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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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solcher Genauigkeit von Tscheu-kung in der südlich vom gelben Flusse erbauten Stadt Lo-yang gemessen, daß Laplace diese Länge ganz mit der Theorie von der Veränderung der Schiefe der Ecliptik, welche erst am Ende des letzten Jahrhunderts aufgestellt worden ist, übereinstimmend gefunden hat. Jeder Verdacht einer Erdichtung der Angabe durch Zurückrechnen fällt also von selbst weg. S. Edouard Biot sur la Constitution politique de la Chine au 12me siecle avant notre ere (1845) p. 3 und 9. Die Erbauung von Tyrus und des uralten Tempels des Melkarth (des tyrischen Hercules) soll nach der Erzählung, die Herodot (II, 44) von den Priestern empfing, 2760 Jahre vor unserer Zeitrechnung hinaufreichen; vergl. auch Heeren, Ideen über Politik und Verkehr der Völker Th. I, 2. 1824 S. 12. Simplicius schätzt nach einer Ueberlieferung des Porphyrius das Alter der babylonischen Sternbeobachtungen, die dem Aristoteles bekannt waren, auf 1903 Jahre vor Alexander dem Großen, und Ideler, der so gründliche und vorsichtige Forscher der Chronologie, hat diese Angabe keinesweges unglaublich gefunden; vergl. sein Handbuch der Chronologie Bd. I. S. 207, die Abhandlungen der Berliner Akad. auf das J. 1814 S. 217 und Böckh, metrol. Untersuchungen über die Maße des Alterthums 1838 S. 36. -- Ob man in Indien mehr als 1200 Jahre vor Chr. selbst nach der Chronik von Kaschmir (Radjatarangini, trad. par Troyer) einen historischen Boden finde, während Megasthenes (Indica, ed. Schwanbeck 1846 p. 50) von Manu bis Kandragupta für 153 Könige der Dynastie von Magadha 60 bis 64 Jahrhunderte rechnet und der Astronom Aryabhatta den Anfang der Zeitrechnung auf 3102 vor Chr. bestimmt, bleibt noch in Dunkel gehüllt (Lassen, ind. Alterthums k. Bd. I. S. 473, 505, 507 und 510). -- Um den Zahlen, welche in dieser Anmerkung zusammengestellt sind, eine höhere Bedeutung für die Culturgeschichte der Menschheit zu geben, ist es nicht überflüssig hier zu erinnern, daß bei den Griechen die Zerstörung von Troja 1184, Homer 1000 oder 950, Kadmus der Milesier, der erste Geschichtsschreiber unter den Griechen, 524 Jahre vor unserer Zeitrechnung gesetzt werden. Diese Zusammenstellung der Epochen lehrt, wie ungleich, früh oder spät, bei den bildungsfähigsten Völkern das Bedürfniß einer genauen Aufzeichnung von Ereignissen und
solcher Genauigkeit von Tscheu-kung in der südlich vom gelben Flusse erbauten Stadt Lo-yang gemessen, daß Laplace diese Länge ganz mit der Theorie von der Veränderung der Schiefe der Ecliptik, welche erst am Ende des letzten Jahrhunderts aufgestellt worden ist, übereinstimmend gefunden hat. Jeder Verdacht einer Erdichtung der Angabe durch Zurückrechnen fällt also von selbst weg. S. Édouard Biot sur la Constitution politique de la Chine au 12me siècle avant notre ère (1845) p. 3 und 9. Die Erbauung von Tyrus und des uralten Tempels des Melkarth (des tyrischen Hercules) soll nach der Erzählung, die Herodot (II, 44) von den Priestern empfing, 2760 Jahre vor unserer Zeitrechnung hinaufreichen; vergl. auch Heeren, Ideen über Politik und Verkehr der Völker Th. I, 2. 