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Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184.

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herablaufen und antrocknen. Sie bezeichnete ihren Weg
durch nichts, als ihren Glanz, welcher beym Abwaschen
natürlich auch verschwand. Dieß Antrocknen war nöthig,
um der Einwendung zu begegnen, als habe die Wunde
schon vorher ungereitzt, durch eine Jdiosynkrisie meiner
Gefäße, scharfe Säfte abgesondert. Kaum gieng das,
nicht wenig schmerzhafte, Galvanisiren der Wunde mit-
telst Zink und Silber an, so quoll die seröse Feuchtigkeit
häufiger heraus, sie wurde sichtbar dunkler gefärbt, und
in wenigen Sekunden entzündete sie in ihrem
Laufe den Rücken in blaurothen Striemen. Wo sie (da
der Rücken waagrecht lag) gegen die Bauchhöhle herab-
lief und von den Falten des Muskelfleisches aufgehalten
ward, wurde die entzündete Stelle zollgroß, ja ich konnte,
indem ich den Finger in die Feuchtigkeit tauchte, Figu-
ren auf meine Oberhaut mahlen, die selbst nach dem Ab-
waschen Stunden lang blauroth gefärbt blieben. Eben
diese Wirkung wurde an der auf der rechten Schulter
beobachtet. Jch versuchte aus Unvorsicht mit kaltem
Wasser die entzündeten Stellen zu waschen, sie nahmen
aber, unter unseren Augen, an Jntensität der Farbe und
Größe so gewaltsam zu, daß diese Erscheinung dem Arzte
und mir selbst bedenklich wurde, und wir den Rücken (ob-
gleich ohne großen Erfolg) mit lauwarmer Milch bestri-
chen. So war denn dieß Experiment an mir selbst un-
wiederruflich bestätigt, und wie wundersam zeigt sich hie-
bey nicht die thierische Maschine? Ein feiner Stoff*)
dem Organe mitgetheilt, oder aus ihm abgesondert, än-
dert in wenigen Augenblicken seine Natur ab, und nun
quellen Säfte hervor**), welche in ihren Urstoffen an-

ders
*) S. Reils Archiv S. 94. und die scharfsinnigen Jdeen, wel-
che S. 118. entwickelt werden.
**) Aufgeklärte Aerzte werden bey Lesung dieser Wirkungen von
selbst darauf fallen, daß sie, mit Vorsicht angewendet, viel-
leicht künftig für die Wundarzneykunde wichtig werden
werden können.
M 2

herablaufen und antrocknen. Sie bezeichnete ihren Weg
durch nichts, als ihren Glanz, welcher beym Abwaſchen
natuͤrlich auch verſchwand. Dieß Antrocknen war noͤthig,
um der Einwendung zu begegnen, als habe die Wunde
ſchon vorher ungereitzt, durch eine Jdioſynkriſie meiner
Gefaͤße, ſcharfe Saͤfte abgeſondert. Kaum gieng das,
nicht wenig ſchmerzhafte, Galvaniſiren der Wunde mit-
telſt Zink und Silber an, ſo quoll die ſeroͤſe Feuchtigkeit
haͤufiger heraus, ſie wurde ſichtbar dunkler gefaͤrbt, und
in wenigen Sekunden entzuͤndete ſie in ihrem
Laufe den Ruͤcken in blaurothen Striemen. Wo ſie (da
der Ruͤcken waagrecht lag) gegen die Bauchhoͤhle herab-
lief und von den Falten des Muskelfleiſches aufgehalten
ward, wurde die entzuͤndete Stelle zollgroß, ja ich konnte,
indem ich den Finger in die Feuchtigkeit tauchte, Figu-
ren auf meine Oberhaut mahlen, die ſelbſt nach dem Ab-
waſchen Stunden lang blauroth gefaͤrbt blieben. Eben
dieſe Wirkung wurde an der auf der rechten Schulter
beobachtet. Jch verſuchte aus Unvorſicht mit kaltem
Waſſer die entzuͤndeten Stellen zu waſchen, ſie nahmen
aber, unter unſeren Augen, an Jntenſitaͤt der Farbe und
Groͤße ſo gewaltſam zu, daß dieſe Erſcheinung dem Arzte
und mir ſelbſt bedenklich wurde, und wir den Ruͤcken (ob-
gleich ohne großen Erfolg) mit lauwarmer Milch beſtri-
chen. So war denn dieß Experiment an mir ſelbſt un-
wiederruflich beſtaͤtigt, und wie wunderſam zeigt ſich hie-
bey nicht die thieriſche Maſchine? Ein feiner Stoff*)
dem Organe mitgetheilt, oder aus ihm abgeſondert, aͤn-
dert in wenigen Augenblicken ſeine Natur ab, und nun
quellen Saͤfte hervor**), welche in ihren Urſtoffen an-

