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Humboldt, Alexander von: Bemerkungen [...] zu Semenow's Schreiben über den Thian Schan. [...] Mitgetheilt von Carl Ritter. In: Zeitschrift für allgemeine Erdkunde, Bd. 3 (1857), S. 481-483.

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Bemerkungen A. v. Humboldt's
fange des 7ten Jahrhunderts bekannt. Schon damals besassen sie auf
Befehl der Regierung angefertigte Karten der Länder vom Gelben
Flusse bis zum Caspischen Meere, da ihre Oberherrschaft unter der
Dynastie der Tsin sich so weit erstreckte, und da statistische Beschrei-
bungen in ihrem Administrations-Systeme unentbehrlich waren (vergl.
die Uebersetzungen chinesischer Handschriften von Stanislas Julien in
meiner Asie centrale T. II, p. 335-364).

Strahlenberg hat 1730 das Verdienst gehabt, in der Karte, die zu
seinem Werke "über den nördlichen und östlichen Theil von Europa
und Asien" gehört (S. 32), die Kette des Thian Schan erkennbar als
eine eigene Kette abzubilden, der er aber den allgemeinen und darum
vielfältig verwendbaren Namen Mussart, "Schneeberge, Sierras Neva-
das", -- eine Corruption von Muztagh, giebt. Die Anwendung der
beiden Namen, Musart und Muztagh, welche bald dem Thian Schan,
bald dem Bolor, also bald einer Parallel-, bald einer Meridian-Kette
zugeschrieben werden und nur bedeuten: "hier liegen Schneeberge",
hat wie der gefahrvolle Name "Gebirge von Inner-Asien" für Alles,
was zwischen dem Himalaya und Altai liegt, lange dauernde Verwir-
rung verursacht.

Dass man an den Ufern des See's Issikul von der Solfatare von
Urumtsi trotz einer Entfernung von mehr denn 120 geographischen
Meilen, aber nicht von dem vielleicht jetzt nicht thätigen näheren Vul-
can Peschan (dem Weissen Berge) hat reden hören, wundert mich gar
nicht. Die Solfatare von Urumtsi giebt weit zu verführende Handels-
Producte, Ammoniak und Schwefel; der Peschan (Asie centrale II,
p. 30-33 und p. 38-41), dessen Lavaströme in den chinesischen
Geographien und in den Schriften der Missionäre beschrieben sind,
zieht in dem Zustande der Ruhe die Aufmerksamkeit weniger auf sich.
Uebrigens ist der Peschan vom östlichen Ende des See's Issikul
noch volle 45 geographische Meilen entfernt, und für den Geologen
hat es nichts Auffallendes, dass man um den See weder Basalte noch
trachytartiges Gestein findet.

Auch in den vulcanreichen Cordilleren von Süd-Amerika sind die
Trachyt-Gruppen durch lange Strecken von Granit, Gneis und Glim-
merschiefer oftmals getrennt. Die genauere Kenntniss der Lage und
der Grenzen der fünf Gruppen von Vulcanen (der Gruppen von Ana-
huac oder des tropischen Mexico, von Central-Amerika, von Neu-
Granada und Quito, von Peru mit Bolivia und von Chile), zu der wir
in neuester Zeit gelangt sind, führt zu dem wichtigen Resultate,
dass in dem Theile der Cordillera, welcher sich von 191/2° N. Br. bis
46° S. Br. erstreckt, in einer Länge von fast 1300 geographischen Mei-
len, nur unbedeutend mehr als die Hälfte mit Vulcanen bedeckt ist.

Bemerkungen A. v. Humboldt's
fange des 7ten Jahrhunderts bekannt. Schon damals besaſsen sie auf
Befehl der Regierung angefertigte Karten der Länder vom Gelben
Fluſse bis zum Caspischen Meere, da ihre Oberherrschaft unter der
Dynastie der Tsin sich so weit erstreckte, und da statistische Beschrei-
bungen in ihrem Administrations-Systeme unentbehrlich waren (vergl.
die Uebersetzungen chinesischer Handschriften von Stanislas Julien in
meiner Asie centrale T. II, p. 335–364).

Strahlenberg hat 1730 das Verdienst gehabt, in der Karte, die zu
seinem Werke „über den nördlichen und östlichen Theil von Europa
und Asien“ gehört (S. 32), die Kette des Thian Schan erkennbar als
eine eigene Kette abzubilden, der er aber den allgemeinen und darum
vielfältig verwendbaren Namen Mussart, „Schneeberge, Sierras Neva-
das“, — eine Corruption von Muztagh, giebt. Die Anwendung der
beiden Namen, Musart und Muztagh, welche bald dem Thian Schan,
bald dem Bolor, also bald einer Parallel-, bald einer Meridian-Kette
zugeschrieben werden und nur bedeuten: „hier liegen Schneeberge“,
hat wie der gefahrvolle Name „Gebirge von Inner-Asien“ für Alles,
was zwischen dem Himalaya und Altai liegt, lange dauernde Verwir-
rung verursacht.

