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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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entstanden officielle Verzeichnisse täglicher Gewitter-Beobachtungen.48 Auch die von den Tuskern geübte Kunst des Wasserspürens (aquaelicium) und Quellen-Hervorlockens setzte bei den Aquilegen eine aufmerksame Erforschung natürlicher Merkmale der Schichtung des Gesteins und der Unebenheiten des Bodens voraus. Diodor preist deshalb die Tusker als forschende Naturkundige. Wir wollen zu diesem Lobe hinzusetzen, daß die vornehme und mächtige Priestercaste von Tarquinii das seltene Beispiel einer Begünstigung des physikalischen Wissens dargeboten hat.

Wir haben, ehe wir zu den Hellenen, zu dem hochbegabten Stamme übergehen, in dessen Cultur die unsrige am tiefsten wurzelt und aus dessen Ueberlieferungen wir einen wichtigen Theil aller früheren Völkerkunde und Weltansicht schöpfen, die alten Sitze der Menschenbildung in Aegypten, Phönicien und Etrurien genannt. Wir haben das Becken des Mittelmeers in seiner eigenthümlichen Gestaltung und Weltstellung, in dem Einfluß dieser Verhältnisse auf den Handelsverkehr mit der Westküste von Afrika, mit dem hohen Norden, mit dem arabisch-indischen Meere betrachtet. An keinem Punkte der Erde ist mehr Wechsel der Macht und unter geistigem Einfluß mehr Wechsel eines bewegten Lebens gewesen. Die Bewegung hat sich durch Griechen und Römer, besonders seitdem letztere die phönicisch-carthagische Macht gebrochen, weit und dauernd fortgepflanzt. Dazu ist das, was wir den Anfang der Geschichte nennen, nur das Selbstbewußtsein später Generationen. Es ist ein Vorzug unserer Zeit, daß durch glänzende Fortschritte in der allgemeinen und vergleichenden Sprachkunde, durch das sorgfältigere Aufsuchen der Monumente und die

entstanden officielle Verzeichnisse täglicher Gewitter-Beobachtungen.48 Auch die von den Tuskern geübte Kunst des Wasserspürens (aquaelicium) und Quellen-Hervorlockens setzte bei den Aquilegen eine aufmerksame Erforschung natürlicher Merkmale der Schichtung des Gesteins und der Unebenheiten des Bodens voraus. Diodor preist deshalb die Tusker als forschende Naturkundige. Wir wollen zu diesem Lobe hinzusetzen, daß die vornehme und mächtige Priestercaste von Tarquinii das seltene Beispiel einer Begünstigung des physikalischen Wissens dargeboten hat.

Wir haben, ehe wir zu den Hellenen, zu dem hochbegabten Stamme übergehen, in dessen Cultur die unsrige am tiefsten wurzelt und aus dessen Ueberlieferungen wir einen wichtigen Theil aller früheren Völkerkunde und Weltansicht schöpfen, die alten Sitze der Menschenbildung in Aegypten, Phönicien und Etrurien genannt. Wir haben das Becken des Mittelmeers in seiner eigenthümlichen Gestaltung und Weltstellung, in dem Einfluß dieser Verhältnisse auf den Handelsverkehr mit der Westküste von Afrika, mit dem hohen Norden, mit dem arabisch-indischen Meere betrachtet. An keinem Punkte der Erde ist mehr Wechsel der Macht und unter geistigem Einfluß mehr Wechsel eines bewegten Lebens gewesen. Die Bewegung hat sich durch Griechen und Römer, besonders seitdem letztere die phönicisch-carthagische Macht gebrochen, weit und dauernd fortgepflanzt. Dazu ist das, was wir den Anfang der Geschichte nennen, nur das Selbstbewußtsein später Generationen. Es ist ein Vorzug unserer Zeit, daß durch glänzende Fortschritte in der allgemeinen und vergleichenden Sprachkunde, durch das sorgfältigere Aufsuchen der Monumente und die

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[170/0175] entstanden officielle Verzeichnisse täglicher Gewitter-Beobachtungen. ⁴⁸ Auch die von den Tuskern geübte Kunst des Wasserspürens (aquaelicium) und Quellen-Hervorlockens setzte bei den Aquilegen eine aufmerksame Erforschung natürlicher Merkmale der Schichtung des Gesteins und der Unebenheiten des Bodens voraus. Diodor preist deshalb die Tusker als forschende Naturkundige. Wir wollen zu diesem Lobe hinzusetzen, daß die vornehme und mächtige Priestercaste von Tarquinii das seltene Beispiel einer Begünstigung des physikalischen Wissens dargeboten hat. Wir haben, ehe wir zu den Hellenen, zu dem hochbegabten Stamme übergehen, in dessen Cultur die unsrige am tiefsten wurzelt und aus dessen Ueberlieferungen wir einen wichtigen Theil aller früheren Völkerkunde und Weltansicht schöpfen, die alten Sitze der Menschenbildung in Aegypten, Phönicien und Etrurien genannt. Wir haben das Becken des Mittelmeers in seiner eigenthümlichen Gestaltung und Weltstellung, in dem Einfluß dieser Verhältnisse auf den Handelsverkehr mit der Westküste von Afrika, mit dem hohen Norden, mit dem arabisch-indischen Meere betrachtet. An keinem Punkte der Erde ist mehr Wechsel der Macht und unter geistigem Einfluß mehr Wechsel eines bewegten Lebens gewesen. Die Bewegung hat sich durch Griechen und Römer, besonders seitdem letztere die phönicisch-carthagische Macht gebrochen, weit und dauernd fortgepflanzt. Dazu ist das, was wir den Anfang der Geschichte nennen, nur das Selbstbewußtsein später Generationen. Es ist ein Vorzug unserer Zeit, daß durch glänzende Fortschritte in der allgemeinen und vergleichenden Sprachkunde, durch das sorgfältigere Aufsuchen der Monumente und die

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/175>, abgerufen am 28.03.2024.