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Humboldt, Alexander von: Ueber die einfache Vorrichtung, durch welche sich Menschen stundenlang in irrespirablen Gasarten, ohne Nachtheil der Gesundheit, und mit brennenden Lichtern aufhalten können; oder vorläufige Anzeige einer Rettungsfläche und eines Lichterhalters. In: Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunde und Manufacturen. Bd. 2 (1796) S. 99-110, 195-210.

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Wir waren nun zu den übrigen Bergleuten in
einem Querschlag versammelt, wo der Kohlendampf
sich in ein Uebersichbrechen auf dem Rautenkränzer-
gange verlor. Wir kamen alle darin überein, daß der
Schmerz, den wir im Halse, in den Augen und in der
Nase empfanden, nicht von den rauchenden Holzspähnen
allein herrühren könne, sondern daß wahrscheinlich wäh-
rend des Breunens eine Zersetzung der aufgelösten Ar-
senik und Schwefelkiese, mit denen die Sole des alten
Orts bedeckt war, vorgegangen sey. Auch schien der
Geruch eine verflüchtigte Säure anzudeuten. Wir
waren indeß innigst erfreut, daß uns ein so entschei-
dender Versuch geglückt sey, und fuhren nun wechsels-
weise, indem wir feuchte Schnupftücher vor den Mund
hielten, vor das alte Ort, um die Lebensluftlampe zu
beobachten. Die Grubenlichter verloschen immer schon,
ehe wir uns der Maschine naheten, und wir konnten
sie nur an dieser wieder anzünden. Wir wagten nun
den letzten entscheidenden Versuche. Steiger Bauer
mußte die Lebensluftlampe in den Verschlag selbst setzen,
wo der Kohlendampf sich am meisten angehäuft hatte.
Die Blende wurde verschlossen, und jede Fuge fest ver-
klebt. Nach 8 Bullet 10 Minuten rissen wir die Blende
weg, eine Neue Dampfwolke walzte sich uns entgegen,
unser Geleuchte war wie ausgeblasen, aber die Flam-
me meiner neuen Lampe war nicht blos nicht verlöscht,
sondern wurde von der aufströhmenden Luft eben so
lang gezogen, als wenn sie im weitesten Zimmer
brennte.

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Wir waren nun zu den uͤbrigen Bergleuten in
einem Querſchlag verſammelt, wo der Kohlendampf
ſich in ein Ueberſichbrechen auf dem Rautenkraͤnzer-
gange verlor. Wir kamen alle darin uͤberein, daß der
Schmerz, den wir im Halſe, in den Augen und in der
Naſe empfanden, nicht von den rauchenden Holzſpaͤhnen
allein herruͤhren koͤnne, ſondern daß wahrſcheinlich waͤh-
rend des Breunens eine Zerſetzung der aufgeloͤſten Ar-
ſenik und Schwefelkieſe, mit denen die Sole des alten
Orts bedeckt war, vorgegangen ſey. Auch ſchien der
Geruch eine verfluͤchtigte Saͤure anzudeuten. Wir
waren indeß innigſt erfreut, daß uns ein ſo entſchei-
dender Verſuch gegluͤckt ſey, und fuhren nun wechſels-
weiſe, indem wir feuchte Schnupftuͤcher vor den Mund
hielten, vor das alte Ort, um die Lebensluftlampe zu
beobachten. Die Grubenlichter verloſchen immer ſchon,
ehe wir uns der Maſchine naheten, und wir konnten
ſie nur an dieſer wieder anzuͤnden. Wir wagten nun
den letzten entſcheidenden Verſuche. Steiger Bauer
mußte die Lebensluftlampe in den Verſchlag ſelbſt ſetzen,
wo der Kohlendampf ſich am meiſten angehaͤuft hatte.
Die Blende wurde verſchloſſen, und jede Fuge feſt ver-
klebt. Nach 8 ∙ 10 Minuten riſſen wir die Blende
weg, eine Neue Dampfwolke walzte ſich uns entgegen,
unſer Geleuchte war wie ausgeblaſen, aber die Flam-
me meiner neuen Lampe war nicht blos nicht verloͤſcht,
ſondern wurde von der aufſtroͤhmenden Luft eben ſo
lang gezogen, als wenn ſie im weiteſten Zimmer
brennte.

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[199/0019] Wir waren nun zu den uͤbrigen Bergleuten in einem Querſchlag verſammelt, wo der Kohlendampf ſich in ein Ueberſichbrechen auf dem Rautenkraͤnzer- gange verlor. Wir kamen alle darin uͤberein, daß der Schmerz, den wir im Halſe, in den Augen und in der Naſe empfanden, nicht von den rauchenden Holzſpaͤhnen allein herruͤhren koͤnne, ſondern daß wahrſcheinlich waͤh- rend des Breunens eine Zerſetzung der aufgeloͤſten Ar- ſenik und Schwefelkieſe, mit denen die Sole des alten Orts bedeckt war, vorgegangen ſey. Auch ſchien der Geruch eine verfluͤchtigte Saͤure anzudeuten. Wir waren indeß innigſt erfreut, daß uns ein ſo entſchei- dender Verſuch gegluͤckt ſey, und fuhren nun wechſels- weiſe, indem wir feuchte Schnupftuͤcher vor den Mund hielten, vor das alte Ort, um die Lebensluftlampe zu beobachten. Die Grubenlichter verloſchen immer ſchon, ehe wir uns der Maſchine naheten, und wir konnten ſie nur an dieſer wieder anzuͤnden. Wir wagten nun den letzten entſcheidenden Verſuche. Steiger Bauer mußte die Lebensluftlampe in den Verſchlag ſelbſt ſetzen, wo der Kohlendampf ſich am meiſten angehaͤuft hatte. Die Blende wurde verſchloſſen, und jede Fuge feſt ver- klebt. Nach 8 ∙ 10 Minuten riſſen wir die Blende weg, eine Neue Dampfwolke walzte ſich uns entgegen, unſer Geleuchte war wie ausgeblaſen, aber die Flam- me meiner neuen Lampe war nicht blos nicht verloͤſcht, ſondern wurde von der aufſtroͤhmenden Luft eben ſo lang gezogen, als wenn ſie im weiteſten Zimmer brennte. Sie Ccc 4

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die einfache Vorrichtung, durch welche sich Menschen stundenlang in irrespirablen Gasarten, ohne Nachtheil der Gesundheit, und mit brennenden Lichtern aufhalten können; oder vorläufige Anzeige einer Rettungsfläche und eines Lichterhalters. In: Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunde und Manufacturen. Bd. 2 (1796) S. 99-110, 195-210, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gasarten_1796/19>, abgerufen am 28.03.2024.