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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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von fast dreitausend Versen dreht sich um den Kampf zwischen Finnen und Lappen und um die Schicksale eines göttlichen Helden, der Vaino genannt wird. Es enthält das Epos eine anmuthvolle Beschreibung des finnischen Landlebens, besonders da, wo die Frau des Eisenschmidts Ilmarinen ihre Heerden in die Wälder sendet und Gebete zum Schutze der Thiere spricht. Wenige Völkerstämme bieten in ihrer Geistesbildung und in der Richtung ihrer Gefühle, wie sie durch entartende Knechtschaft, oder kriegerische Wildheit, oder ausdauerndes Streben nach politischer Freiheit bestimmt worden ist, mannigfaltigere und wundersamere Abstufungen dar als der finnische Stamm in seinen sprachverwandten Unterabtheilungen. Wir erinnern an jene, jetzt so friedlichen Landleute, bei denen das Epos aufgefunden worden, an die lange mit Mongolen verwechselten weltstürmenden Hunnen, und an ein großes und edles Volk, die Magyaren.

Bei der Betrachtung dessen, was in der Lebendigkeit des Naturgefühls und der Form seiner Aeußerungen von der Verschiedenheit der Racen, von dem eigenthümlichen Einflusse der Gestaltung des Bodens, von der Staatsverfassung und der religiösen Stimmung abzuhangen scheint, bleibt uns übrig einen Blick auf die Völker Asiens zu werfen, welche mit den arischen oder indogermanischen Stämmen, den Indern und Persern, am meisten contrastiren. Die semitischen oder aramäischen Nationen zeigen uns in den ältesten und ehrwürdigsten Denkmälern ihrer dichterischen Gemüthsart und schaffenden Phantasie Beweise eines tiefen Naturgefühls. Der Ausdruck desselben offenbart sich großartig und belebend in Hirtensagen, in Tempel- und Chorgesängen,

von fast dreitausend Versen dreht sich um den Kampf zwischen Finnen und Lappen und um die Schicksale eines göttlichen Helden, der Vaino genannt wird. Es enthält das Epos eine anmuthvolle Beschreibung des finnischen Landlebens, besonders da, wo die Frau des Eisenschmidts Ilmarinen ihre Heerden in die Wälder sendet und Gebete zum Schutze der Thiere spricht. Wenige Völkerstämme bieten in ihrer Geistesbildung und in der Richtung ihrer Gefühle, wie sie durch entartende Knechtschaft, oder kriegerische Wildheit, oder ausdauerndes Streben nach politischer Freiheit bestimmt worden ist, mannigfaltigere und wundersamere Abstufungen dar als der finnische Stamm in seinen sprachverwandten Unterabtheilungen. Wir erinnern an jene, jetzt so friedlichen Landleute, bei denen das Epos aufgefunden worden, an die lange mit Mongolen verwechselten weltstürmenden Hunnen, und an ein großes und edles Volk, die Magyaren.

Bei der Betrachtung dessen, was in der Lebendigkeit des Naturgefühls und der Form seiner Aeußerungen von der Verschiedenheit der Racen, von dem eigenthümlichen Einflusse der Gestaltung des Bodens, von der Staatsverfassung und der religiösen Stimmung abzuhangen scheint, bleibt uns übrig einen Blick auf die Völker Asiens zu werfen, welche mit den arischen oder indogermanischen Stämmen, den Indern und Persern, am meisten contrastiren. Die semitischen oder aramäischen Nationen zeigen uns in den ältesten und ehrwürdigsten Denkmälern ihrer dichterischen Gemüthsart und schaffenden Phantasie Beweise eines tiefen Naturgefühls. Der Ausdruck desselben offenbart sich großartig und belebend in Hirtensagen, in Tempel- und Chorgesängen,

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[44/0049] von fast dreitausend Versen dreht sich um den Kampf zwischen Finnen und Lappen und um die Schicksale eines göttlichen Helden, der Vaino genannt wird. Es enthält das Epos eine anmuthvolle Beschreibung des finnischen Landlebens, besonders da, wo die Frau des Eisenschmidts Ilmarinen ihre Heerden in die Wälder sendet und Gebete zum Schutze der Thiere spricht. Wenige Völkerstämme bieten in ihrer Geistesbildung und in der Richtung ihrer Gefühle, wie sie durch entartende Knechtschaft, oder kriegerische Wildheit, oder ausdauerndes Streben nach politischer Freiheit bestimmt worden ist, mannigfaltigere und wundersamere Abstufungen dar als der finnische Stamm in seinen sprachverwandten Unterabtheilungen. Wir erinnern an jene, jetzt so friedlichen Landleute, bei denen das Epos aufgefunden worden, an die lange mit Mongolen verwechselten weltstürmenden Hunnen, und an ein großes und edles Volk, die Magyaren. Bei der Betrachtung dessen, was in der Lebendigkeit des Naturgefühls und der Form seiner Aeußerungen von der Verschiedenheit der Racen, von dem eigenthümlichen Einflusse der Gestaltung des Bodens, von der Staatsverfassung und der religiösen Stimmung abzuhangen scheint, bleibt uns übrig einen Blick auf die Völker Asiens zu werfen, welche mit den arischen oder indogermanischen Stämmen, den Indern und Persern, am meisten contrastiren. Die semitischen oder aramäischen Nationen zeigen uns in den ältesten und ehrwürdigsten Denkmälern ihrer dichterischen Gemüthsart und schaffenden Phantasie Beweise eines tiefen Naturgefühls. Der Ausdruck desselben offenbart sich großartig und belebend in Hirtensagen, in Tempel- und Chorgesängen,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/49>, abgerufen am 28.03.2024.