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Humboldt, Alexander von: [Bericht über das Thier des Nautilus pompilius]. In: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 1841, S. 55-59.

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Octopus bedurfte einer solchen Vorsorge nicht, da er rückwärts
schwimmt; die Sepia, welche in schiefer Richtung sich bewegt,
besitzt davon ein Rudiment. -- Hiernach hätte der Nautilus eben
so viele Arme, als ein Octopus; allein sie sind anders geformt,
sehr kurz, und mit einziehbaren Fühlfäden besetzt, welche aus
Scheiden hervorkommen, die an die Stelle der Saugnäpfchen tre-
ten, und die man selbst für Arme gehalten hat. -- Die Röhre,
welche sich im Sypho hinabsenkt, setzt fort durch alle Windun-
gen bis zur innersten. Sie ist fleischig und mit einer kalkig-gela-
tinösen Membran umgeben, die aus der Röhre selbst ausgeschieden
wird. Diese Röhre kann daher mit dem Innern der Kammer-
höhlungen nicht in Verbindung treten; diese Höhlungen, welche
leer sein müssen, können daher gar nicht mit einander verbunden
sein. Der Zweck dieses Sypho, in dem sich, wie es Rumph und
Owen gesehen haben, Gefässe vertheilen, bleibt mir gänzlich
verborgen.

Das von mir und das von Owen untersuchte Thier können,
nach meiner Ansicht, nicht zu derselben Species gehören. Owen
sagt, der Schnabel seines Thieres sei kalkartig an der Spitze und
ausgezackt; das meinige hat einen hornartigen Schnabel bis zur
Spitze und ist durchaus glatt am Rande. Owen's Nautilus war
bei Erromanga, eine der Hebridischen Inseln, aufgefischt worden;
das meinige im Meere von Neu-Guinea, daher 1000 oder 1200 See-
meilen vom vorigen entfernt. -- Ich sehe jetzt ein, wie ein Nau-
tilus sich bewegt; es geschieht dieses durch die langen und dicken
Arme, die zu einer Art von Fuss verbunden sind; daher können
sie unter der Oberfläche des Meeres sich fortschieben, wie un-
sere Lymneen und Planorben in Sümpfen, doch mit dem Unter-
schiede, dass diese sich dann in umgewendeter Lage befinden, so
dass das Gehirn unter dem Oesophagus liegt, wenn sie auf dem
Wasser sich bewegen, statt dass der Nautilus in natürlicher Stel-
lung auf dem Wasser bleibt, das Gehirn über dem Oesophagus.
Kann er auf dem Meeresgrunde fortkriechen, wie Rumph be-
hauptet, so müsste dieses freilich in umgewendeter Stellung ge-
schehen. -- Der Nautilus ist daher ganz nach dem Bau der Ce-
phalopoden geformt, und hat mit den Gastropoden nichts gemein;
aber auch nichts mit der Spirula. Von dieser besitze ich Frag-

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Octopus bedurfte einer solchen Vorsorge nicht, da er rückwärts
schwimmt; die Sepia, welche in schiefer Richtung sich bewegt,
besitzt davon ein Rudiment. — Hiernach hätte der Nautilus eben
so viele Arme, als ein Octopus; allein sie sind anders geformt,
sehr kurz, und mit einziehbaren Fühlfäden besetzt, welche aus
Scheiden hervorkommen, die an die Stelle der Saugnäpfchen tre-
ten, und die man selbst für Arme gehalten hat. — Die Röhre,
welche sich im Sypho hinabsenkt, setzt fort durch alle Windun-
gen bis zur innersten. Sie ist fleischig und mit einer kalkig-gela-
tinösen Membran umgeben, die aus der Röhre selbst ausgeschieden
wird. Diese Röhre kann daher mit dem Innern der Kammer-
höhlungen nicht in Verbindung treten; diese Höhlungen, welche
leer sein müssen, können daher gar nicht mit einander verbunden
sein. Der Zweck dieses Sypho, in dem sich, wie es Rumph und
Owen gesehen haben, Gefäſse vertheilen, bleibt mir gänzlich
verborgen.

