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Humboldt, Alexander von: Ueber den Manati des Orinoko. In: Archiv für Naturgeschichte, 4 Jg., Bd. 1 (1838), S. 1-18, [397], [399].

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stellt. Er unterscheidet sich von ihm schon allein durch den
Mangel der hintern Gliedmassen. Das Wallross hat vier Glied-
massen und einen ähnlichen Hals wie die Robben; beide sind
fähig, ihren Kopf zu drehen. Der Manati hat nur vordere
Gliedmassen und zeigt kaum eine Spur des Halses. Cuvier
wies ihm, wie dem Dugong, die richtige Stelle bei den Ceta-
ceen an. In Wahrheit ähnelt der Dugong, dessen zwei ge-
waltige Vorderzähne gleich Stosszähnen aus dem Munde her-
vortreten, dem Wallross noch mehr als der Manati, dessen
kahler Körper ganz die Gestalt eines zweihändigen Cetaceums
darbietet. Beide verhalten sich in Beziehung zu den Robben
und dem Wallross gewissermassen ebenso, wie die Siren la-
certina
zu den Salamandern.

Während Robben und Wallrosse, sowie die meisten der
beschriebenen Cetaceen, das Meer bewohnen, giebt es unter
den Manati eine Art, die sich nur in den Flüssen findet, welche
das Innere des neuen Continents durchschneiden. Diese, der
Manati des Orinoko, scheint durchaus verschieden von Linne's
Trichechus manatus australis pedibus unguiculatis. Er
ist gemein im Orinoko bis zu Atures (unterhalb der Catarac-
ten, die er nicht zu übersteigen vermag), im Rio Meta, Apure
und besonders im Canno del Manati. Wir zergliederten eines
der grössten Weibchen zu Carichana. Es hatte 9' 2" Länge, 2'
5" Breite. Die Länge des Schwanzes betrug 2' 3", die Breite
1' 1". Dieser ist sehr flach, am Rande kaum 1/3 " dick, und
wo er am dicksten ist, hat er nur 2" Höhe. Die Entfernung
des Afters von der Schwanzwurzel beträgt 9", von dem After
zur Geschlechtsöffnung 6", von dieser zum Nabel, der in einer
Spalte offen bleibt, 2' 3", vom Nabel zu den Zitzen 1' 8",
von den Zitzen zur Spitze der Unterlippe 1' 5". Die Ober-
lippe ragt über die Unterlippe 4" hinaus. Die Breite der
Schnauze beträgt am Ende 6". Die Breite in der Gegend der
Flossen 1' 6", am Bauche 2' 5". Die Höhe des Thieres 1' 6"
am Bauche, an den Flossen aber 1' 1", die der abgestutzten
Schnauze 4". Der Körper hat eine eiförmig-oblonge Ge-
stalt, ist oberhalb convex, auf der Unterseite verflacht, der
wagerechte häutige Schwanz abgerundet. Die Farbe bläulich-
grau. Der Körper ist nackt, doch ganz und besonders um
den Mund, die Nasenlöcher und Flossen mit etwas steifen, 3/4"

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stellt. Er unterscheidet sich von ihm schon allein durch den
Mangel der hintern Gliedmaſsen. Das Wallroſs hat vier Glied-
maſsen und einen ähnlichen Hals wie die Robben; beide sind
fähig, ihren Kopf zu drehen. Der Manati hat nur vordere
Gliedmaſsen und zeigt kaum eine Spur des Halses. Cuvier
wies ihm, wie dem Dugong, die richtige Stelle bei den Ceta-
ceen an. In Wahrheit ähnelt der Dugong, dessen zwei ge-
waltige Vorderzähne gleich Stoſszähnen aus dem Munde her-
vortreten, dem Wallroſs noch mehr als der Manati, dessen
kahler Körper ganz die Gestalt eines zweihändigen Cetaceums
darbietet. Beide verhalten sich in Beziehung zu den Robben
und dem Wallroſs gewissermaſsen ebenso, wie die Siren la-
certina
zu den Salamandern.

