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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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welche zwischen Continente eindringen) noch die Länderstrecke zu beschreiben übrig, welche von dem Rio Gila bis zu Norton's und Kotzebue's Sunden reicht. Analogien, die man hergenommen aus Europa von den Pyrenäen oder der Alpenkette, aus Südamerika von den Cordilleren der Andes von Süd-Chili bis zum fünften Grade nördlicher Breite in Neu-Granada, haben, durch phantastische Kartenzeichnungen unterstützt, die irrige Meinung verbreitet, als könne das mexicanische Hochgebirge oder sein höchster Rücken mauerartig unter dem Namen einer Sierra Madre von Südost nach Nordwest verfolgt werden. Der gebirgige Theil von Mexico aber ist eine breite, mächtige Anschwellung, welche sich allerdings in der eben angegebenen Richtung zwischen zwei Meeren in fünf- bis siebentausend Fuß Höhe zusammenhangend darbietet; auf der sich aber, wie am Caucasus und in Inner-Asien, nach partiellen, sehr verschiedenartigen Richtungen, höhere vulkanische Bergsysteme bis über 14000 und 16700 Fuß erheben. Die Reihung dieser partiellen Gruppen, auf nicht unter sich parallelen Spalten ausgebrochen, ist in ihrer Orientirung meist unabhängig von der idealen Achse, welche man durch die ganze Anschwellung des wellenförmig verflachten Rückens legen kann. Diese so merkwürdigen Verhältnisse der Bodengestalt veranlassen eine Täuschung, welche den malerischen Eindruck des schönen Landes erhöht. Die mit ewigem Schnee bedeckten Bergcolosse scheinen wie aus einer Ebene emporzusteigen. Man verwechselt räumlich den Rücken der sanften Anschwellung, die Hochebene, mit den Ebenen des Tieflandes; und nur das Klima, die Abnahme der Temperatur, erinnert unter demselben Breitengrade an das, was man gestiegen ist. Die oft erwähnte Erhebungs-Spalte der Vulkane von Anahuac (in der ost-westlichen Richtung zwischen

welche zwischen Continente eindringen) noch die Länderstrecke zu beschreiben übrig, welche von dem Rio Gila bis zu Norton's und Kotzebue's Sunden reicht. Analogien, die man hergenommen aus Europa von den Pyrenäen oder der Alpenkette, aus Südamerika von den Cordilleren der Andes von Süd-Chili bis zum fünften Grade nördlicher Breite in Neu-Granada, haben, durch phantastische Kartenzeichnungen unterstützt, die irrige Meinung verbreitet, als könne das mexicanische Hochgebirge oder sein höchster Rücken mauerartig unter dem Namen einer Sierra Madre von Südost nach Nordwest verfolgt werden. Der gebirgige Theil von Mexico aber ist eine breite, mächtige Anschwellung, welche sich allerdings in der eben angegebenen Richtung zwischen zwei Meeren in fünf- bis siebentausend Fuß Höhe zusammenhangend darbietet; auf der sich aber, wie am Caucasus und in Inner-Asien, nach partiellen, sehr verschiedenartigen Richtungen, höhere vulkanische Bergsysteme bis über 14000 und 16700 Fuß erheben. Die Reihung dieser partiellen Gruppen, auf nicht unter sich parallelen Spalten ausgebrochen, ist in ihrer Orientirung meist unabhängig von der idealen Achse, welche man durch die ganze Anschwellung des wellenförmig verflachten Rückens legen kann. Diese so merkwürdigen Verhältnisse der Bodengestalt veranlassen eine Täuschung, welche den malerischen Eindruck des schönen Landes erhöht. Die mit ewigem Schnee bedeckten Bergcolosse scheinen wie aus einer Ebene emporzusteigen. Man verwechselt räumlich den Rücken der sanften Anschwellung, die Hochebene, mit den Ebenen des Tieflandes; und nur das Klima, die Abnahme der Temperatur, erinnert unter demselben Breitengrade an das, was man gestiegen ist. Die oft erwähnte Erhebungs-Spalte der Vulkane von Anahuac (in der ost-westlichen Richtung zwischen

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[431/0436] welche zwischen Continente eindringen) noch die Länderstrecke zu beschreiben übrig, welche von dem Rio Gila bis zu Norton's und Kotzebue's Sunden reicht. Analogien, die man hergenommen aus Europa von den Pyrenäen oder der Alpenkette, aus Südamerika von den Cordilleren der Andes von Süd-Chili bis zum fünften Grade nördlicher Breite in Neu-Granada, haben, durch phantastische Kartenzeichnungen unterstützt, die irrige Meinung verbreitet, als könne das mexicanische Hochgebirge oder sein höchster Rücken mauerartig unter dem Namen einer Sierra Madre von Südost nach Nordwest verfolgt werden. Der gebirgige Theil von Mexico aber ist eine breite, mächtige Anschwellung, welche sich allerdings in der eben angegebenen Richtung zwischen zwei Meeren in fünf- bis siebentausend Fuß Höhe zusammenhangend darbietet; auf der sich aber, wie am Caucasus und in Inner-Asien, nach partiellen, sehr verschiedenartigen Richtungen, höhere vulkanische Bergsysteme bis über 14000 und 16700 Fuß erheben. Die Reihung dieser partiellen Gruppen, auf nicht unter sich parallelen Spalten ausgebrochen, ist in ihrer Orientirung meist unabhängig von der idealen Achse, welche man durch die ganze Anschwellung des wellenförmig verflachten Rückens legen kann. Diese so merkwürdigen Verhältnisse der Bodengestalt veranlassen eine Täuschung, welche den malerischen Eindruck des schönen Landes erhöht. Die mit ewigem Schnee bedeckten Bergcolosse scheinen wie aus einer Ebene emporzusteigen. Man verwechselt räumlich den Rücken der sanften Anschwellung, die Hochebene, mit den Ebenen des Tieflandes; und nur das Klima, die Abnahme der Temperatur, erinnert unter demselben Breitengrade an das, was man gestiegen ist. Die oft erwähnte Erhebungs-Spalte der Vulkane von Anahuac (in der ost-westlichen Richtung zwischen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/436>, abgerufen am 07.10.2024.