Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. Tübingen, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite

in Süd-Amerika und Mexiko gleichen denen
des deutschen Fichtelgebirges, wie unter den Thieren
die Form des Alco oder der ursprünglichen Hunderace
des neuen Continents, mit der der europäischen Race
genau übereinstimmt. Denn die unorganische Rinde
der Erde ist gleichsam unabhängig von klimatischen
Einflüssen; sey es, dass der Unterschied der Klimate
neuer als das Gestein ist; sei es, dass die erhärtende,
Wärme-entbindende Erdmasse sich selbst ihre Temperatur
gab, statt sie von aussen zu empfangen. Alle
Formationen sind daher allen Weltgegenden eigen,
und in allen gleichgestaltet. Ueberall bildet der Basalt
Zwillings-Berge und abgestumpfte Kegel; überall er-
scheint
der Trapporphyr in grotesken Felsmassen, der
Granit in sanftrundlichen Kuppen. Auch ähnliche
Pflanzenformen, Tannen und Eichen, bekränzen die
Berggehänge in Schweden, wie die des südlichsten
Theils von Mexiko. Und bei aller dieser Uebereinstimmung
in den Gestalten, bei dieser Gleichheit der
einzelnen Umrisse, nimmt die Gruppirung derselben
zu einem Ganzen doch den verschiedensten Charakter
an.

So wie die Kenntniss der Fossilien sich von der
Gebirgslehre unterscheidet; so ist von der individuellen
Naturbeschreibung die allgemeine, oder die Physiognomik
der Natur, verschieden. Georg Forster in
seinen Reisen und in seinen kleinen Schriften; Göthe
in den Naturschilderungen, welche so manche seiner
unsterblichen Werke enthalten; Herder, Büffon, Bernardin
de St. Pierre
, und selbst Chateaubriand, haben

in Süd-Amerika und Mexiko gleichen denen
des deutschen Fichtelgebirges, wie unter den Thieren
die Form des Alco oder der ursprünglichen Hunderace
des neuen Continents, mit der der europäischen Race
genau übereinstimmt. Denn die unorganische Rinde
der Erde ist gleichsam unabhängig von klimatischen
Einflüssen; sey es, daſs der Unterschied der Klimate
neuer als das Gestein ist; sei es, daſs die erhärtende,
Wärme-entbindende Erdmasse sich selbst ihre Temperatur
gab, statt sie von auſsen zu empfangen. Alle
Formationen sind daher allen Weltgegenden eigen,
und in allen gleichgestaltet. Ueberall bildet der Basalt
Zwillings-Berge und abgestumpfte Kegel; überall er-
scheint
der Trapporphyr in grotesken Felsmassen, der
Granit in sanftrundlichen Kuppen. Auch ähnliche
Pflanzenformen, Tannen und Eichen, bekränzen die
Berggehänge in Schweden, wie die des südlichsten
Theils von Mexiko. Und bei aller dieser Uebereinstimmung
in den Gestalten, bei dieser Gleichheit der
einzelnen Umrisse, nimmt die Gruppirung derselben
zu einem Ganzen doch den verschiedensten Charakter
an.