Das von mir und das von Owen untersuchte Thier können,
nach meiner Ansicht, nicht zu derselben Species gehören. Owen
sagt, der Schnabel seines Thieres sei kalkartig an der Spitze und
ausgezackt; das meinige hat einen hornartigen Schnabel bis zur
Spitze und ist durchaus glatt am Rande. Owen's Nautilus war
bei Erromanga, eine der Hebridischen Inseln, aufgefischt worden;
das meinige im Meere von Neu-Guinea, daher 1000 oder 1200 See-
meilen vom vorigen entfernt. — Ich sehe jetzt ein, wie ein Nau-
tilus sich bewegt; es geschieht dieses durch die langen und dicken
Arme, die zu einer Art von Fuſs verbunden sind; daher können
sie unter der Oberfläche des Meeres sich fortschieben, wie un-
sere Lymneen und Planorben in Sümpfen, doch mit dem Unter-
schiede, daſs diese sich dann in umgewendeter Lage befinden, so
daſs das Gehirn unter dem Oesophagus liegt, wenn sie auf dem
Wasser sich bewegen, statt daſs der Nautilus in natürlicher Stel-
lung auf dem Wasser bleibt, das Gehirn über dem Oesophagus.
Kann er auf dem Meeresgrunde fortkriechen, wie Rumph be-
hauptet, so müſste dieses freilich in umgewendeter Stellung ge-
schehen. — Der Nautilus ist daher ganz nach dem Bau der Ce-
phalopoden geformt, und hat mit den Gastropoden nichts gemein;
aber auch nichts mit der Spirula. Von dieser besitze ich Frag-

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[57/0004] Octopus bedurfte einer solchen Vorsorge nicht, da er rückwärts schwimmt; die Sepia, welche in schiefer Richtung sich bewegt, besitzt davon ein Rudiment. — Hiernach hätte der Nautilus eben so viele Arme, als ein Octopus; allein sie sind anders geformt, sehr kurz, und mit einziehbaren Fühlfäden besetzt, welche aus Scheiden hervorkommen, die an die Stelle der Saugnäpfchen tre- ten, und die man selbst für Arme gehalten hat. — Die Röhre, welche sich im Sypho hinabsenkt, setzt fort durch alle Windun- gen bis zur innersten. Sie ist fleischig und mit einer kalkig-gela- tinösen Membran umgeben, die aus der Röhre selbst ausgeschieden wird. Diese Röhre kann daher mit dem Innern der Kammer- höhlungen nicht in Verbindung treten; diese Höhlungen, welche leer sein müssen, können daher gar nicht mit einander verbunden sein. Der Zweck dieses Sypho, in dem sich, wie es Rumph und Owen gesehen haben, Gefäſse vertheilen, bleibt mir gänzlich verborgen. Das von mir und das von Owen untersuchte Thier können, nach meiner Ansicht, nicht zu derselben Species gehören. Owen sagt, der Schnabel seines Thieres sei kalkartig an der Spitze und ausgezackt; das meinige hat einen hornartigen Schnabel bis zur Spitze und ist durchaus glatt am Rande. Owen's Nautilus war bei Erromanga, eine der Hebridischen Inseln, aufgefischt worden; das meinige im Meere von Neu-Guinea, daher 1000 oder 1200 See- meilen vom vorigen entfernt. — Ich sehe jetzt ein, wie ein Nau- tilus sich bewegt; es geschieht dieses durch die langen und dicken Arme, die zu einer Art von Fuſs verbunden sind; daher können sie unter der Oberfläche des Meeres sich fortschieben, wie un- sere Lymneen und Planorben in Sümpfen, doch mit dem Unter- schiede, daſs diese sich dann in umgewendeter Lage befinden, so daſs das Gehirn unter dem Oesophagus liegt, wenn sie auf dem Wasser sich bewegen, statt daſs der Nautilus in natürlicher Stel- lung auf dem Wasser bleibt, das Gehirn über dem Oesophagus. Kann er auf dem Meeresgrunde fortkriechen, wie Rumph be- hauptet, so müſste dieses freilich in umgewendeter Stellung ge- schehen. — Der Nautilus ist daher ganz nach dem Bau der Ce- phalopoden geformt, und hat mit den Gastropoden nichts gemein; aber auch nichts mit der Spirula. Von dieser besitze ich Frag- 1****

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: [Bericht über das Thier des Nautilus pompilius]. In: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 1841, S. 55-59, hier S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_nautilus_1841/4>, abgerufen am 28.03.2024.