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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Nordwesten von Hellas die Heerstraße vordringender illyrischer Stämme war. Die ägäische Inselwelt, welche theilweise nach einander phönicischer, persischer und griechischer Herrschaft unterlag, war das vermittelnde Glied zwischen dem Griechenthum und dem fernen Orient.

Als das phrygische Reich dem lydischen und dieses dem Perserreiche einverleibt wurde, erweiterte der Contact den Ideenkreis der asiatischen und europäischen Griechen. Die persische Weltherrschaft erstreckte sich durch die kriegerischen Unternehmungen des Cambyses und Darius Hystaspis von Cyrene und dem Nil bis in die Fruchtländer des Euphrats und des Indus. Ein Grieche, Scylax von Karyanda, wurde gebraucht, den Lauf des Indus von dem damaligen Gebiete von Kaschmir (Kaspapyrus51) bis zu seiner Mündung zu erforschen. Der Verkehr der Griechen mit Aegypten (mit Naucratis und dem pelusischen Nilarme) war schon lebhaft vor der persischen Eroberung, er war es unter Psammitich und Amasis.52 Die hier geschilderten Verhältnisse entzogen viele Griechen dem heimischen Boden, nicht etwa bloß bei Stiftung von fernen Colonien, deren wir später erwähnen werden, sondern um als Söldner den Kern fremder Heere zu bilden: in Carthago53, Aegypten, Babylon, Persien und dem bactrischen Oxus-Lande.

Ein tieferer Blick in die Individualität und volksthümliche Gestaltung der verschiedenen griechischen Stämme hat gezeigt, daß, wenn bei den Doriern und theilweise bei den Aeoliern eine ernste, fast innungsartige Abgeschlossenheit herrscht, dem heiteren ionischen Stamme dagegen ein durch Forschbegier und Thatkraft unaufhaltsam angeregtes, nach innen und außen bewegtes Leben zuzuschreiben ist. Von

Nordwesten von Hellas die Heerstraße vordringender illyrischer Stämme war. Die ägäische Inselwelt, welche theilweise nach einander phönicischer, persischer und griechischer Herrschaft unterlag, war das vermittelnde Glied zwischen dem Griechenthum und dem fernen Orient.

Als das phrygische Reich dem lydischen und dieses dem Perserreiche einverleibt wurde, erweiterte der Contact den Ideenkreis der asiatischen und europäischen Griechen. Die persische Weltherrschaft erstreckte sich durch die kriegerischen Unternehmungen des Cambyses und Darius Hystaspis von Cyrene und dem Nil bis in die Fruchtländer des Euphrats und des Indus. Ein Grieche, Scylax von Karyanda, wurde gebraucht, den Lauf des Indus von dem damaligen Gebiete von Kaschmir (Kaspapyrus51) bis zu seiner Mündung zu erforschen. Der Verkehr der Griechen mit Aegypten (mit Naucratis und dem pelusischen Nilarme) war schon lebhaft vor der persischen Eroberung, er war es unter Psammitich und Amasis.52 Die hier geschilderten Verhältnisse entzogen viele Griechen dem heimischen Boden, nicht etwa bloß bei Stiftung von fernen Colonien, deren wir später erwähnen werden, sondern um als Söldner den Kern fremder Heere zu bilden: in Carthago53, Aegypten, Babylon, Persien und dem bactrischen Oxus-Lande.

Ein tieferer Blick in die Individualität und volksthümliche Gestaltung der verschiedenen griechischen Stämme hat gezeigt, daß, wenn bei den Doriern und theilweise bei den Aeoliern eine ernste, fast innungsartige Abgeschlossenheit herrscht, dem heiteren ionischen Stamme dagegen ein durch Forschbegier und Thatkraft unaufhaltsam angeregtes, nach innen und außen bewegtes Leben zuzuschreiben ist. Von

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Nordwesten von Hellas die Heerstraße vordringender illyrischer Stämme war. Die ägäische Inselwelt, welche theilweise nach einander phönicischer, persischer und griechischer Herrschaft unterlag, war das vermittelnde Glied zwischen dem Griechenthum und dem fernen Orient.</p>
              <p>Als das phrygische Reich dem lydischen und dieses dem Perserreiche einverleibt wurde, erweiterte der Contact den Ideenkreis der asiatischen und europäischen Griechen. Die persische Weltherrschaft erstreckte sich durch die kriegerischen Unternehmungen des Cambyses und Darius Hystaspis von Cyrene und dem Nil bis in die Fruchtländer des Euphrats und des Indus. Ein Grieche, Scylax von Karyanda, wurde gebraucht, den Lauf des Indus von dem damaligen Gebiete von Kaschmir (Kaspapyrus<note xml:id="ftn190" next="ftn190-text" place="end" n="51"/>) bis zu seiner Mündung zu erforschen. Der Verkehr der Griechen mit Aegypten (mit Naucratis und dem pelusischen Nilarme) war schon lebhaft vor der persischen Eroberung, er war es unter Psammitich und Amasis.<note xml:id="ftn191" next="ftn191-text" place="end" n="52"/> Die hier geschilderten Verhältnisse entzogen viele Griechen dem heimischen Boden, nicht etwa bloß bei Stiftung von fernen Colonien, deren wir später erwähnen werden, sondern um als Söldner den Kern fremder Heere zu bilden: in Carthago<note xml:id="ftn192" next="ftn192-text" place="end" n="53"/>, Aegypten, Babylon, Persien und dem bactrischen Oxus-Lande.</p>
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[172/0177] Nordwesten von Hellas die Heerstraße vordringender illyrischer Stämme war. Die ägäische Inselwelt, welche theilweise nach einander phönicischer, persischer und griechischer Herrschaft unterlag, war das vermittelnde Glied zwischen dem Griechenthum und dem fernen Orient. Als das phrygische Reich dem lydischen und dieses dem Perserreiche einverleibt wurde, erweiterte der Contact den Ideenkreis der asiatischen und europäischen Griechen. Die persische Weltherrschaft erstreckte sich durch die kriegerischen Unternehmungen des Cambyses und Darius Hystaspis von Cyrene und dem Nil bis in die Fruchtländer des Euphrats und des Indus. Ein Grieche, Scylax von Karyanda, wurde gebraucht, den Lauf des Indus von dem damaligen Gebiete von Kaschmir (Kaspapyrus ⁵¹ ) bis zu seiner Mündung zu erforschen. Der Verkehr der Griechen mit Aegypten (mit Naucratis und dem pelusischen Nilarme) war schon lebhaft vor der persischen Eroberung, er war es unter Psammitich und Amasis. ⁵² Die hier geschilderten Verhältnisse entzogen viele Griechen dem heimischen Boden, nicht etwa bloß bei Stiftung von fernen Colonien, deren wir später erwähnen werden, sondern um als Söldner den Kern fremder Heere zu bilden: in Carthago ⁵³ , Aegypten, Babylon, Persien und dem bactrischen Oxus-Lande. Ein tieferer Blick in die Individualität und volksthümliche Gestaltung der verschiedenen griechischen Stämme hat gezeigt, daß, wenn bei den Doriern und theilweise bei den Aeoliern eine ernste, fast innungsartige Abgeschlossenheit herrscht, dem heiteren ionischen Stamme dagegen ein durch Forschbegier und Thatkraft unaufhaltsam angeregtes, nach innen und außen bewegtes Leben zuzuschreiben ist. Von

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/177>, abgerufen am 29.03.2024.