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Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.

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der Goldproduktion.
Jahrhunderten das lästig verfeinerte Zollwesen der Araber, eines
Alles berechnenden und tabellarisch aufzeichnenden Handelsvolkes, den
süd- und westeuropäischen Staaten mittheilte. Eine Angabe, wie
die des Plinius (XII, 18), nach der aus dem römischen Staate der
Handel mit Jndien, Serica und Yemen jährlich hundert Millionen
Sesterzen an edlen Metallen absorbirte, das ist, nach Letronne, für
den Geldwerth jener Zeit ein Gewicht von 33,000 Mark Silber
(nur halb so viel, als die jährliche Silbererzeugung des sächsischen
Erzgebirges), steht vereinzelt und problematisch da. Wo allgemeine
Resultate fehlen, würden numerische Beispiele von partiellem Geld-
reichthume gewisser Gebirgsgegenden um so wichtiger seyn, als wir
sie mit der jetzigen Ausbeute berühmter Bergdistrikte vergleichen
könnten, Gewicht mit Gewicht in absolutem Sinne, ohne Rücksicht
auf die schwierige Betrachtung des Goldes als Maß des Werthes
einer bestimmten Quantität von Cerealien. Hinterlassene Schätze
eines Herrschers, Folgen des Sieges oder langer Erpressungen, zeugen
nur von dem, was sich nach einer uns unbekannten Zahl von Jahr-
hunderten in großen Länderstrecken angehäuft findet. Resultate der
Art sind mit den Angaben zu vergleichen, die unsere Statistiker
über die in einem Staate zu einer gewissen Epoche vorhandene
Masse edler Metalle wagen. Wenn Cyrus, laut dem Berichte des
Plinius (XXXIII, 15), durch die Besiegung von Asien an rohem
Golde, ohne das zu Gefäßen verarbeitete zu rechnen, 34,000 Pfd.
zusammen brachte, so ist dies noch kaum der zweijährigen Aus-
beute des Urals gleich. Dagegen schlägt Appian, auf Urkunden
gestützt, den Schatz des Ptolemäus Philadelphus zu 740,000 Ta-
lenten an, das ist, je nachdem man egyptische oder kleine ptole-
mäische Talente rechnet, 1017 oder 254 Millionen Thaler. "Der-
gleichen klingt fabelhaft," sagt der berühmte Verfasser der Staats-
haushaltung der Athener
, "aber ich wage nicht, die Glaub-
würdigkeit zu bezweifeln. Jn diesem Schatze war viel verarbeitetes
Silber und Gold. Die Länder wurden gänzlich ausgesogen, Steuern
und Tribute mit bewaffneter Hand von habsüchtigen Generalpäch-
tern eingezogen. Die Einkünfte allein von Edlesyrien, Phönizien,
Judäa und Samaria wurden von Ptolomäus Evergetes für 8000
Talente verpachtet, und ein Jude kaufte sie für das Doppelte."
Auch Herr William Jacob in seinem vortrefflichen, auf den Wunsch
des Staatsministers Huskisson herausgegebenen Werke: Historical

der Goldproduktion.
Jahrhunderten das läſtig verfeinerte Zollweſen der Araber, eines
Alles berechnenden und tabellariſch aufzeichnenden Handelsvolkes, den
ſüd- und weſteuropäiſchen Staaten mittheilte. Eine Angabe, wie
die des Plinius (XII, 18), nach der aus dem römiſchen Staate der
Handel mit Jndien, Serica und Yemen jährlich hundert Millionen
Seſterzen an edlen Metallen abſorbirte, das iſt, nach Letronne, für
den Geldwerth jener Zeit ein Gewicht von 33,000 Mark Silber
(nur halb ſo viel, als die jährliche Silbererzeugung des ſächſiſchen
Erzgebirges), ſteht vereinzelt und problematiſch da. Wo allgemeine
Reſultate fehlen, würden numeriſche Beiſpiele von partiellem Geld-
reichthume gewiſſer Gebirgsgegenden um ſo wichtiger ſeyn, als wir
ſie mit der jetzigen Ausbeute berühmter Bergdiſtrikte vergleichen
könnten, Gewicht mit Gewicht in abſolutem Sinne, ohne Rückſicht
auf die ſchwierige Betrachtung des Goldes als Maß des Werthes
einer beſtimmten Quantität von Cerealien. Hinterlaſſene Schätze
eines Herrſchers, Folgen des Sieges oder langer Erpreſſungen, zeugen
nur von dem, was ſich nach einer uns unbekannten Zahl von Jahr-
hunderten in großen Länderſtrecken angehäuft findet. Reſultate der
Art ſind mit den Angaben zu vergleichen, die unſere Statiſtiker
über die in einem Staate zu einer gewiſſen Epoche vorhandene
Maſſe edler Metalle wagen. Wenn Cyrus, laut dem Berichte des
Plinius (XXXIII, 15), durch die Beſiegung von Aſien an rohem
Golde, ohne das zu Gefäßen verarbeitete zu rechnen, 34,000 Pfd.
zuſammen brachte, ſo iſt dies noch kaum der zweijährigen Aus-
beute des Urals gleich. Dagegen ſchlägt Appian, auf Urkunden
geſtützt, den Schatz des Ptolemäus Philadelphus zu 740,000 Ta-
lenten an, das iſt, je nachdem man egyptiſche oder kleine ptole-
mäiſche Talente rechnet, 1017 oder 254 Millionen Thaler. „Der-
gleichen klingt fabelhaft,“ ſagt der berühmte Verfaſſer der Staats-
haushaltung der Athener
, „aber ich wage nicht, die Glaub-
würdigkeit zu bezweifeln. Jn dieſem Schatze war viel verarbeitetes
Silber und Gold. Die Länder wurden gänzlich ausgeſogen, Steuern
und Tribute mit bewaffneter Hand von habſüchtigen Generalpäch-
tern eingezogen. Die Einkünfte allein von Edleſyrien, Phönizien,
Judäa und Samaria wurden von Ptolomäus Evergetes für 8000
Talente verpachtet, und ein Jude kaufte ſie für das Doppelte.“
Auch Herr William Jacob in ſeinem vortrefflichen, auf den Wunſch
des Staatsminiſters Huskiſſon herausgegebenen Werke: Historical

