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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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Maaß und die Vertheilung der angehäuften ponderablen Materie und deren Anziehungskräfte gründen. Der Eindruck des Erhabenen, wenn er aus dem Unermeßlichen und sinnlich Großen entspringt, geht, uns selbst fast unbewußt, durch das geheimnißvolle Band, welches das Uebersinnliche mit dem Sinnlichen verknüpft, in eine andre, höhere Sphäre der Ideen über. Es wohnt dem Bilde des Unermeßlichen, des Grenzenlosen, des Unendlichen eine Kraft bei, die zu ernster, feierlicher Stimmung anregt und, wie in dem Eindruck alles geistig Großen und moralisch Erhabenen, nicht ohne Rührung ist.

Die Wirkung, welche der Anblick außerordentlicher Himmelserscheinungen so allgemein und gleichzeitig auf ganze Volksmassen ausübt, bezeugt den Einfluß einer solchen Association der Gefühle. Was in erregbaren Gemüthern schon der bloße Anblick der gestirnten Himmelsdecke hervorbringen kann, wird durch tieferes Wissen und durch Anwendung von Werkzeugen vermehrt, die der Mensch erfunden, um seine Sehkraft und mit ihr den Horizont seiner Beobachtung zu vergrößern. Dabei gesellt sich zu dem uranologischen Eindruck des Unerfaßlichen im Weltall, durch die Gedankenverbindung mit dem Gesetzlichen und der geregelten Ordnung, auch der Eindruck des Friedlichen. Er benimmt der unergründlichen Tiefe des Raumes wie der Zeit, was bei aufgeregter Einbildungskraft ihnen Schauerliches zugeschrieben wird. Unter allen Himmelsstrichen preist der Mensch, bei der einfach natürlichen Empfänglichkeit seines Gemüthes, "die stille Ruhe einer sternklaren Sommernacht".

Wenn nun Raum- und Massengröße dem siderischen Theile der Weltbeschreibung vorzugsweise angehören, und das Auge in ihm das einzige Organ der Weltanschauung

Maaß und die Vertheilung der angehäuften ponderablen Materie und deren Anziehungskräfte gründen. Der Eindruck des Erhabenen, wenn er aus dem Unermeßlichen und sinnlich Großen entspringt, geht, uns selbst fast unbewußt, durch das geheimnißvolle Band, welches das Uebersinnliche mit dem Sinnlichen verknüpft, in eine andre, höhere Sphäre der Ideen über. Es wohnt dem Bilde des Unermeßlichen, des Grenzenlosen, des Unendlichen eine Kraft bei, die zu ernster, feierlicher Stimmung anregt und, wie in dem Eindruck alles geistig Großen und moralisch Erhabenen, nicht ohne Rührung ist.

Die Wirkung, welche der Anblick außerordentlicher Himmelserscheinungen so allgemein und gleichzeitig auf ganze Volksmassen ausübt, bezeugt den Einfluß einer solchen Association der Gefühle. Was in erregbaren Gemüthern schon der bloße Anblick der gestirnten Himmelsdecke hervorbringen kann, wird durch tieferes Wissen und durch Anwendung von Werkzeugen vermehrt, die der Mensch erfunden, um seine Sehkraft und mit ihr den Horizont seiner Beobachtung zu vergrößern. Dabei gesellt sich zu dem uranologischen Eindruck des Unerfaßlichen im Weltall, durch die Gedankenverbindung mit dem Gesetzlichen und der geregelten Ordnung, auch der Eindruck des Friedlichen. Er benimmt der unergründlichen Tiefe des Raumes wie der Zeit, was bei aufgeregter Einbildungskraft ihnen Schauerliches zugeschrieben wird. Unter allen Himmelsstrichen preist der Mensch, bei der einfach natürlichen Empfänglichkeit seines Gemüthes, „die stille Ruhe einer sternklaren Sommernacht".

Wenn nun Raum- und Massengröße dem siderischen Theile der Weltbeschreibung vorzugsweise angehören, und das Auge in ihm das einzige Organ der Weltanschauung

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Maaß und die Vertheilung der angehäuften ponderablen Materie und deren Anziehungskräfte gründen. Der Eindruck des Erhabenen, wenn er aus dem Unermeßlichen und sinnlich Großen entspringt, geht, uns selbst fast unbewußt, durch das geheimnißvolle Band, welches das Uebersinnliche mit dem Sinnlichen verknüpft, in eine andre, höhere Sphäre der Ideen über. Es wohnt dem Bilde des Unermeßlichen, des Grenzenlosen, des Unendlichen eine Kraft bei, die zu ernster, feierlicher Stimmung anregt und, wie in dem Eindruck alles geistig Großen und moralisch Erhabenen, nicht ohne Rührung ist.</p>
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[6/0011] Maaß und die Vertheilung der angehäuften ponderablen Materie und deren Anziehungskräfte gründen. Der Eindruck des Erhabenen, wenn er aus dem Unermeßlichen und sinnlich Großen entspringt, geht, uns selbst fast unbewußt, durch das geheimnißvolle Band, welches das Uebersinnliche mit dem Sinnlichen verknüpft, in eine andre, höhere Sphäre der Ideen über. Es wohnt dem Bilde des Unermeßlichen, des Grenzenlosen, des Unendlichen eine Kraft bei, die zu ernster, feierlicher Stimmung anregt und, wie in dem Eindruck alles geistig Großen und moralisch Erhabenen, nicht ohne Rührung ist. Die Wirkung, welche der Anblick außerordentlicher Himmelserscheinungen so allgemein und gleichzeitig auf ganze Volksmassen ausübt, bezeugt den Einfluß einer solchen Association der Gefühle. Was in erregbaren Gemüthern schon der bloße Anblick der gestirnten Himmelsdecke hervorbringen kann, wird durch tieferes Wissen und durch Anwendung von Werkzeugen vermehrt, die der Mensch erfunden, um seine Sehkraft und mit ihr den Horizont seiner Beobachtung zu vergrößern. Dabei gesellt sich zu dem uranologischen Eindruck des Unerfaßlichen im Weltall, durch die Gedankenverbindung mit dem Gesetzlichen und der geregelten Ordnung, auch der Eindruck des Friedlichen. Er benimmt der unergründlichen Tiefe des Raumes wie der Zeit, was bei aufgeregter Einbildungskraft ihnen Schauerliches zugeschrieben wird. Unter allen Himmelsstrichen preist der Mensch, bei der einfach natürlichen Empfänglichkeit seines Gemüthes, „die stille Ruhe einer sternklaren Sommernacht". Wenn nun Raum- und Massengröße dem siderischen Theile der Weltbeschreibung vorzugsweise angehören, und das Auge in ihm das einzige Organ der Weltanschauung

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/11>, abgerufen am 25.04.2024.