So wie die Kenntniſs der Fossilien sich von der
Gebirgslehre unterscheidet; so ist von der individuellen
Naturbeschreibung die allgemeine, oder die Physiognomik
der Natur, verschieden. Georg Forster in
seinen Reisen und in seinen kleinen Schriften; Göthe
in den Naturschilderungen, welche so manche seiner
unsterblichen Werke enthalten; Herder, Büffon, Bernardin
de St. Pierre
, und selbst Chateaubriand, haben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="12"/>
in <placeName>Süd-Amerika</placeName> und <placeName>Mexiko</placeName> gleichen denen<lb/>
des deutschen <placeName>Fichtelgebirges</placeName>, wie unter den Thieren<lb/>
die Form des Alco oder der ursprünglichen Hunderace<lb/>
des <placeName>neuen Continents</placeName>, mit der der europäischen Race<lb/>
genau übereinstimmt. Denn die unorganische Rinde<lb/>
der Erde ist gleichsam unabhängig von klimatischen<lb/>
Einflüssen; sey es, da&#x017F;s der Unterschied der Klimate<lb/>
neuer als das Gestein ist; sei es, da&#x017F;s die erhärtende,<lb/>
Wärme-entbindende Erdmasse sich selbst ihre Temperatur<lb/>
gab, statt sie von au&#x017F;sen zu empfangen. Alle<lb/>
Formationen sind daher allen Weltgegenden eigen,<lb/>
und in allen gleichgestaltet. Ueberall bildet der Basalt<lb/>
Zwillings-Berge und abgestumpfte Kegel; überall <choice><sic>er-<lb/>
cheint</sic><corr>er-<lb/>
scheint</corr></choice> der Trapporphyr in grotesken Felsmassen, der<lb/>
Granit in sanftrundlichen Kuppen. Auch ähnliche<lb/>
Pflanzenformen, Tannen und Eichen, bekränzen die<lb/>
Berggehänge in <placeName>Schweden</placeName>, wie die des südlichsten<lb/>
Theils von <placeName>Mexiko</placeName>. Und bei aller dieser Uebereinstimmung<lb/>
in den Gestalten, bei dieser Gleichheit der<lb/>
einzelnen Umrisse, nimmt die Gruppirung derselben<lb/>
zu einem Ganzen doch den verschiedensten Charakter<lb/>
an.<lb/></p>
        <p>So wie die Kenntni&#x017F;s der Fossilien sich von der<lb/>
Gebirgslehre unterscheidet; so ist von der individuellen<lb/>
Naturbeschreibung die allgemeine, oder die Physiognomik<lb/>
der Natur, verschieden. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118534416">Georg Forster</persName> in<lb/>
seinen Reisen und in seinen kleinen Schriften; <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118540238">Göthe</persName><lb/>
in den Naturschilderungen, welche so manche seiner<lb/>
unsterblichen Werke enthalten; <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118549553">Herder</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118517252">Büffon</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118604945">Bernardin<lb/>
de St. Pierre</persName>, und selbst <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118520237">Chateaubriand</persName>, haben<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0012] in Süd-Amerika und Mexiko gleichen denen des deutschen Fichtelgebirges, wie unter den Thieren die Form des Alco oder der ursprünglichen Hunderace des neuen Continents, mit der der europäischen Race genau übereinstimmt. Denn die unorganische Rinde der Erde ist gleichsam unabhängig von klimatischen Einflüssen; sey es, daſs der Unterschied der Klimate neuer als das Gestein ist; sei es, daſs die erhärtende, Wärme-entbindende Erdmasse sich selbst ihre Temperatur gab, statt sie von auſsen zu empfangen. Alle Formationen sind daher allen Weltgegenden eigen, und in allen gleichgestaltet. Ueberall bildet der Basalt Zwillings-Berge und abgestumpfte Kegel; überall er- scheint der Trapporphyr in grotesken Felsmassen, der Granit in sanftrundlichen Kuppen. Auch ähnliche Pflanzenformen, Tannen und Eichen, bekränzen die Berggehänge in Schweden, wie die des südlichsten Theils von Mexiko. Und bei aller dieser Uebereinstimmung in den Gestalten, bei dieser Gleichheit der einzelnen Umrisse, nimmt die Gruppirung derselben zu einem Ganzen doch den verschiedensten Charakter an. So wie die Kenntniſs der Fossilien sich von der Gebirgslehre unterscheidet; so ist von der individuellen Naturbeschreibung die allgemeine, oder die Physiognomik der Natur, verschieden. Georg Forster in seinen Reisen und in seinen kleinen Schriften; Göthe in den Naturschilderungen, welche so manche seiner unsterblichen Werke enthalten; Herder, Büffon, Bernardin de St. Pierre, und selbst Chateaubriand, haben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
SUB Göttingen: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen.
  • Der Zeilenfall wurde beibehalten, die Silbentrennung aber wurde aufgehoben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_physiognomik_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_physiognomik_1806/12
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. Tübingen, 1806, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_physiognomik_1806/12>, abgerufen am 24.04.2024.