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[5/0006] der Goldproduktion. Jahrhunderten das läſtig verfeinerte Zollweſen der Araber, eines Alles berechnenden und tabellariſch aufzeichnenden Handelsvolkes, den ſüd- und weſteuropäiſchen Staaten mittheilte. Eine Angabe, wie die des Plinius (XII, 18), nach der aus dem römiſchen Staate der Handel mit Jndien, Serica und Yemen jährlich hundert Millionen Seſterzen an edlen Metallen abſorbirte, das iſt, nach Letronne, für den Geldwerth jener Zeit ein Gewicht von 33,000 Mark Silber (nur halb ſo viel, als die jährliche Silbererzeugung des ſächſiſchen Erzgebirges), ſteht vereinzelt und problematiſch da. Wo allgemeine Reſultate fehlen, würden numeriſche Beiſpiele von partiellem Geld- reichthume gewiſſer Gebirgsgegenden um ſo wichtiger ſeyn, als wir ſie mit der jetzigen Ausbeute berühmter Bergdiſtrikte vergleichen könnten, Gewicht mit Gewicht in abſolutem Sinne, ohne Rückſicht auf die ſchwierige Betrachtung des Goldes als Maß des Werthes einer beſtimmten Quantität von Cerealien. Hinterlaſſene Schätze eines Herrſchers, Folgen des Sieges oder langer Erpreſſungen, zeugen nur von dem, was ſich nach einer uns unbekannten Zahl von Jahr- hunderten in großen Länderſtrecken angehäuft findet. Reſultate der Art ſind mit den Angaben zu vergleichen, die unſere Statiſtiker über die in einem Staate zu einer gewiſſen Epoche vorhandene Maſſe edler Metalle wagen. Wenn Cyrus, laut dem Berichte des Plinius (XXXIII, 15), durch die Beſiegung von Aſien an rohem Golde, ohne das zu Gefäßen verarbeitete zu rechnen, 34,000 Pfd. zuſammen brachte, ſo iſt dies noch kaum der zweijährigen Aus- beute des Urals gleich. Dagegen ſchlägt Appian, auf Urkunden geſtützt, den Schatz des Ptolemäus Philadelphus zu 740,000 Ta- lenten an, das iſt, je nachdem man egyptiſche oder kleine ptole- mäiſche Talente rechnet, 1017 oder 254 Millionen Thaler. „Der- gleichen klingt fabelhaft,“ ſagt der berühmte Verfaſſer der Staats- haushaltung der Athener, „aber ich wage nicht, die Glaub- würdigkeit zu bezweifeln. Jn dieſem Schatze war viel verarbeitetes Silber und Gold. Die Länder wurden gänzlich ausgeſogen, Steuern und Tribute mit bewaffneter Hand von habſüchtigen Generalpäch- tern eingezogen. Die Einkünfte allein von Edleſyrien, Phönizien, Judäa und Samaria wurden von Ptolomäus Evergetes für 8000 Talente verpachtet, und ein Jude kaufte ſie für das Doppelte.“ Auch Herr William Jacob in ſeinem vortrefflichen, auf den Wunſch des Staatsminiſters Huskiſſon herausgegebenen Werke: Historical

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40, hier S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/6>, abgerufen am 16.04.2024.