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0020] Botschika, als Trimurti, hat drei Namen; auch zeigten die Priester (Lamas) von Iraca oder Sogamoso den ersten spanischen Eroberern, den Begleitern des Adelantado Ximenez de Quesada, Idole, in welchen der Sonnensohn mit drei Köpfen abgebildet war. Botschika ist dabei eine Personificirung, ein Repräsentant menschlicher Gesittung, eine große historische Gestalt: erdacht, um ihr einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, alle geistlichen und bürgerlichen Einrichtungen, wie das zur Anordnung der Feste (Opfer- und Wallfahrts-Epochen) so nothwendige Calenderwesen, zuzuschreiben. Was sich allmälig gebildet und entwickelt hat, wird gedacht als simultan, durch einen fremden Wundermann oder Ankömmling hervorgerufen. So verschieden auch immer die Grade der Civilisation sein mögen, zu denen die Menschheit sich erhebt: auf dem Rücken der Cordilleren oder an den Ufern des Mittelmeeres, in Griechenland, Kleinasien oder Aegypten; überall finden sich die Spuren desselben Ganges der Ideen, überall die wiederkehrenden Formen des Glaubens und phantasiereicher Erdichtung. Die alte geognostische Mythe der Muyscas, eines kaum der Barbarei entgangenen oder vielleicht halb in diese zurückgesunkenen Volkes, hat, aus dem physikalischen Gesichtspunkte betrachtet, wenigstens den Vorzug, daß sie die Oeffnung des Thales und den Abfluß des Alpensees einer auf einmal und gewaltsam wirkenden Kraft zuschreibt. Diese Ansicht entspricht den Bedingungen des Naturphänomens, der Gestaltung des Felsenthores. Die Schichten des Kalksteins liegen horizontal. Die Spalte scheint neuer als die Erhärtung und Hebung; es ist nicht eine Lücke, welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_bogota_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_bogota_1853/20
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Hochebene von Bogota. In: Ders.: Kleinere Schriften. Erster Band. Geognostische und physikalische Erinnerungen. Stuttgart und Tübingen, 1853, S. 100-132, hier S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_bogota_1853/20>, abgerufen am 29.03.2024.