1824 S. 12. Simplicius schätzt nach einer Ueberlieferung des Porphyrius das Alter der babylonischen Sternbeobachtungen, die dem Aristoteles bekannt waren, auf 1903 Jahre vor Alexander dem Großen, und Ideler, der so gründliche und vorsichtige Forscher der Chronologie, hat diese Angabe keinesweges unglaublich gefunden; vergl. sein Handbuch der Chronologie Bd. I. S. 207, die Abhandlungen der Berliner Akad. auf das J. 1814 S. 217 und Böckh, metrol. Untersuchungen über die Maße des Alterthums 1838 S. 36. — Ob man in Indien mehr als 1200 Jahre vor Chr. selbst nach der Chronik von Kaschmir (Radjatarangini, trad. par Troyer) einen historischen Boden finde, während Megasthenes (Indica, ed. Schwanbeck 1846 p. 50) von Manu bis Kandragupta für 153 Könige der Dynastie von Magadha 60 bis 64 Jahrhunderte rechnet und der Astronom Aryabhatta den Anfang der Zeitrechnung auf 3102 vor Chr. bestimmt, bleibt noch in Dunkel gehüllt (Lassen, ind. Alterthums k. Bd. I. S. 473, 505, 507 und 510). — Um den Zahlen, welche in dieser Anmerkung zusammengestellt sind, eine höhere Bedeutung für die Culturgeschichte der Menschheit zu geben, ist es nicht überflüssig hier zu erinnern, daß bei den Griechen die Zerstörung von Troja 1184, Homer 1000 oder 950, Kadmus der Milesier, der erste Geschichtsschreiber unter den Griechen, 524 Jahre vor unserer Zeitrechnung gesetzt werden. Diese Zusammenstellung der Epochen lehrt, wie ungleich, früh oder spät, bei den bildungsfähigsten Völkern das Bedürfniß einer genauen Aufzeichnung von Ereignissen und
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[403/0408] ⁶ solcher Genauigkeit von Tscheu-kung in der südlich vom gelben Flusse erbauten Stadt Lo-yang gemessen, daß Laplace diese Länge ganz mit der Theorie von der Veränderung der Schiefe der Ecliptik, welche erst am Ende des letzten Jahrhunderts aufgestellt worden ist, übereinstimmend gefunden hat. Jeder Verdacht einer Erdichtung der Angabe durch Zurückrechnen fällt also von selbst weg. S. Édouard Biot sur la Constitution politique de la Chine au 12me siècle avant notre ère (1845) p. 3 und 9. Die Erbauung von Tyrus und des uralten Tempels des Melkarth (des tyrischen Hercules) soll nach der Erzählung, die Herodot (II, 44) von den Priestern empfing, 2760 Jahre vor unserer Zeitrechnung hinaufreichen; vergl. auch Heeren, Ideen über Politik und Verkehr der Völker Th. I, 2. 1824 S. 12. Simplicius schätzt nach einer Ueberlieferung des Porphyrius das Alter der babylonischen Sternbeobachtungen, die dem Aristoteles bekannt waren, auf 1903 Jahre vor Alexander dem Großen, und Ideler, der so gründliche und vorsichtige Forscher der Chronologie, hat diese Angabe keinesweges unglaublich gefunden; vergl. sein Handbuch der Chronologie Bd. I. S. 207, die Abhandlungen der Berliner Akad. auf das J. 1814 S. 217 und Böckh, metrol. Untersuchungen über die Maße des Alterthums 1838 S. 36. — Ob man in Indien mehr als 1200 Jahre vor Chr. selbst nach der Chronik von Kaschmir (Radjatarangini, trad. par Troyer) einen historischen Boden finde, während Megasthenes (Indica, ed. Schwanbeck 1846 p. 50) von Manu bis Kandragupta für 153 Könige der Dynastie von Magadha 60 bis 64 Jahrhunderte rechnet und der Astronom Aryabhatta den Anfang der Zeitrechnung auf 3102 vor Chr. bestimmt, bleibt noch in Dunkel gehüllt (Lassen, ind. Alterthums k. Bd. I. S. 473, 505, 507 und 510). — Um den Zahlen, welche in dieser Anmerkung zusammengestellt sind, eine höhere Bedeutung für die Culturgeschichte der Menschheit zu geben, ist es nicht überflüssig hier zu erinnern, daß bei den Griechen die Zerstörung von Troja 1184, Homer 1000 oder 950, Kadmus der Milesier, der erste Geschichtsschreiber unter den Griechen, 524 Jahre vor unserer Zeitrechnung gesetzt werden. Diese Zusammenstellung der Epochen lehrt, wie ungleich, früh oder spät, bei den bildungsfähigsten Völkern das Bedürfniß einer genauen Aufzeichnung von Ereignissen und

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/408>, abgerufen am 19.04.2024.