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Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.

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Ueber die Schwankungen
beträchtlichen Massen verarbeiteten Goldes, die man bei der ersten
Besitznahme des Landes in jenem Lande in den Gräbern fand, und
von denen die Petersburger Sammlungen so merkwürdige Stücke auf-
zuweisen haben, doch leichter noch durch ein frühes Auffinden von Gold-
geschieben im Schuttlande nahe an der Oberfläche der Erde. Müller, der
vortreffliche Geschichtschreiber Sibiriens, erzählt, daß durch die ersten
Goldschätze, die man aus den Gräbern (Kurganui) sammelte, in
Krasnojarsk der Werth des Goldes auf das Ueberraschendste herab-
sank.* Jnner-Asien, zwischen den Bergsystemen des Himalaya-
und des vulkanischen Himmels-Gebirges, bildet, wie China, ein
politisch und fast auch merkantilisch-geschlossenes Ganze. So wenig
wir auch seit den glänzenden Zeiten der mongolischen Dynastien am
Ende des dreizehnten Jahrhunderts, seit den Reisen der Venezianer Poli
von jenem Erdstriche wissen, so ist doch neuerlichst (im Süden durch
Jndien, im Norden durch Sibirien) manche Kunde von den gold-
haltigen Sandlagern Jnner-Asiens zu den Europäern gelangt. Die
Zeitungen von Calcutta berichten, daß im ganzen westlichen Tübet
alle Flüsse goldführend sind, und daß die Eingebornen das Gold
durch Amalgamation (Anquicken) gewinnen.** Altindische Mythen
machen den Herrscher des Nordens, Kuwera, zugleich zum Gott
des Reichthums
, und es ist merkwürdig genug, daß die Residenz
des Gottes (Alaka) nicht im Himalayagebirge selbst, sondern auf
dem Kailasa jenseits des Himalaya in Tübet*** zu suchen ist.
Nordwestlicher, jenseits der Bergkette des Kuenlun, welche die
Gebiete von Ladak und Khotan trennt, setzt Heeren,+ und ich
glaube mit vieler Wahrscheinlichkeit, die große goldreiche
Sandwüste
, welche die an Caspatyrus (Kaschmir) gren-
zenden Jnder besuchten, und in denen die "Ameisen kleiner wie

erzsuchenden, metallschmiedenden Kabiren-Volkes bezeichnete ursprüng-
lich nur Fremde, Nicht-Russen (barbari), bestimmter aber in den
Russischen Jahrbüchern nach Klaproth (Asia polyglotta p. 184) und
nach den neuesten gelehrten Untersuchungen Sjögren's (Mem. de
l'Acad. de St. Petersbourg VIme Serie. T. I. p
. 308) alle finnischen,
das heißt uralischen Stämme.
* Journal asiatique, T. II. p. 12.
** A. a. O. T. I. p. 361.
*** Albert Höfer, Uebersetzung der Urwasi des Kalidasa. 1837. S. 90.
+ Her. III, 102-106. (Heeren. Thl. I. Abthl. I. S. 90, 102, 340-345.)
Vergl. Ritter, Asien, Th. II. S. 657-660.

Ueber die Schwankungen
beträchtlichen Maſſen verarbeiteten Goldes, die man bei der erſten
Beſitznahme des Landes in jenem Lande in den Gräbern fand, und
von denen die Petersburger Sammlungen ſo merkwürdige Stücke auf-
zuweiſen haben, doch leichter noch durch ein frühes Auffinden von Gold-
geſchieben im Schuttlande nahe an der Oberfläche der Erde. Müller, der
vortreffliche Geſchichtſchreiber Sibiriens, erzählt, daß durch die erſten
Goldſchätze, die man aus den Gräbern (Kurganui) ſammelte, in
Krasnojarsk der Werth des Goldes auf das Ueberraſchendſte herab-
ſank.* Jnner-Aſien, zwiſchen den Bergſyſtemen des Himalaya-
und des vulkaniſchen Himmels-Gebirges, bildet, wie China, ein
politiſch und faſt auch merkantiliſch-geſchloſſenes Ganze. So wenig
wir auch ſeit den glänzenden Zeiten der mongoliſchen Dynaſtien am
Ende des dreizehnten Jahrhunderts, ſeit den Reiſen der Venezianer Poli
von jenem Erdſtriche wiſſen, ſo iſt doch neuerlichſt (im Süden durch
Jndien, im Norden durch Sibirien) manche Kunde von den gold-
haltigen Sandlagern Jnner-Aſiens zu den Europäern gelangt. Die
Zeitungen von Calcutta berichten, daß im ganzen weſtlichen Tübet
alle Flüſſe goldführend ſind, und daß die Eingebornen das Gold
durch Amalgamation (Anquicken) gewinnen.** Altindiſche Mythen
machen den Herrſcher des Nordens, Kuwera, zugleich zum Gott
des Reichthums
, und es iſt merkwürdig genug, daß die Reſidenz
des Gottes (Alakâ) nicht im Himalayagebirge ſelbſt, ſondern auf
dem Kailâſa jenſeits des Himalaya in Tübet*** zu ſuchen iſt.
Nordweſtlicher, jenſeits der Bergkette des Kuenlun, welche die
Gebiete von Ladak und Khotan trennt, ſetzt Heeren, und ich
glaube mit vieler Wahrſcheinlichkeit, die große goldreiche
Sandwüſte
, welche die an Caspatyrus (Kaſchmir) gren-
zenden Jnder beſuchten, und in denen die „Ameiſen kleiner wie

