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Humboldt, Alexander von: Skizze einer Geologischen Schilderung des südlichen Amerika. In: Allgemeine Geographische Ephemeriden. Bd. 9 (1802) St. 4, S. 310-329.

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Abhandlungen.
ziehung und im Umschwung der Erde gegründet
seyn kann. Man wird bestätiget finden, was Freies-
leben, v. Buch
und Gruner besser als ich bewiesen
haben, dass die Aufeinanderfolge der Fl[ö]z- Schich-
ten
, die man für eine Eigenthümlichkeit gewisser
mit Fleiss durchwühlten und genauer untersuchten
Provinzen, z. B. Thüringen und Derbyshire hielt,
allgemein Statt finde, und dass eine Identität in
den Schichten der Bildungen erscheine, aus der
man schliessen muss, dass dieselben Ablagerungen
auf der ganzen Oberfläche der Erde zu gleicher Zeit
erfolgt sind. Alle diese Ideen sind von der grössten
Wichtigkeit, nicht nur für den Philosophen, der
sich zu allgemeinen Begriffen zu erheben sucht,
sondern auch für den Bergmann, der das, was er
nicht vor Augen hat, im Geiste voraussehen, und
sich auf die Analogie richtiger Erfahrungen stützen
muss. Sie begründen ein neues und zuverlässiges
Wissen, denn sie beschränken sich auf die Beobach-
tung; das Bild der Erde wird gezeichnet, so wie es
ist, und wie alles so wurde, gehört nicht hierher.
Die Geologie wurde nicht eher ein schwankendes
und unsicheres Wissen, als da sich die Phantasie der
Menschen besonders mit der Geschichte der Erde
befasste, zu der es an Urkunden und an verständ-
lichen Denkmalen fast gänzlich fehlt.

Ehe ich die Gebirgslagen beschreibe, die ich
vom Aequator an bis an die Küste der Provinz Ve-
nezuela
beobachtet habe, werde ich eine allgemeine
Ansicht von der Gestalt dieses Continents geben.
Unglücklicherweise fehlt es gänzlich an frühern
Beobachtungen, die dieser Darstellung zur Grund-

lage

Abhandlungen.
ziehung und im Umſchwung der Erde gegründet
ſeyn kann. Man wird beſtätiget finden, was Freies-
leben, v. Buch
und Gruner beſſer als ich bewieſen
haben, daſs die Aufeinanderfolge der Fl[ö]z- Schich-
ten
, die man für eine Eigenthümlichkeit gewiſſer
mit Fleiſs durchwühlten und genauer unterſuchten
Provinzen, z. B. Thüringen und Derbyſhire hielt,
allgemein Statt finde, und daſs eine Identität in
den Schichten der Bildungen erſcheine, aus der
man ſchlieſsen muſs, daſs dieſelben Ablagerungen
auf der ganzen Oberfläche der Erde zu gleicher Zeit
erfolgt ſind. Alle dieſe Ideen ſind von der gröſsten
Wichtigkeit, nicht nur für den Philoſophen, der
ſich zu allgemeinen Begriffen zu erheben ſucht,
ſondern auch für den Bergmann, der das, was er
nicht vor Augen hat, im Geiſte vorausſehen, und
ſich auf die Analogie richtiger Erfahrungen ſtützen
muſs. Sie begründen ein neues und zuverläſſiges
Wiſſen, denn ſie beſchränken ſich auf die Beobach-
tung; das Bild der Erde wird gezeichnet, ſo wie es
iſt, und wie alles ſo wurde, gehört nicht hierher.
Die Geologie wurde nicht eher ein ſchwankendes
und unſicheres Wiſſen, als da ſich die Phantaſie der
Menſchen beſonders mit der Geſchichte der Erde
befaſste, zu der es an Urkunden und an verſtänd-
lichen Denkmalen faſt gänzlich fehlt.

Ehe ich die Gebirgslagen beſchreibe, die ich
vom Aequator an bis an die Küſte der Provinz Ve-
nezuela
beobachtet habe, werde ich eine allgemeine
Anſicht von der Geſtalt dieſes Continents geben.
Unglücklicherweiſe fehlt es gänzlich an frühern
Beobachtungen, die dieſer Darſtellung zur Grund-

lage
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[313/0005] Abhandlungen. ziehung und im Umſchwung der Erde gegründet ſeyn kann. Man wird beſtätiget finden, was Freies- leben, v. Buch und Gruner beſſer als ich bewieſen haben, daſs die Aufeinanderfolge der Flöz- Schich- ten, die man für eine Eigenthümlichkeit gewiſſer mit Fleiſs durchwühlten und genauer unterſuchten Provinzen, z. B. Thüringen und Derbyſhire hielt, allgemein Statt finde, und daſs eine Identität in den Schichten der Bildungen erſcheine, aus der man ſchlieſsen muſs, daſs dieſelben Ablagerungen auf der ganzen Oberfläche der Erde zu gleicher Zeit erfolgt ſind. Alle dieſe Ideen ſind von der gröſsten Wichtigkeit, nicht nur für den Philoſophen, der ſich zu allgemeinen Begriffen zu erheben ſucht, ſondern auch für den Bergmann, der das, was er nicht vor Augen hat, im Geiſte vorausſehen, und ſich auf die Analogie richtiger Erfahrungen ſtützen muſs. Sie begründen ein neues und zuverläſſiges Wiſſen, denn ſie beſchränken ſich auf die Beobach- tung; das Bild der Erde wird gezeichnet, ſo wie es iſt, und wie alles ſo wurde, gehört nicht hierher. Die Geologie wurde nicht eher ein ſchwankendes und unſicheres Wiſſen, als da ſich die Phantaſie der Menſchen beſonders mit der Geſchichte der Erde befaſste, zu der es an Urkunden und an verſtänd- lichen Denkmalen faſt gänzlich fehlt. Ehe ich die Gebirgslagen beſchreibe, die ich vom Aequator an bis an die Küſte der Provinz Ve- nezuela beobachtet habe, werde ich eine allgemeine Anſicht von der Geſtalt dieſes Continents geben. Unglücklicherweiſe fehlt es gänzlich an frühern Beobachtungen, die dieſer Darſtellung zur Grund- lage

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Skizze einer Geologischen Schilderung des südlichen Amerika. In: Allgemeine Geographische Ephemeriden. Bd. 9 (1802) St. 4, S. 310-329, hier S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_skizze01_1802/5>, abgerufen am 18.04.2024.