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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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des Aegäon und Kronos genannt), an dem westlichen Erdrande, auf dem Wege zum Elysium und zu den Hesperiden, sah man zuerst die Urwasser des kreisenden Okeanos70, in welchem damals noch der Ursprung aller Flüsse gesucht ward.

Am Phasis war der Schiffer wieder an eine den Pontus begrenzende Küste gelangt, jenseits deren er sich einen Sonnenteich fabeln durfte; südlich von Gadeira und Tartessus ruhte frei der Blick auf dem Unbegrenzten. Dieser Umstand hat anderthalb Jahrtausende lang der Pforte des inneren Meeres eine eigene Wichtigkeit gegeben. Immerfort nach dem Jenseitigen strebend, haben seefahrende Völker, haben hinter einander Phönicier, Hellenen, Araber, Catalanen, Mayorcaner, Franzosen aus Dieppe und La Rochelle, Genueser, Venetianer, Portugiesen und Spanier Versuche gemacht in dem atlantischen Oceane (er galt lange für ein schlammerfülltes, seichtes, nebeliges Dunkelmeer, Mare tenebrosum) vorzudringen: bis gleichsam stationsweise jene südlichen Nationen, von den canarischen Inseln und den Azoren aus, endlich den Neuen Continent erreichten, welchen aber Normannen schon früher und auf anderem Wege erreicht hatten.

Während Alexander den fernen Osten eröffnete, leiteten schon Betrachtungen über die Gestalt der Erde den großen Stagiriten71 auf die Idee der Nähe von Indien zu den Säulen des Hercules; ja Strabo ahndete sogar, "daß in der nördlichen Hemisphäre, vielleicht in dem Parallelkreise, welcher durch die Säulen, die Insel Rhodus und Thinä geht, zwischen den Küsten des westlichen Europa's und des östlichen Asiens mehrere andere bewohnbare Ländermassen72 liegen könnten." Die Angabe einer

des Aegäon und Kronos genannt), an dem westlichen Erdrande, auf dem Wege zum Elysium und zu den Hesperiden, sah man zuerst die Urwasser des kreisenden Okeanos70, in welchem damals noch der Ursprung aller Flüsse gesucht ward.

Am Phasis war der Schiffer wieder an eine den Pontus begrenzende Küste gelangt, jenseits deren er sich einen Sonnenteich fabeln durfte; südlich von Gadeira und Tartessus ruhte frei der Blick auf dem Unbegrenzten. Dieser Umstand hat anderthalb Jahrtausende lang der Pforte des inneren Meeres eine eigene Wichtigkeit gegeben. Immerfort nach dem Jenseitigen strebend, haben seefahrende Völker, haben hinter einander Phönicier, Hellenen, Araber, Catalanen, Mayorcaner, Franzosen aus Dieppe und La Rochelle, Genueser, Venetianer, Portugiesen und Spanier Versuche gemacht in dem atlantischen Oceane (er galt lange für ein schlammerfülltes, seichtes, nebeliges Dunkelmeer, Mare tenebrosum) vorzudringen: bis gleichsam stationsweise jene südlichen Nationen, von den canarischen Inseln und den Azoren aus, endlich den Neuen Continent erreichten, welchen aber Normannen schon früher und auf anderem Wege erreicht hatten.

Während Alexander den fernen Osten eröffnete, leiteten schon Betrachtungen über die Gestalt der Erde den großen Stagiriten71 auf die Idee der Nähe von Indien zu den Säulen des Hercules; ja Strabo ahndete sogar, „daß in der nördlichen Hemisphäre, vielleicht in dem Parallelkreise, welcher durch die Säulen, die Insel Rhodus und Thinä geht, zwischen den Küsten des westlichen Europa's und des östlichen Asiens mehrere andere bewohnbare Ländermassen72 liegen könnten." Die Angabe einer

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[181/0186] des Aegäon und Kronos genannt), an dem westlichen Erdrande, auf dem Wege zum Elysium und zu den Hesperiden, sah man zuerst die Urwasser des kreisenden Okeanos ⁷⁰ , in welchem damals noch der Ursprung aller Flüsse gesucht ward. Am Phasis war der Schiffer wieder an eine den Pontus begrenzende Küste gelangt, jenseits deren er sich einen Sonnenteich fabeln durfte; südlich von Gadeira und Tartessus ruhte frei der Blick auf dem Unbegrenzten. Dieser Umstand hat anderthalb Jahrtausende lang der Pforte des inneren Meeres eine eigene Wichtigkeit gegeben. Immerfort nach dem Jenseitigen strebend, haben seefahrende Völker, haben hinter einander Phönicier, Hellenen, Araber, Catalanen, Mayorcaner, Franzosen aus Dieppe und La Rochelle, Genueser, Venetianer, Portugiesen und Spanier Versuche gemacht in dem atlantischen Oceane (er galt lange für ein schlammerfülltes, seichtes, nebeliges Dunkelmeer, Mare tenebrosum) vorzudringen: bis gleichsam stationsweise jene südlichen Nationen, von den canarischen Inseln und den Azoren aus, endlich den Neuen Continent erreichten, welchen aber Normannen schon früher und auf anderem Wege erreicht hatten. Während Alexander den fernen Osten eröffnete, leiteten schon Betrachtungen über die Gestalt der Erde den großen Stagiriten ⁷¹ auf die Idee der Nähe von Indien zu den Säulen des Hercules; ja Strabo ahndete sogar, „daß in der nördlichen Hemisphäre, vielleicht in dem Parallelkreise, welcher durch die Säulen, die Insel Rhodus und Thinä geht, zwischen den Küsten des westlichen Europa's und des östlichen Asiens mehrere andere bewohnbare Ländermassen ⁷² liegen könnten." Die Angabe einer

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/186>, abgerufen am 28.03.2024.