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Humboldt, Alexander von: Ueber eine zweifache Prolification der Cardamie pratensis. In: Annalen der Botanick, Bd. 1 (1792), S. 5-7.

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ren deutschen Siliquosis ist, so viel ich weiss, noch kein
Beyspiel einer Prolification gefunden.
Daher stehe, ich nicht
an, eine Beobachtung bekannt zu machen, die ich selbst
anzustellen Gelegenheit hatte, und deren Mittheilung
dem forschenden Physiologen vielleicht nicht ganz unwill-
kommen seyn wird.

Im Frühlinge dieses Jahrs sah ich in dem Walde zwi-
schen Berlin und Tegel, auf einer botanischen Excur-
sion eine Cardamine pratensis, welche durch die Grösse
ihrer Blüthentheile und die Dicke ihrer Stengel meine
Aufmerksamkeit reizte. Als ich sie genauer betrachtete,
fand ich dass diese Blüthen (deren ich 4 bereits völlig
entwikelte zählte) gefüllt und dabey noch zweyfach
durchwachsen -- Flores pleni simulque duplicato - proli-
feri -- waren. Jede Corolla bestand aus drey kleinen
Corollen. In der unteren war das Pistill in einen voll-
kommenen Pedunculus verwandelt, welcher die zwei-
te, mit einem eigenen Kelch versehene Blumenkrone
trug. Diese zweyte hatte fast eben so lange petala als
die erste, statt des pistills aber, in ihrer Mitte, eben-
falls einen Blüthenstengel mit der dritten Corolla. Alle
diese Blüthen waren mit Staubfäden versehen, von de-
nen aber die längeren in petala verwachsen waren
Bei einigen war das Filamentum nur weiter gedehnt
(dilatatum) und bildete den vnguis petali, bei ande-
ren sah man aus dem vollkommenen Blumenblatte noch
den Staubbeutel (anthera) herabhängen, bei noch an-
deren hatte sich die halbe anthera zu einem petalum
umgebildet.

Welche Fülle plastischer Kräfte mussten in diesem
Gewächse zusammenwirken, um in den wesentlich-
sten Theilen desselben solche Veränderungen hervorzu-

ren deutſchen Siliquoſis iſt, ſo viel ich weiſs, noch kein
Beyſpiel einer Prolification gefunden.
Daher ſtehe, ich nicht
an, eine Beobachtung bekannt zu machen, die ich ſelbſt
anzuſtellen Gelegenheit hatte, und deren Mittheilung
dem forſchenden Phyſiologen vielleicht nicht ganz unwill-
kommen ſeyn wird.

Im Frühlinge dieſes Jahrs ſah ich in dem Walde zwi-
ſchen Berlin und Tegel, auf einer botaniſchen Excur-
ſion eine Cardamine pratenſis, welche durch die Gröſſe
ihrer Blüthentheile und die Dicke ihrer Stengel meine
Aufmerkſamkeit reizte. Als ich ſie genauer betrachtete,
fand ich daſs dieſe Blüthen (deren ich 4 bereits völlig
entwikelte zählte) gefüllt und dabey noch zweyfach
durchwachſen — Flores pleni ſimulque duplicato - proli-
feri — waren. Jede Corolla beſtand aus drey kleinen
Corollen. In der unteren war das Piſtill in einen voll-
kommenen Pedunculus verwandelt, welcher die zwei-
te, mit einem eigenen Kelch verſehene Blumenkrone
trug. Dieſe zweyte hatte faſt eben ſo lange petala als
die erſte, ſtatt des piſtills aber, in ihrer Mitte, eben-
falls einen Blüthenſtengel mit der dritten Corolla. Alle
dieſe Blüthen waren mit Staubfäden verſehen, von de-
nen aber die längeren in petala verwachſen waren
Bei einigen war das Filamentum nur weiter gedehnt
(dilatatum) und bildete den vnguis petali, bei ande-
ren ſah man aus dem vollkommenen Blumenblatte noch
den Staubbeutel (anthera) herabhängen, bei noch an-
deren hatte ſich die halbe anthera zu einem petalum
umgebildet.

Welche Fülle plaſtiſcher Kräfte muſsten in dieſem
Gewächſe zuſammenwirken, um in den weſentlich-
ſten Theilen desſelben ſolche Veränderungen hervorzu-

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[6/0003] ren deutſchen Siliquoſis iſt, ſo viel ich weiſs, noch kein Beyſpiel einer Prolification gefunden. Daher ſtehe, ich nicht an, eine Beobachtung bekannt zu machen, die ich ſelbſt anzuſtellen Gelegenheit hatte, und deren Mittheilung dem forſchenden Phyſiologen vielleicht nicht ganz unwill- kommen ſeyn wird. Im Frühlinge dieſes Jahrs ſah ich in dem Walde zwi- ſchen Berlin und Tegel, auf einer botaniſchen Excur- ſion eine Cardamine pratenſis, welche durch die Gröſſe ihrer Blüthentheile und die Dicke ihrer Stengel meine Aufmerkſamkeit reizte. Als ich ſie genauer betrachtete, fand ich daſs dieſe Blüthen (deren ich 4 bereits völlig entwikelte zählte) gefüllt und dabey noch zweyfach durchwachſen — Flores pleni ſimulque duplicato - proli- feri — waren. Jede Corolla beſtand aus drey kleinen Corollen. In der unteren war das Piſtill in einen voll- kommenen Pedunculus verwandelt, welcher die zwei- te, mit einem eigenen Kelch verſehene Blumenkrone trug. Dieſe zweyte hatte faſt eben ſo lange petala als die erſte, ſtatt des piſtills aber, in ihrer Mitte, eben- falls einen Blüthenſtengel mit der dritten Corolla. Alle dieſe Blüthen waren mit Staubfäden verſehen, von de- nen aber die längeren in petala verwachſen waren Bei einigen war das Filamentum nur weiter gedehnt (dilatatum) und bildete den vnguis petali, bei ande- ren ſah man aus dem vollkommenen Blumenblatte noch den Staubbeutel (anthera) herabhängen, bei noch an- deren hatte ſich die halbe anthera zu einem petalum umgebildet. Welche Fülle plaſtiſcher Kräfte muſsten in dieſem Gewächſe zuſammenwirken, um in den weſentlich- ſten Theilen desſelben ſolche Veränderungen hervorzu-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber eine zweifache Prolification der Cardamie pratensis. In: Annalen der Botanick, Bd. 1 (1792), S. 5-7, hier S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_prolification_1792/3>, abgerufen am 28.03.2024.