Während Robben und Wallrosse, sowie die meisten der
beschriebenen Cetaceen, das Meer bewohnen, giebt es unter
den Manati eine Art, die sich nur in den Flüssen findet, welche
das Innere des neuen Continents durchschneiden. Diese, der
Manati des Orinoko, scheint durchaus verschieden von Linné's
Trichechus manatus australis pedibus unguiculatis. Er
ist gemein im Orinoko bis zu Atures (unterhalb der Catarac-
ten, die er nicht zu übersteigen vermag), im Rio Meta, Apure
und besonders im Caño del Manati. Wir zergliederten eines
der gröſsten Weibchen zu Carichana. Es hatte 9′ 2″ Länge, 2′
5″ Breite. Die Länge des Schwanzes betrug 2′ 3″, die Breite
1′ 1″. Dieser ist sehr flach, am Rande kaum ⅓″ dick, und
wo er am dicksten ist, hat er nur 2″ Höhe. Die Entfernung
des Afters von der Schwanzwurzel beträgt 9″, von dem After
zur Geschlechtsöffnung 6″, von dieser zum Nabel, der in einer
Spalte offen bleibt, 2′ 3″, vom Nabel zu den Zitzen 1′ 8″,
von den Zitzen zur Spitze der Unterlippe 1′ 5″. Die Ober-
lippe ragt über die Unterlippe 4″ hinaus. Die Breite der
Schnauze beträgt am Ende 6″. Die Breite in der Gegend der
Flossen 1′ 6″, am Bauche 2′ 5″. Die Höhe des Thieres 1′ 6″
am Bauche, an den Flossen aber 1′ 1″, die der abgestutzten
Schnauze 4″. Der Körper hat eine eiförmig-oblonge Ge-
stalt, ist oberhalb convex, auf der Unterseite verflacht, der
wagerechte häutige Schwanz abgerundet. Die Farbe bläulich-
grau. Der Körper ist nackt, doch ganz und besonders um
den Mund, die Nasenlöcher und Flossen mit etwas steifen, ¾″

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[3/0004] stellt. Er unterscheidet sich von ihm schon allein durch den Mangel der hintern Gliedmaſsen. Das Wallroſs hat vier Glied- maſsen und einen ähnlichen Hals wie die Robben; beide sind fähig, ihren Kopf zu drehen. Der Manati hat nur vordere Gliedmaſsen und zeigt kaum eine Spur des Halses. Cuvier wies ihm, wie dem Dugong, die richtige Stelle bei den Ceta- ceen an. In Wahrheit ähnelt der Dugong, dessen zwei ge- waltige Vorderzähne gleich Stoſszähnen aus dem Munde her- vortreten, dem Wallroſs noch mehr als der Manati, dessen kahler Körper ganz die Gestalt eines zweihändigen Cetaceums darbietet. Beide verhalten sich in Beziehung zu den Robben und dem Wallroſs gewissermaſsen ebenso, wie die Siren la- certina zu den Salamandern. Während Robben und Wallrosse, sowie die meisten der beschriebenen Cetaceen, das Meer bewohnen, giebt es unter den Manati eine Art, die sich nur in den Flüssen findet, welche das Innere des neuen Continents durchschneiden. Diese, der Manati des Orinoko, scheint durchaus verschieden von Linné's Trichechus manatus australis pedibus unguiculatis. Er ist gemein im Orinoko bis zu Atures (unterhalb der Catarac- ten, die er nicht zu übersteigen vermag), im Rio Meta, Apure und besonders im Caño del Manati. Wir zergliederten eines der gröſsten Weibchen zu Carichana. Es hatte 9′ 2″ Länge, 2′ 5″ Breite. Die Länge des Schwanzes betrug 2′ 3″, die Breite 1′ 1″. Dieser ist sehr flach, am Rande kaum ⅓″ dick, und wo er am dicksten ist, hat er nur 2″ Höhe. Die Entfernung des Afters von der Schwanzwurzel beträgt 9″, von dem After zur Geschlechtsöffnung 6″, von dieser zum Nabel, der in einer Spalte offen bleibt, 2′ 3″, vom Nabel zu den Zitzen 1′ 8″, von den Zitzen zur Spitze der Unterlippe 1′ 5″. Die Ober- lippe ragt über die Unterlippe 4″ hinaus. Die Breite der Schnauze beträgt am Ende 6″. Die Breite in der Gegend der Flossen 1′ 6″, am Bauche 2′ 5″. Die Höhe des Thieres 1′ 6″ am Bauche, an den Flossen aber 1′ 1″, die der abgestutzten Schnauze 4″. Der Körper hat eine eiförmig-oblonge Ge- stalt, ist oberhalb convex, auf der Unterseite verflacht, der wagerechte häutige Schwanz abgerundet. Die Farbe bläulich- grau. Der Körper ist nackt, doch ganz und besonders um den Mund, die Nasenlöcher und Flossen mit etwas steifen, ¾″ 1*

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber den Manati des Orinoko. In: Archiv für Naturgeschichte, 4 Jg., Bd. 1 (1838), S. 1-18, [397], [399], S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_manati_1838/4>, abgerufen am 24.04.2024.