ders
*) S. Reils Archiv S. 94. und die ſcharfſinnigen Jdeen, wel-
che S. 118. entwickelt werden.
**) Aufgeklaͤrte Aerzte werden bey Leſung dieſer Wirkungen von
ſelbſt darauf fallen, daß ſie, mit Vorſicht angewendet, viel-
leicht kuͤnftig fuͤr die Wundarzneykunde wichtig werden
werden koͤnnen.
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[167/0004] herablaufen und antrocknen. Sie bezeichnete ihren Weg durch nichts, als ihren Glanz, welcher beym Abwaſchen natuͤrlich auch verſchwand. Dieß Antrocknen war noͤthig, um der Einwendung zu begegnen, als habe die Wunde ſchon vorher ungereitzt, durch eine Jdioſynkriſie meiner Gefaͤße, ſcharfe Saͤfte abgeſondert. Kaum gieng das, nicht wenig ſchmerzhafte, Galvaniſiren der Wunde mit- telſt Zink und Silber an, ſo quoll die ſeroͤſe Feuchtigkeit haͤufiger heraus, ſie wurde ſichtbar dunkler gefaͤrbt, und in wenigen Sekunden entzuͤndete ſie in ihrem Laufe den Ruͤcken in blaurothen Striemen. Wo ſie (da der Ruͤcken waagrecht lag) gegen die Bauchhoͤhle herab- lief und von den Falten des Muskelfleiſches aufgehalten ward, wurde die entzuͤndete Stelle zollgroß, ja ich konnte, indem ich den Finger in die Feuchtigkeit tauchte, Figu- ren auf meine Oberhaut mahlen, die ſelbſt nach dem Ab- waſchen Stunden lang blauroth gefaͤrbt blieben. Eben dieſe Wirkung wurde an der auf der rechten Schulter beobachtet. Jch verſuchte aus Unvorſicht mit kaltem Waſſer die entzuͤndeten Stellen zu waſchen, ſie nahmen aber, unter unſeren Augen, an Jntenſitaͤt der Farbe und Groͤße ſo gewaltſam zu, daß dieſe Erſcheinung dem Arzte und mir ſelbſt bedenklich wurde, und wir den Ruͤcken (ob- gleich ohne großen Erfolg) mit lauwarmer Milch beſtri- chen. So war denn dieß Experiment an mir ſelbſt un- wiederruflich beſtaͤtigt, und wie wunderſam zeigt ſich hie- bey nicht die thieriſche Maſchine? Ein feiner Stoff *) dem Organe mitgetheilt, oder aus ihm abgeſondert, aͤn- dert in wenigen Augenblicken ſeine Natur ab, und nun quellen Saͤfte hervor **), welche in ihren Urſtoffen an- ders *) S. Reils Archiv S. 94. und die ſcharfſinnigen Jdeen, wel- che S. 118. entwickelt werden. **) Aufgeklaͤrte Aerzte werden bey Leſung dieſer Wirkungen von ſelbſt darauf fallen, daß ſie, mit Vorſicht angewendet, viel- leicht kuͤnftig fuͤr die Wundarzneykunde wichtig werden werden koͤnnen. M 2

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184, hier S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_metallreiz_1796/4>, abgerufen am 29.03.2024.