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Humboldt, Alexander von: Über die Hochebene von Bogota. In: Ders.: Kleinere Schriften. Erster Band. Geognostische und physikalische Erinnerungen. Stuttgart und Tübingen, 1853, S. 100-132.

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Rio de Funzha, nachdem er sich bei Facatativa und Fontibon in einem mit schönen Wasserpflanzen bedeckten Morast ausgebreitet, zieht sich wieder bei Canoas zu einem engeren Bette zusammen. Ich fand seine Breite dort 130 Fuß. Bei großer Dürre schien mir das im Salto de Tequendama herabfallende Wasserprofil, wenn man sich eine senkrechte Fläche durch den Fluß gelegt denkt, von 700 bis 780 Quadratfuß. Die große Felswand, welche dem Salto gegenüber steht, und die durch Weiße und Regelmäßigkeit der Flözlagen an Jura-Kalkstein erinnert; das wechselnde Spiel des farbig gebrochenen Lichtes in der Dunstwolke, welche stets über dem Cataracte schwebt; die perlartige Zertheilung der herabstürzenden Wassermasse; das Zurückbleiben ihrer kometenartigen Schweife; das donnernde, von den Bergen wiederhallende Getöse; das Dunkel der tiefen Felskluft; der Contrast zwischen der oberen, nördlichen Eichen-Vegetation und den Tropenformen am Fuße des Salto: alles dies giebt dieser nicht zu beschreibenden Scene einen individuellen, großartigen Charakter. Nur bei sehr hohem Stande stürzen die Wasser auf einmal senkrecht, und von der Felswand abgebogen, in den Abgrund. Wenn dagegen der Fluß seichter ist (und so fand ich ihn bei dem Besuche dieser Gegend), ist das Schauspiel größer und erfreulicher. Die Felswand hat nämlich zwei Vorsprünge: einen in 30, den andern etwa in 180 Fuß Tiefe. Diese verursachen einen wahren cascadenartigen Fall, wobei sich unten alles in ein Schaum- und Dampfmeer verliert. Wenn man sich nahe an den äußersten Rand der Felsbank wagt, von welcher der Fluß hinabfällt, so sammelt man in Menge ein Pflänzchen aus der Richard'schen seltenen Familie der Podostemeen: ein

Rio de Funzha, nachdem er sich bei Facatativa und Fontibon in einem mit schönen Wasserpflanzen bedeckten Morast ausgebreitet, zieht sich wieder bei Canoas zu einem engeren Bette zusammen. Ich fand seine Breite dort 130 Fuß. Bei großer Dürre schien mir das im Salto de Tequendama herabfallende Wasserprofil, wenn man sich eine senkrechte Fläche durch den Fluß gelegt denkt, von 700 bis 780 Quadratfuß. Die große Felswand, welche dem Salto gegenüber steht, und die durch Weiße und Regelmäßigkeit der Flözlagen an Jura-Kalkstein erinnert; das wechselnde Spiel des farbig gebrochenen Lichtes in der Dunstwolke, welche stets über dem Cataracte schwebt; die perlartige Zertheilung der herabstürzenden Wassermasse; das Zurückbleiben ihrer kometenartigen Schweife; das donnernde, von den Bergen wiederhallende Getöse; das Dunkel der tiefen Felskluft; der Contrast zwischen der oberen, nördlichen Eichen-Vegetation und den Tropenformen am Fuße des Salto: alles dies giebt dieser nicht zu beschreibenden Scene einen individuellen, großartigen Charakter. Nur bei sehr hohem Stande stürzen die Wasser auf einmal senkrecht, und von der Felswand abgebogen, in den Abgrund. Wenn dagegen der Fluß seichter ist (und so fand ich ihn bei dem Besuche dieser Gegend), ist das Schauspiel größer und erfreulicher. Die Felswand hat nämlich zwei Vorsprünge: einen in 30, den andern etwa in 180 Fuß Tiefe. Diese verursachen einen wahren cascadenartigen Fall, wobei sich unten alles in ein Schaum- und Dampfmeer verliert. Wenn man sich nahe an den äußersten Rand der Felsbank wagt, von welcher der Fluß hinabfällt, so sammelt man in Menge ein Pflänzchen aus der Richard'schen seltenen Familie der Podostemeen: ein

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[120/0022] Rio de Funzha, nachdem er sich bei Facatativa und Fontibon in einem mit schönen Wasserpflanzen bedeckten Morast ausgebreitet, zieht sich wieder bei Canoas zu einem engeren Bette zusammen. Ich fand seine Breite dort 130 Fuß. Bei großer Dürre schien mir das im Salto de Tequendama herabfallende Wasserprofil, wenn man sich eine senkrechte Fläche durch den Fluß gelegt denkt, von 700 bis 780 Quadratfuß. Die große Felswand, welche dem Salto gegenüber steht, und die durch Weiße und Regelmäßigkeit der Flözlagen an Jura-Kalkstein erinnert; das wechselnde Spiel des farbig gebrochenen Lichtes in der Dunstwolke, welche stets über dem Cataracte schwebt; die perlartige Zertheilung der herabstürzenden Wassermasse; das Zurückbleiben ihrer kometenartigen Schweife; das donnernde, von den Bergen wiederhallende Getöse; das Dunkel der tiefen Felskluft; der Contrast zwischen der oberen, nördlichen Eichen-Vegetation und den Tropenformen am Fuße des Salto: alles dies giebt dieser nicht zu beschreibenden Scene einen individuellen, großartigen Charakter. Nur bei sehr hohem Stande stürzen die Wasser auf einmal senkrecht, und von der Felswand abgebogen, in den Abgrund. Wenn dagegen der Fluß seichter ist (und so fand ich ihn bei dem Besuche dieser Gegend), ist das Schauspiel größer und erfreulicher. Die Felswand hat nämlich zwei Vorsprünge: einen in 30, den andern etwa in 180 Fuß Tiefe. Diese verursachen einen wahren cascadenartigen Fall, wobei sich unten alles in ein Schaum- und Dampfmeer verliert. Wenn man sich nahe an den äußersten Rand der Felsbank wagt, von welcher der Fluß hinabfällt, so sammelt man in Menge ein Pflänzchen aus der Richard'schen seltenen Familie der Podostemeen: ein

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Hochebene von Bogota. In: Ders.: Kleinere Schriften. Erster Band. Geognostische und physikalische Erinnerungen. Stuttgart und Tübingen, 1853, S. 100-132, hier S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_bogota_1853/22>, abgerufen am 19.04.2024.