Daſs man an den Ufern des See's Issikul von der Solfatare von
Urumtsi trotz einer Entfernung von mehr denn 120 geographischen
Meilen, aber nicht von dem vielleicht jetzt nicht thätigen näheren Vul-
can Peschan (dem Weiſsen Berge) hat reden hören, wundert mich gar
nicht. Die Solfatare von Urumtsi giebt weit zu verführende Handels-
Producte, Ammoniak und Schwefel; der Peschan (Asie centrale II,
p. 30–33 und p. 38–41), dessen Lavaströme in den chinesischen
Geographien und in den Schriften der Missionäre beschrieben sind,
zieht in dem Zustande der Ruhe die Aufmerksamkeit weniger auf sich.
Uebrigens ist der Peschan vom östlichen Ende des See's Issikul
noch volle 45 geographische Meilen entfernt, und für den Geologen
hat es nichts Auffallendes, daſs man um den See weder Basalte noch
trachytartiges Gestein findet.

Auch in den vulcanreichen Cordilleren von Süd-Amerika sind die
Trachyt-Gruppen durch lange Strecken von Granit, Gneis und Glim-
merschiefer oftmals getrennt. Die genauere Kenntniſs der Lage und
der Grenzen der fünf Gruppen von Vulcanen (der Gruppen von Ana-
huac oder des tropischen Mexico, von Central-Amerika, von Neu-
Granada und Quito, von Peru mit Bolivia und von Chile), zu der wir
in neuester Zeit gelangt sind, führt zu dem wichtigen Resultate,
daſs in dem Theile der Cordillera, welcher sich von 19½° N. Br. bis
46° S. Br. erstreckt, in einer Länge von fast 1300 geographischen Mei-
len, nur unbedeutend mehr als die Hälfte mit Vulcanen bedeckt ist.

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[482/0003] Bemerkungen A. v. Humboldt's fange des 7ten Jahrhunderts bekannt. Schon damals besaſsen sie auf Befehl der Regierung angefertigte Karten der Länder vom Gelben Fluſse bis zum Caspischen Meere, da ihre Oberherrschaft unter der Dynastie der Tsin sich so weit erstreckte, und da statistische Beschrei- bungen in ihrem Administrations-Systeme unentbehrlich waren (vergl. die Uebersetzungen chinesischer Handschriften von Stanislas Julien in meiner Asie centrale T. II, p. 335–364). Strahlenberg hat 1730 das Verdienst gehabt, in der Karte, die zu seinem Werke „über den nördlichen und östlichen Theil von Europa und Asien“ gehört (S. 32), die Kette des Thian Schan erkennbar als eine eigene Kette abzubilden, der er aber den allgemeinen und darum vielfältig verwendbaren Namen Mussart, „Schneeberge, Sierras Neva- das“, — eine Corruption von Muztagh, giebt. Die Anwendung der beiden Namen, Musart und Muztagh, welche bald dem Thian Schan, bald dem Bolor, also bald einer Parallel-, bald einer Meridian-Kette zugeschrieben werden und nur bedeuten: „hier liegen Schneeberge“, hat wie der gefahrvolle Name „Gebirge von Inner-Asien“ für Alles, was zwischen dem Himalaya und Altai liegt, lange dauernde Verwir- rung verursacht. Daſs man an den Ufern des See's Issikul von der Solfatare von Urumtsi trotz einer Entfernung von mehr denn 120 geographischen Meilen, aber nicht von dem vielleicht jetzt nicht thätigen näheren Vul- can Peschan (dem Weiſsen Berge) hat reden hören, wundert mich gar nicht. Die Solfatare von Urumtsi giebt weit zu verführende Handels- Producte, Ammoniak und Schwefel; der Peschan (Asie centrale II, p. 30–33 und p. 38–41), dessen Lavaströme in den chinesischen Geographien und in den Schriften der Missionäre beschrieben sind, zieht in dem Zustande der Ruhe die Aufmerksamkeit weniger auf sich. Uebrigens ist der Peschan vom östlichen Ende des See's Issikul noch volle 45 geographische Meilen entfernt, und für den Geologen hat es nichts Auffallendes, daſs man um den See weder Basalte noch trachytartiges Gestein findet. Auch in den vulcanreichen Cordilleren von Süd-Amerika sind die Trachyt-Gruppen durch lange Strecken von Granit, Gneis und Glim- merschiefer oftmals getrennt. Die genauere Kenntniſs der Lage und der Grenzen der fünf Gruppen von Vulcanen (der Gruppen von Ana- huac oder des tropischen Mexico, von Central-Amerika, von Neu- Granada und Quito, von Peru mit Bolivia und von Chile), zu der wir in neuester Zeit gelangt sind, führt zu dem wichtigen Resultate, daſs in dem Theile der Cordillera, welcher sich von 19½° N. Br. bis 46° S. Br. erstreckt, in einer Länge von fast 1300 geographischen Mei- len, nur unbedeutend mehr als die Hälfte mit Vulcanen bedeckt ist.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Bemerkungen [...] zu Semenow's Schreiben über den Thian Schan. [...] Mitgetheilt von Carl Ritter. In: Zeitschrift für allgemeine Erdkunde, Bd. 3 (1857), S. 481-483, hier S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schan_1857/3>, abgerufen am 25.04.2024.