erzſuchenden, metallſchmiedenden Kabiren-Volkes bezeichnete urſprüng-
lich nur Fremde, Nicht-Ruſſen (barbari), beſtimmter aber in den
Ruſſiſchen Jahrbüchern nach Klaproth (Asia polyglotta p. 184) und
nach den neueſten gelehrten Unterſuchungen Sjögren's (Mém. de
l'Acad. de St. Petersbourg VIme Serie. T. I. p
. 308) alle finniſchen,
das heißt uraliſchen Stämme.
* Journal asiatique, T. II. p. 12.
** A. a. O. T. I. p. 361.
*** Albert Höfer, Ueberſetzung der Urwaſi des Kalidâſa. 1837. S. 90.
Her. III, 102–106. (Heeren. Thl. I. Abthl. I. S. 90, 102, 340–345.)
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[30/0031] Ueber die Schwankungen beträchtlichen Maſſen verarbeiteten Goldes, die man bei der erſten Beſitznahme des Landes in jenem Lande in den Gräbern fand, und von denen die Petersburger Sammlungen ſo merkwürdige Stücke auf- zuweiſen haben, doch leichter noch durch ein frühes Auffinden von Gold- geſchieben im Schuttlande nahe an der Oberfläche der Erde. Müller, der vortreffliche Geſchichtſchreiber Sibiriens, erzählt, daß durch die erſten Goldſchätze, die man aus den Gräbern (Kurganui) ſammelte, in Krasnojarsk der Werth des Goldes auf das Ueberraſchendſte herab- ſank. * Jnner-Aſien, zwiſchen den Bergſyſtemen des Himalaya- und des vulkaniſchen Himmels-Gebirges, bildet, wie China, ein politiſch und faſt auch merkantiliſch-geſchloſſenes Ganze. So wenig wir auch ſeit den glänzenden Zeiten der mongoliſchen Dynaſtien am Ende des dreizehnten Jahrhunderts, ſeit den Reiſen der Venezianer Poli von jenem Erdſtriche wiſſen, ſo iſt doch neuerlichſt (im Süden durch Jndien, im Norden durch Sibirien) manche Kunde von den gold- haltigen Sandlagern Jnner-Aſiens zu den Europäern gelangt. Die Zeitungen von Calcutta berichten, daß im ganzen weſtlichen Tübet alle Flüſſe goldführend ſind, und daß die Eingebornen das Gold durch Amalgamation (Anquicken) gewinnen. ** Altindiſche Mythen machen den Herrſcher des Nordens, Kuwera, zugleich zum Gott des Reichthums, und es iſt merkwürdig genug, daß die Reſidenz des Gottes (Alakâ) nicht im Himalayagebirge ſelbſt, ſondern auf dem Kailâſa jenſeits des Himalaya in Tübet *** zu ſuchen iſt. Nordweſtlicher, jenſeits der Bergkette des Kuenlun, welche die Gebiete von Ladak und Khotan trennt, ſetzt Heeren, † und ich glaube mit vieler Wahrſcheinlichkeit, die große goldreiche Sandwüſte, welche die an Caspatyrus (Kaſchmir) gren- zenden Jnder beſuchten, und in denen die „Ameiſen kleiner wie * * Journal asiatique, T. II. p. 12. ** A. a. O. T. I. p. 361. *** Albert Höfer, Ueberſetzung der Urwaſi des Kalidâſa. 1837. S. 90. † Her. III, 102–106. (Heeren. Thl. I. Abthl. I. S. 90, 102, 340–345.) Vergl. Ritter, Aſien, Th. II. S. 657–660. * erzſuchenden, metallſchmiedenden Kabiren-Volkes bezeichnete urſprüng- lich nur Fremde, Nicht-Ruſſen (barbari), beſtimmter aber in den Ruſſiſchen Jahrbüchern nach Klaproth (Asia polyglotta p. 184) und nach den neueſten gelehrten Unterſuchungen Sjögren's (Mém. de l'Acad. de St. Petersbourg VIme Serie. T. I. p. 308) alle finniſchen, das heißt uraliſchen Stämme.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40, hier S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/31>, abgerufen am 28.03.2024.