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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Menschenstamme des nördlichen Europa's in einem hohen Grade eigenthümlich sind, man diese Erscheinung nicht allein als Folge des Klima's, d. h. der durch lange Entbehrung gesteigerten Sehnsucht, betrachten darf. Wir haben erinnert, wie die indische und persische Litteratur, unter der Gluth des südlichen Himmels entwickelt, die reizendsten Schilderungen liefert sowohl der organischen als der todten elementarischen Natur, des Ueberganges der Dürre zum tropischen Regen, der Erscheinung des ersten Gewölkes im tiefen Blau der reinen Lüfte, wenn die langersehnten etesischen Winde in dem gefiederten Laube der Palmengipfel allmälig zu rauschen beginnen.

Es ist hier der Ort etwas tiefer in das Gebiet der indischen Naturschilderung einzudringen. "Denken wir uns", sagt Lassen in seiner vortrefflichen indischen Alterthumskunde58, "einen Theil des arischen Stammes aus seinem Ursitz, dem Nordwestlande, nach Indien eingewandert, so fand sich derselbe dort von einer ganz neuen, wundervoll reichen Natur umgeben. Die Milde des Klima's, die Fruchtbarkeit des Bodens, seine freigebige Fülle an herrlichen Gaben mußten dem neuen Leben eine heitere Farbe mittheilen. Bei den ursprünglichen herrlichen Anlagen des arischen Volkes, bei dem Besitze einer höheren Ausstattung des Geistes, in der alles Erhabene und Große, das von den Indern ausgeführt ist, wie in einem Keime wurzelt, erzeugte früh die Anschauung der Außenwelt ein tiefes Nachdenken über die Kräfte der Natur: ein Nachdenken, welches die Grundlage der contemplativen Richtung ist, die wir innigst mit der ältesten Poesie der Inder verwebt finden. Ein so allbeherrschender Eindruck, welchen die Natur auf das

Menschenstamme des nördlichen Europa's in einem hohen Grade eigenthümlich sind, man diese Erscheinung nicht allein als Folge des Klima's, d. h. der durch lange Entbehrung gesteigerten Sehnsucht, betrachten darf. Wir haben erinnert, wie die indische und persische Litteratur, unter der Gluth des südlichen Himmels entwickelt, die reizendsten Schilderungen liefert sowohl der organischen als der todten elementarischen Natur, des Ueberganges der Dürre zum tropischen Regen, der Erscheinung des ersten Gewölkes im tiefen Blau der reinen Lüfte, wenn die langersehnten etesischen Winde in dem gefiederten Laube der Palmengipfel allmälig zu rauschen beginnen.

Es ist hier der Ort etwas tiefer in das Gebiet der indischen Naturschilderung einzudringen. „Denken wir uns", sagt Lassen in seiner vortrefflichen indischen Alterthumskunde58, „einen Theil des arischen Stammes aus seinem Ursitz, dem Nordwestlande, nach Indien eingewandert, so fand sich derselbe dort von einer ganz neuen, wundervoll reichen Natur umgeben. Die Milde des Klima's, die Fruchtbarkeit des Bodens, seine freigebige Fülle an herrlichen Gaben mußten dem neuen Leben eine heitere Farbe mittheilen. Bei den ursprünglichen herrlichen Anlagen des arischen Volkes, bei dem Besitze einer höheren Ausstattung des Geistes, in der alles Erhabene und Große, das von den Indern ausgeführt ist, wie in einem Keime wurzelt, erzeugte früh die Anschauung der Außenwelt ein tiefes Nachdenken über die Kräfte der Natur: ein Nachdenken, welches die Grundlage der contemplativen Richtung ist, die wir innigst mit der ältesten Poesie der Inder verwebt finden. Ein so allbeherrschender Eindruck, welchen die Natur auf das

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[38/0043] Menschenstamme des nördlichen Europa's in einem hohen Grade eigenthümlich sind, man diese Erscheinung nicht allein als Folge des Klima's, d. h. der durch lange Entbehrung gesteigerten Sehnsucht, betrachten darf. Wir haben erinnert, wie die indische und persische Litteratur, unter der Gluth des südlichen Himmels entwickelt, die reizendsten Schilderungen liefert sowohl der organischen als der todten elementarischen Natur, des Ueberganges der Dürre zum tropischen Regen, der Erscheinung des ersten Gewölkes im tiefen Blau der reinen Lüfte, wenn die langersehnten etesischen Winde in dem gefiederten Laube der Palmengipfel allmälig zu rauschen beginnen. Es ist hier der Ort etwas tiefer in das Gebiet der indischen Naturschilderung einzudringen. „Denken wir uns", sagt Lassen in seiner vortrefflichen indischen Alterthumskunde ⁵⁸ , „einen Theil des arischen Stammes aus seinem Ursitz, dem Nordwestlande, nach Indien eingewandert, so fand sich derselbe dort von einer ganz neuen, wundervoll reichen Natur umgeben. Die Milde des Klima's, die Fruchtbarkeit des Bodens, seine freigebige Fülle an herrlichen Gaben mußten dem neuen Leben eine heitere Farbe mittheilen. Bei den ursprünglichen herrlichen Anlagen des arischen Volkes, bei dem Besitze einer höheren Ausstattung des Geistes, in der alles Erhabene und Große, das von den Indern ausgeführt ist, wie in einem Keime wurzelt, erzeugte früh die Anschauung der Außenwelt ein tiefes Nachdenken über die Kräfte der Natur: ein Nachdenken, welches die Grundlage der contemplativen Richtung ist, die wir innigst mit der ältesten Poesie der Inder verwebt finden. Ein so allbeherrschender Eindruck, welchen die Natur auf das

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/43>, abgerufen am 24.04.2024.