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Humboldt, Alexander von: Ueber den Manati des Orinoko. In: Archiv für Naturgeschichte, 4 Jg., Bd. 1 (1838), S. 1-18, [397], [399].

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ken. Die Guamos und die Otomakos sind am meisten da-
nach lüstern, und diese zwei Völker sind es auch, welche
sich vorzüglich mit der Manati-Fischerei abgeben. Die Pi-
raoos verabscheuen es; sie verbargen sich zu Carichana, um
es nicht zu berühren. Sie behaupten, dass man nach
seinem Genusse sterbe, und dass es Fieber hervorbringe,
welche Erfahrung die Spanier nie gemacht haben. Das
Fleisch wird eingesalzen und an der Sonne gedörrt, das
ganze Jahr aufbewahrt, und da die Geistlichkeit dieses
Säugethier unter die Fische zählt, so ist es während
der Fastenzeit sehr begehrt. Der Manati hat ein sehr zähes
Leben. Er wird, nachdem er harpunirt ist, gebunden, aber
man tödtet ihn nicht eher, als bis man ihn in die Piroge ge-
bracht. Dies geschieht, zumal wenn das Thier gross ist, oft
mitten im Strome, indem man die Piroge zu zwei Drittheil
ihres Gehalts mit Wasser füllt, sie alsdann dem Thiere unter-
schiebt und das Wasser mittelst einer Schale von Crescentia Cujete
wieder ausschöpft. Der Fang dieser Thiere ist zur Zeit, wo die
grossen Ueberschwemmungen zu Ende gehen, am leichtesten:
der Manati geht dann aus den grossen Flüssen in die umlie-
genden Seen und Sümpfe, und wenn die Wasser nun schnell
fallen, so befindet er sich wie abgeschnitten in einem enge-
ren Raume. Zur Zeit der Iesuiten-Herrschaft in den Mis-
sionen am unteren Orinoko, versammelten sich die Iesuiten
alljährlich in Cabruta, unterhalb der Mündung des Apure, um
mit den Indiern ihrer Missionen, am Fusse des Berges, wel-
cher jetzt El Capuchino heisst, eine grosse Manati-Jagd anzu-
stellen. Das Fett des Thieres ist unter dem Namen Manteca
de Manati
bekannt und wird zur Unterhaltung der Kirchen-
lampen benutzt. Man gebraucht es auch zur Zubereitung von
Speisen. Es hat nicht den widrigen Geruch des Thranes der
Wallfische oder anderer blasender Cetaceen. Die Haut der
Seekühe wird in Riemen geschnitten und, gleich den Streifen
der Ochsenhäute, zu vortrefflichen Stricken gebraucht, ist aber
im Wasser der Fäulniss unterworfen. In den spanischen Co-
lonien werden Peitschen daraus verfertigt; auch sind die Worte
latigo und manati gleichbedeutend. Diese Peitschen sind ein
grausames Strafwerkzeug der unglücklichen Sklaven und selbst
auch der Indianer in den Missionen. -- Mit den Manatikno-

