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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Bereicherung der Ansichten hervorgebracht, zeugt die ganze abendländische Litteratur; es zeugen selbst dafür, wie bei allem, was unsere Einbildungskraft in Beschreibung erhabener Naturscenen anspricht, die Zweifel, welche bei den griechischen und in der Folge bei den römischen Schriftstellern die Berichte des Megasthenes, Nearchus, Aristobulus und anderer Begleiter Alexanders erregt haben. Diese Berichterstatter, der Färbung und dem Einfluß ihres Zeitalters unterworfen, Thatsachen und individuelle Meinungen eng mit einander verwebend, haben das wechselnde Schicksal aller Reisenden, die Oscillation zwischen anfänglichem bitteren Tadel und später, mildernder Rechtfertigung, erfahren. Die letztere ist in unseren Tagen um so häufiger eingetreten, als tiefes Sprachstudium des Sanskrit, als allgemeinere Kenntniß einheimischer geographischer Namen, als bactrische Münzen in den Topen aufgefunden, und vor allem eine lebendige Ansicht des Landes und seiner organischen Erzeugnisse der Kritik Elemente verschafft haben, die dem vielverdammenden Eratosthenes, dem Strabo und Plinius bei ihrem so einseitigen Wissen unbekannt blieben.79

Wenn man nach Unterschieden der Längengrade die Erstreckung des ganzen Mittelmeeres mit der Entfernung von Westen nach Osten vergleicht, welche Kleinasien von den Ufern des Hyphasis (Beas), von den Altären der Rückkehr trennt, so erkennt man, daß die Erdkunde der Hellenen in wenigen Jahren um das Zwiefache vermehrt wurde. Um nun näher zu bezeichnen, was ich ein, durch Alexanders Heerzüge und Städtegründung so reichlich vermehrtes Material der physischen Geographie und Naturkunde genannt habe, erinnere ich zuerst an die neu ein-

Bereicherung der Ansichten hervorgebracht, zeugt die ganze abendländische Litteratur; es zeugen selbst dafür, wie bei allem, was unsere Einbildungskraft in Beschreibung erhabener Naturscenen anspricht, die Zweifel, welche bei den griechischen und in der Folge bei den römischen Schriftstellern die Berichte des Megasthenes, Nearchus, Aristobulus und anderer Begleiter Alexanders erregt haben. Diese Berichterstatter, der Färbung und dem Einfluß ihres Zeitalters unterworfen, Thatsachen und individuelle Meinungen eng mit einander verwebend, haben das wechselnde Schicksal aller Reisenden, die Oscillation zwischen anfänglichem bitteren Tadel und später, mildernder Rechtfertigung, erfahren. Die letztere ist in unseren Tagen um so häufiger eingetreten, als tiefes Sprachstudium des Sanskrit, als allgemeinere Kenntniß einheimischer geographischer Namen, als bactrische Münzen in den Topen aufgefunden, und vor allem eine lebendige Ansicht des Landes und seiner organischen Erzeugnisse der Kritik Elemente verschafft haben, die dem vielverdammenden Eratosthenes, dem Strabo und Plinius bei ihrem so einseitigen Wissen unbekannt blieben.79

Wenn man nach Unterschieden der Längengrade die Erstreckung des ganzen Mittelmeeres mit der Entfernung von Westen nach Osten vergleicht, welche Kleinasien von den Ufern des Hyphasis (Beas), von den Altären der Rückkehr trennt, so erkennt man, daß die Erdkunde der Hellenen in wenigen Jahren um das Zwiefache vermehrt wurde. Um nun näher zu bezeichnen, was ich ein, durch Alexanders Heerzüge und Städtegründung so reichlich vermehrtes Material der physischen Geographie und Naturkunde genannt habe, erinnere ich zuerst an die neu ein-

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[187/0192] Bereicherung der Ansichten hervorgebracht, zeugt die ganze abendländische Litteratur; es zeugen selbst dafür, wie bei allem, was unsere Einbildungskraft in Beschreibung erhabener Naturscenen anspricht, die Zweifel, welche bei den griechischen und in der Folge bei den römischen Schriftstellern die Berichte des Megasthenes, Nearchus, Aristobulus und anderer Begleiter Alexanders erregt haben. Diese Berichterstatter, der Färbung und dem Einfluß ihres Zeitalters unterworfen, Thatsachen und individuelle Meinungen eng mit einander verwebend, haben das wechselnde Schicksal aller Reisenden, die Oscillation zwischen anfänglichem bitteren Tadel und später, mildernder Rechtfertigung, erfahren. Die letztere ist in unseren Tagen um so häufiger eingetreten, als tiefes Sprachstudium des Sanskrit, als allgemeinere Kenntniß einheimischer geographischer Namen, als bactrische Münzen in den Topen aufgefunden, und vor allem eine lebendige Ansicht des Landes und seiner organischen Erzeugnisse der Kritik Elemente verschafft haben, die dem vielverdammenden Eratosthenes, dem Strabo und Plinius bei ihrem so einseitigen Wissen unbekannt blieben. ⁷⁹ Wenn man nach Unterschieden der Längengrade die Erstreckung des ganzen Mittelmeeres mit der Entfernung von Westen nach Osten vergleicht, welche Kleinasien von den Ufern des Hyphasis (Beas), von den Altären der Rückkehr trennt, so erkennt man, daß die Erdkunde der Hellenen in wenigen Jahren um das Zwiefache vermehrt wurde. Um nun näher zu bezeichnen, was ich ein, durch Alexanders Heerzüge und Städtegründung so reichlich vermehrtes Material der physischen Geographie und Naturkunde genannt habe, erinnere ich zuerst an die neu ein-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/192>, abgerufen am 24.04.2024.