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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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man sich alle Anmuth des Lebens, die kostbarsten Erzeugnisse34 der Erde. Das ideale Land, die geographische Mythe des Elysion ward weiter gegen Westen geschoben, über die Säulen des Hercules hinaus, je nachdem die Kenntniß des Mittelmeers bei den Hellenen sich erweiterte. Die wirkliche Weltkunde, die frühesten Entdeckungen der Phönicier, über deren Epoche keine bestimmte Nachricht zu uns gekommen ist, haben wahrscheinlich nicht zu jener Mythe von seligen Inseln Veranlassung gegeben, es ist die Mythe erst nachher gedeutet worden. Die geographische Entdeckung hat nur ein Phantasie-Gebilde verkörpert, ihm gleichsam zum Substrat gedient.

Wo spätere Schriftsteller (wie ein unbekannter Compilator der dem Aristoteles zugeschriebenen Sammlung wunderbarer Erzählungen, welcher den Timäus benutzte, oder noch ausführlicher Diodor von Sicilien) der anmuthigen Inseln erwähnen, die man für die canarischen halten kann, wird großer Stürme gedacht, welche die zufällige Entdeckung veranlaßt haben. Phönicische und carthagische Schiffe, heißt es, "welche nach den (damals schon vorhandenen) Niederlassungen an der Küste Libyens segelten", wurden in das Meer hinausgetrieben. Die Begebenheit soll sich in der frühen Zeit der tyrrhenischen Seeherrschaft, in der des Streites zwischen den tyrrhenischen Pelasgern und den Phöniciern zugetragen haben. Statius Sebosus und der numidische König Juba nannten zuerst die einzelnen Inseln, aber leider nicht mit punischen Namen, wenn auch gewiß nach Notizen, die aus punischen Büchern geschöpft waren. Weil Sertorius, aus Hispanien vertrieben, nach Verlust seiner Flotte sich mit den Seinen "nach einer Gruppe von nur zwei atlantischen Inseln, 10000 Stadien im Westen vom Ausflusse des Bätis", retten wollte, so hat man

man sich alle Anmuth des Lebens, die kostbarsten Erzeugnisse34 der Erde. Das ideale Land, die geographische Mythe des Elysion ward weiter gegen Westen geschoben, über die Säulen des Hercules hinaus, je nachdem die Kenntniß des Mittelmeers bei den Hellenen sich erweiterte. Die wirkliche Weltkunde, die frühesten Entdeckungen der Phönicier, über deren Epoche keine bestimmte Nachricht zu uns gekommen ist, haben wahrscheinlich nicht zu jener Mythe von seligen Inseln Veranlassung gegeben, es ist die Mythe erst nachher gedeutet worden. Die geographische Entdeckung hat nur ein Phantasie-Gebilde verkörpert, ihm gleichsam zum Substrat gedient.

Wo spätere Schriftsteller (wie ein unbekannter Compilator der dem Aristoteles zugeschriebenen Sammlung wunderbarer Erzählungen, welcher den Timäus benutzte, oder noch ausführlicher Diodor von Sicilien) der anmuthigen Inseln erwähnen, die man für die canarischen halten kann, wird großer Stürme gedacht, welche die zufällige Entdeckung veranlaßt haben. Phönicische und carthagische Schiffe, heißt es, „welche nach den (damals schon vorhandenen) Niederlassungen an der Küste Libyens segelten", wurden in das Meer hinausgetrieben. Die Begebenheit soll sich in der frühen Zeit der tyrrhenischen Seeherrschaft, in der des Streites zwischen den tyrrhenischen Pelasgern und den Phöniciern zugetragen haben. Statius Sebosus und der numidische König Juba nannten zuerst die einzelnen Inseln, aber leider nicht mit punischen Namen, wenn auch gewiß nach Notizen, die aus punischen Büchern geschöpft waren. Weil Sertorius, aus Hispanien vertrieben, nach Verlust seiner Flotte sich mit den Seinen „nach einer Gruppe von nur zwei atlantischen Inseln, 10000 Stadien im Westen vom Ausflusse des Bätis", retten wollte, so hat man

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[165/0170] man sich alle Anmuth des Lebens, die kostbarsten Erzeugnisse ³⁴ der Erde. Das ideale Land, die geographische Mythe des Elysion ward weiter gegen Westen geschoben, über die Säulen des Hercules hinaus, je nachdem die Kenntniß des Mittelmeers bei den Hellenen sich erweiterte. Die wirkliche Weltkunde, die frühesten Entdeckungen der Phönicier, über deren Epoche keine bestimmte Nachricht zu uns gekommen ist, haben wahrscheinlich nicht zu jener Mythe von seligen Inseln Veranlassung gegeben, es ist die Mythe erst nachher gedeutet worden. Die geographische Entdeckung hat nur ein Phantasie-Gebilde verkörpert, ihm gleichsam zum Substrat gedient. Wo spätere Schriftsteller (wie ein unbekannter Compilator der dem Aristoteles zugeschriebenen Sammlung wunderbarer Erzählungen, welcher den Timäus benutzte, oder noch ausführlicher Diodor von Sicilien) der anmuthigen Inseln erwähnen, die man für die canarischen halten kann, wird großer Stürme gedacht, welche die zufällige Entdeckung veranlaßt haben. Phönicische und carthagische Schiffe, heißt es, „welche nach den (damals schon vorhandenen) Niederlassungen an der Küste Libyens segelten", wurden in das Meer hinausgetrieben. Die Begebenheit soll sich in der frühen Zeit der tyrrhenischen Seeherrschaft, in der des Streites zwischen den tyrrhenischen Pelasgern und den Phöniciern zugetragen haben. Statius Sebosus und der numidische König Juba nannten zuerst die einzelnen Inseln, aber leider nicht mit punischen Namen, wenn auch gewiß nach Notizen, die aus punischen Büchern geschöpft waren. Weil Sertorius, aus Hispanien vertrieben, nach Verlust seiner Flotte sich mit den Seinen „nach einer Gruppe von nur zwei atlantischen Inseln, 10000 Stadien im Westen vom Ausflusse des Bätis", retten wollte, so hat man

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/170>, abgerufen am 19.04.2024.