ken. Die Guamos und die Otomakos sind am meisten da-
nach lüstern, und diese zwei Völker sind es auch, welche
sich vorzüglich mit der Manati-Fischerei abgeben. Die Pi-
raoos verabscheuen es; sie verbargen sich zu Carichana, um
es nicht zu berühren. Sie behaupten, daſs man nach
seinem Genusse sterbe, und daſs es Fieber hervorbringe,
welche Erfahrung die Spanier nie gemacht haben. Das
Fleisch wird eingesalzen und an der Sonne gedörrt, das
ganze Jahr aufbewahrt, und da die Geistlichkeit dieses
Säugethier unter die Fische zählt, so ist es während
der Fastenzeit sehr begehrt. Der Manati hat ein sehr zähes
Leben. Er wird, nachdem er harpunirt ist, gebunden, aber
man tödtet ihn nicht eher, als bis man ihn in die Piroge ge-
bracht. Dies geschieht, zumal wenn das Thier groſs ist, oft
mitten im Strome, indem man die Piroge zu zwei Drittheil
ihres Gehalts mit Wasser füllt, sie alsdann dem Thiere unter-
schiebt und das Wasser mittelst einer Schale von Crescentia Cujete
wieder ausschöpft. Der Fang dieser Thiere ist zur Zeit, wo die
groſsen Ueberschwemmungen zu Ende gehen, am leichtesten:
der Manati geht dann aus den groſsen Flüssen in die umlie-
genden Seen und Sümpfe, und wenn die Wasser nun schnell
fallen, so befindet er sich wie abgeschnitten in einem enge-
ren Raume. Zur Zeit der Iesuiten-Herrschaft in den Mis-
sionen am unteren Orinoko, versammelten sich die Iesuiten
alljährlich in Cabruta, unterhalb der Mündung des Apure, um
mit den Indiern ihrer Missionen, am Fuſse des Berges, wel-
cher jetzt El Capuchino heiſst, eine groſse Manati-Jagd anzu-
stellen. Das Fett des Thieres ist unter dem Namen Manteca
de Manati
bekannt und wird zur Unterhaltung der Kirchen-
lampen benutzt. Man gebraucht es auch zur Zubereitung von
Speisen. Es hat nicht den widrigen Geruch des Thranes der
Wallfische oder anderer blasender Cetaceen. Die Haut der
Seekühe wird in Riemen geschnitten und, gleich den Streifen
der Ochsenhäute, zu vortrefflichen Stricken gebraucht, ist aber
im Wasser der Fäulniſs unterworfen. In den spanischen Co-
lonien werden Peitschen daraus verfertigt; auch sind die Worte
latigo und manati gleichbedeutend. Diese Peitschen sind ein
grausames Strafwerkzeug der unglücklichen Sklaven und selbst
auch der Indianer in den Missionen. — Mit den Manatikno-

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[9/0010] ken. Die Guamos und die Otomakos sind am meisten da- nach lüstern, und diese zwei Völker sind es auch, welche sich vorzüglich mit der Manati-Fischerei abgeben. Die Pi- raoos verabscheuen es; sie verbargen sich zu Carichana, um es nicht zu berühren. Sie behaupten, daſs man nach seinem Genusse sterbe, und daſs es Fieber hervorbringe, welche Erfahrung die Spanier nie gemacht haben. Das Fleisch wird eingesalzen und an der Sonne gedörrt, das ganze Jahr aufbewahrt, und da die Geistlichkeit dieses Säugethier unter die Fische zählt, so ist es während der Fastenzeit sehr begehrt. Der Manati hat ein sehr zähes Leben. Er wird, nachdem er harpunirt ist, gebunden, aber man tödtet ihn nicht eher, als bis man ihn in die Piroge ge- bracht. Dies geschieht, zumal wenn das Thier groſs ist, oft mitten im Strome, indem man die Piroge zu zwei Drittheil ihres Gehalts mit Wasser füllt, sie alsdann dem Thiere unter- schiebt und das Wasser mittelst einer Schale von Crescentia Cujete wieder ausschöpft. Der Fang dieser Thiere ist zur Zeit, wo die groſsen Ueberschwemmungen zu Ende gehen, am leichtesten: der Manati geht dann aus den groſsen Flüssen in die umlie- genden Seen und Sümpfe, und wenn die Wasser nun schnell fallen, so befindet er sich wie abgeschnitten in einem enge- ren Raume. Zur Zeit der Iesuiten-Herrschaft in den Mis- sionen am unteren Orinoko, versammelten sich die Iesuiten alljährlich in Cabruta, unterhalb der Mündung des Apure, um mit den Indiern ihrer Missionen, am Fuſse des Berges, wel- cher jetzt El Capuchino heiſst, eine groſse Manati-Jagd anzu- stellen. Das Fett des Thieres ist unter dem Namen Manteca de Manati bekannt und wird zur Unterhaltung der Kirchen- lampen benutzt. Man gebraucht es auch zur Zubereitung von Speisen. Es hat nicht den widrigen Geruch des Thranes der Wallfische oder anderer blasender Cetaceen. Die Haut der Seekühe wird in Riemen geschnitten und, gleich den Streifen der Ochsenhäute, zu vortrefflichen Stricken gebraucht, ist aber im Wasser der Fäulniſs unterworfen. In den spanischen Co- lonien werden Peitschen daraus verfertigt; auch sind die Worte latigo und manati gleichbedeutend. Diese Peitschen sind ein grausames Strafwerkzeug der unglücklichen Sklaven und selbst auch der Indianer in den Missionen. — Mit den Manatikno-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber den Manati des Orinoko. In: Archiv für Naturgeschichte, 4 Jg., Bd. 1 (1838), S. 1-18, [397], [399], S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_manati_1838/10>, abgerufen am 25.04.2024.