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Humboldt, Alexander von: Ueber die Gesetze, welche man in der Verteilung der Pflanzenformen beobachtet. In: Journal für Chemie und Physik, Bd. 18, H. 2 (1816), S. 129-145.

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A. v. Humboldt über die Gesetze, welche
che jeder Gewächsgruppe ihre Höhe, ihre Grenzen
und Klimate bestimmt. Die Worte: Alpenpflanzen,
Pflanzen heisser Länder, Meerpflanzen finden sich in
allen Sprachen, selbst in denen der wildesten Völker
am Orinocko. Sie beweisen, dass die Aufmerk-
samkeit der Menschen beständig auf die Verthei-
lung der Pflanzen und auf deren letzteren Beziehun-
gen zu der Temperatur der Luft, die Erhebung
des Bodens und die Natur des von ihnen bewohn-
ten Landstriches gerichtet war. Es bedurfte keines
grossen Scharfsinns, um zu bemerken, dass an dem
Abhang der hohen Gebürge von Armenien Pflan-
zen verschiedener Breiten auf einander folgen, so
wie dort verschiedene Klimate übereinander liegen.
Diese Idee Tournefort's welche von Linne in zwei
interessanten Dissertationen (Stationes et coloniae
plantarum) entwickelt wurde, enthält den Keim
der Lehre von der Geographie der Pflanzen. Men-
zel
, Verfasser einer ungedruckten Flora von Japan,
empfahl den Reisenden dringend Untersuchungen
in Beziehung auf die Verbreitung der Pflanzen über
die verschiedenen Gegenden des Erdballs an. Er
bezeichnete sogar das Resultat solcher Untersuchun-
gen mit dem Namen der Pflanzengeographie. Auf's
Neue und beinahe zu derselben Zeit, wurde dieser
Name im Jahre 1783. von dem Abbe Giraud-Soulavie
und dem berühmten Verfasser der Etudes de la natu-
re
*) angewendet. Dieses Werk enthält unter einer
grossen Menge unstatthafter Ideen über die Natur
der Erde, einige tiefe und scharfsinnige Ansichten
von den Formen, den gegenseitigen Beziehungen und
den Eigenthümlichkeiten der Pflanzen. Abbe Gi-

*) St. Pierre.

A. v. Humboldt über die Gesetze, welche
che jeder Gewächsgruppe ihre Höhe, ihre Grenzen
und Klimate bestimmt. Die Worte: Alpenpflanzen,
Pflanzen heiſser Länder, Meerpflanzen finden sich in
allen Sprachen, selbst in denen der wildesten Völker
am Orinocko. Sie beweisen, daſs die Aufmerk-
samkeit der Menschen beständig auf die Verthei-
lung der Pflanzen und auf deren letzteren Beziehun-
gen zu der Temperatur der Luft, die Erhebung
des Bodens und die Natur des von ihnen bewohn-
ten Landstriches gerichtet war. Es bedurfte keines
groſsen Scharfsinns, um zu bemerken, daſs an dem
Abhang der hohen Gebürge von Armenien Pflan-
zen verschiedener Breiten auf einander folgen, so
wie dort verschiedene Klimate übereinander liegen.
Diese Idee Tournefort's welche von Linné in zwei
interessanten Dissertationen (Stationes et coloniae
plantarum) entwickelt wurde, enthält den Keim
der Lehre von der Geographie der Pflanzen. Men-
zel
, Verfasser einer ungedruckten Flora von Japan,
empfahl den Reisenden dringend Untersuchungen
in Beziehung auf die Verbreitung der Pflanzen über
die verschiedenen Gegenden des Erdballs an. Er
bezeichnete sogar das Resultat solcher Untersuchun-
gen mit dem Namen der Pflanzengeographie. Auf's
Neue und beinahe zu derselben Zeit, wurde dieser
Name im Jahre 1783. von dem Abbé Giraud-Soulavie
und dem berühmten Verfasser der Etudes de la natu-
re
*) angewendet. Dieses Werk enthält unter einer
groſsen Menge unstatthafter Ideen über die Natur
der Erde, einige tiefe und scharfsinnige Ansichten
von den Formen, den gegenseitigen Beziehungen und
den Eigenthümlichkeiten der Pflanzen. Abbé Gi-

*) St. Pierre.
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[130/0002] A. v. Humboldt über die Gesetze, welche che jeder Gewächsgruppe ihre Höhe, ihre Grenzen und Klimate bestimmt. Die Worte: Alpenpflanzen, Pflanzen heiſser Länder, Meerpflanzen finden sich in allen Sprachen, selbst in denen der wildesten Völker am Orinocko. Sie beweisen, daſs die Aufmerk- samkeit der Menschen beständig auf die Verthei- lung der Pflanzen und auf deren letzteren Beziehun- gen zu der Temperatur der Luft, die Erhebung des Bodens und die Natur des von ihnen bewohn- ten Landstriches gerichtet war. Es bedurfte keines groſsen Scharfsinns, um zu bemerken, daſs an dem Abhang der hohen Gebürge von Armenien Pflan- zen verschiedener Breiten auf einander folgen, so wie dort verschiedene Klimate übereinander liegen. Diese Idee Tournefort's welche von Linné in zwei interessanten Dissertationen (Stationes et coloniae plantarum) entwickelt wurde, enthält den Keim der Lehre von der Geographie der Pflanzen. Men- zel, Verfasser einer ungedruckten Flora von Japan, empfahl den Reisenden dringend Untersuchungen in Beziehung auf die Verbreitung der Pflanzen über die verschiedenen Gegenden des Erdballs an. Er bezeichnete sogar das Resultat solcher Untersuchun- gen mit dem Namen der Pflanzengeographie. Auf's Neue und beinahe zu derselben Zeit, wurde dieser Name im Jahre 1783. von dem Abbé Giraud-Soulavie und dem berühmten Verfasser der Etudes de la natu- re *) angewendet. Dieses Werk enthält unter einer groſsen Menge unstatthafter Ideen über die Natur der Erde, einige tiefe und scharfsinnige Ansichten von den Formen, den gegenseitigen Beziehungen und den Eigenthümlichkeiten der Pflanzen. Abbé Gi- *) St. Pierre.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Gesetze, welche man in der Verteilung der Pflanzenformen beobachtet. In: Journal für Chemie und Physik, Bd. 18, H. 2 (1816), S. 129-145, hier S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gesetze_1816/2>, abgerufen am 18.04.2024.