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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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scharfsinnige Beobachter schätzte den scheinbaren Durchmesser von Wega der Leier bei der ungeheuren Vergrößerung von 6500 Mal noch zu 0",36. Bei terrestrischen Gegenständen bestimmt außer der Beleuchtung auch die Form des Gegenstandes die Größe des kleinsten Sehwinkels für das unbewaffnete Auge. Schon Adams hat sehr richtig bemerkt, daß eine dünne lange Stange viel weiter sichtbar ist als ein Quadrat, dessen Seite dem Durchmesser derselben gleich ist. Einen Strick sieht man weiter als einen Punkt, auch wenn beide gleichen Durchmesser haben. Arago hat durch Winkelmessung der von der Pariser Sternwarte aus sichtbaren fernen Blitzableiter den Einfluß der Gestaltung (des Umrisses der Bilder) vielfältigen Messungen unterworfen. In der Bestimmung des kleinstmöglichen optischen Sehwinkels, unter welchem irdische Objecte dem bloßen Auge erkenntlich sind, ist man seit Robert Hooke, der noch streng eine volle Minute festsetzte, bis Tobias Mayer, welcher 34" für einen schwarzen Fleck auf weißem Papiere forderte, ja bis zu Leeuwenhoek's Spinnfäden (unter einem Winkel von 4",7 bei sehr gewöhnlicher Sehkraft sichtbar), immer vermindernd fortgeschritten. In den neuesten, sehr genauen Versuchen Hueck's über das Problem von der Bewegung der Krystallinse wurden weiße Striche auf schwarzem Grunde unter einem Winkel von 1",2; ein Spinnenfaden bei 0",6; ein feiner glänzender Drath bei kaum 0",2 gesehen. Das Problem ist gar nicht im allgemeinen numerisch zu lösen, da alles von den Bedingungen der Gestalt der Objecte, ihrer Erleuchtung, ihres Contrastes mit dem Hintergrunde, von dem sie sich abheben, der Bewegung oder Ruhe und der Natur der Luftschichten, in denen man sich befindet, abhängt.

scharfsinnige Beobachter schätzte den scheinbaren Durchmesser von Wega der Leier bei der ungeheuren Vergrößerung von 6500 Mal noch zu 0″,36. Bei terrestrischen Gegenständen bestimmt außer der Beleuchtung auch die Form des Gegenstandes die Größe des kleinsten Sehwinkels für das unbewaffnete Auge. Schon Adams hat sehr richtig bemerkt, daß eine dünne lange Stange viel weiter sichtbar ist als ein Quadrat, dessen Seite dem Durchmesser derselben gleich ist. Einen Strick sieht man weiter als einen Punkt, auch wenn beide gleichen Durchmesser haben. Arago hat durch Winkelmessung der von der Pariser Sternwarte aus sichtbaren fernen Blitzableiter den Einfluß der Gestaltung (des Umrisses der Bilder) vielfältigen Messungen unterworfen. In der Bestimmung des kleinstmöglichen optischen Sehwinkels, unter welchem irdische Objecte dem bloßen Auge erkenntlich sind, ist man seit Robert Hooke, der noch streng eine volle Minute festsetzte, bis Tobias Mayer, welcher 34″ für einen schwarzen Fleck auf weißem Papiere forderte, ja bis zu Leeuwenhoek's Spinnfäden (unter einem Winkel von 4″,7 bei sehr gewöhnlicher Sehkraft sichtbar), immer vermindernd fortgeschritten. In den neuesten, sehr genauen Versuchen Hueck's über das Problem von der Bewegung der Krystallinse wurden weiße Striche auf schwarzem Grunde unter einem Winkel von 1″,2; ein Spinnenfaden bei 0″,6; ein feiner glänzender Drath bei kaum 0″,2 gesehen. Das Problem ist gar nicht im allgemeinen numerisch zu lösen, da alles von den Bedingungen der Gestalt der Objecte, ihrer Erleuchtung, ihres Contrastes mit dem Hintergrunde, von dem sie sich abheben, der Bewegung oder Ruhe und der Natur der Luftschichten, in denen man sich befindet, abhängt.

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[68/0073] scharfsinnige Beobachter schätzte den scheinbaren Durchmesser von Wega der Leier bei der ungeheuren Vergrößerung von 6500 Mal noch zu 0″,36. Bei terrestrischen Gegenständen bestimmt außer der Beleuchtung auch die Form des Gegenstandes die Größe des kleinsten Sehwinkels für das unbewaffnete Auge. Schon Adams hat sehr richtig bemerkt, daß eine dünne lange Stange viel weiter sichtbar ist als ein Quadrat, dessen Seite dem Durchmesser derselben gleich ist. Einen Strick sieht man weiter als einen Punkt, auch wenn beide gleichen Durchmesser haben. Arago hat durch Winkelmessung der von der Pariser Sternwarte aus sichtbaren fernen Blitzableiter den Einfluß der Gestaltung (des Umrisses der Bilder) vielfältigen Messungen unterworfen. In der Bestimmung des kleinstmöglichen optischen Sehwinkels, unter welchem irdische Objecte dem bloßen Auge erkenntlich sind, ist man seit Robert Hooke, der noch streng eine volle Minute festsetzte, bis Tobias Mayer, welcher 34″ für einen schwarzen Fleck auf weißem Papiere forderte, ja bis zu Leeuwenhoek's Spinnfäden (unter einem Winkel von 4″,7 bei sehr gewöhnlicher Sehkraft sichtbar), immer vermindernd fortgeschritten. In den neuesten, sehr genauen Versuchen Hueck's über das Problem von der Bewegung der Krystallinse wurden weiße Striche auf schwarzem Grunde unter einem Winkel von 1″,2; ein Spinnenfaden bei 0″,6; ein feiner glänzender Drath bei kaum 0″,2 gesehen. Das Problem ist gar nicht im allgemeinen numerisch zu lösen, da alles von den Bedingungen der Gestalt der Objecte, ihrer Erleuchtung, ihres Contrastes mit dem Hintergrunde, von dem sie sich abheben, der Bewegung oder Ruhe und der Natur der Luftschichten, in denen man sich befindet, abhängt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/73>, abgerufen am 28.03.2024.