Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Brief an Samuel Thomas Soemmerring. Hamburg, 28.01.-20.02.1791.

Bild:
<< vorherige Seite

enthalt in Hamburg und hundertlei kleine Geschäfte, welche
mit jeder Einrichtung unzertrennlich verbunden sind, zerstreu-
ten mich noch mehr. So war, ohne daß ich es mir
selbst kaum bewußt war, eine lange, lange Zeit
verflossen und fast meine ganze Correspondenz blieb un
terbrochen. Ein vernachlässigter Brief liegt einem Zentner
schwer auf dem Herzen, er ist immer drükkender,
je weniger man sich durch eine höfliche Entschuldigung
rechtfertigen darf. Man wartet, sich zu aus einer
Art von Rechthaberei, ein Hinderniß ab, auf das man, ex
post, die ganze Schuld schieben könne und so vergeht ei-
ne Woche nach der anderen, bis die Schaam sich darin
mengt und einen völlig verstummen macht. Wenn es
gegründet ist, daß diese Schaam und Gewissenhaf-
tigkeit von einer allzugroßen Leber herrühren, so
leide ich warlich stark an der Leberkrankheit, und die
einzige Kurmethode, die ich Ihnen vorschlagen kann,
ist daß Sie mir für mein offenherziges Geständniß
Verzeihung schenken und mir die Freundschaft und Lie-
be wiedergeben, in deren Besiz ich mich so glücklich schäze.

enthalt in Hamburg und hundertlei kleine Geschäfte, welche
mit jeder Einrichtung unzertrennlich verbunden sind, zerstreu-
ten mich noch mehr. So war, ohne daß ich es mir
selbst kaum bewußt war, eine lange, lange Zeit
verflossen und fast meine ganze Correspondenz blieb un
terbrochen. Ein vernachlässigter Brief liegt einem Zentner
schwer auf dem Herzen, er ist immer drükkender,
je weniger man sich durch eine höfliche Entschuldigung
rechtfertigen darf. Man wartet, sich zu aus einer
Art von Rechthaberei, ein Hinderniß ab, auf das man, ex
post, die ganze Schuld schieben könne und so vergeht ei-
ne Woche nach der anderen, bis die Schaam sich darin
mengt und einen völlig verstummen macht. Wenn es
gegründet ist, daß diese Schaam und Gewissenhaf-
tigkeit von einer allzugroßen Leber herrühren, so
leide ich warlich stark an der Leberkrankheit, und die
einzige Kurmethode, die ich Ihnen vorschlagen kann,
ist daß Sie mir für mein offenherziges Geständniß
Verzeihung schenken und mir die Freundschaft und Lie-
be wiedergeben, in deren Besiz ich mich so glücklich schäze.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0003" n="2r"/>
enthalt in <placeName>Hamburg</placeName> und hundertlei kleine Geschäfte, welche<lb/>
mit jeder                     Einrichtung unzertrennlich verbunden sind, zerstreu-<lb/>
ten mich noch mehr. So war, ohne daß ich es mir<lb/>
selbst kaum                     bewußt war, eine lange, lange Zeit<lb/>
verflossen und fast meine ganze                     Correspondenz blieb un<lb/>
terbrochen. Ein vernachlässigter Brief                     liegt einem Zentner<lb/>
schwer auf dem Herzen, er ist immer drükkender,<lb/>
je                     weniger man sich durch eine <hi rendition="#u">höfliche</hi> Entschuldigung<lb/>
rechtfertigen darf. Man wartet, <subst><del rendition="#s">sich zu</del><add place="intralinear">aus einer</add></subst><lb/>
Art von Rechthaberei, ein Hinderniß ab, auf das man, ex<lb/>
post, die                     ganze Schuld schieben könne und so vergeht ei-<lb/>
ne Woche nach der anderen, bis die Schaam sich darin<lb/>
mengt                     und einen völlig verstummen macht. Wenn es<lb/>
gegründet ist, daß diese Schaam                     und Gewissenhaf-<lb/>
tigkeit von einer allzugroßen Leber herrühren, so<lb/>
leide ich                     warlich stark an der Leberkrankheit, und die<lb/>
einzige Kurmethode, die ich                     Ihnen vorschlagen kann,<lb/>
ist daß Sie mir für mein offenherziges Geständniß<lb/>
Verzeihung schenken und mir die Freundschaft und Lie-<lb/>
be wiedergeben, in deren Besiz ich mich so glücklich schäze.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2r/0003] enthalt in Hamburg und hundertlei kleine Geschäfte, welche mit jeder Einrichtung unzertrennlich verbunden sind, zerstreu- ten mich noch mehr. So war, ohne daß ich es mir selbst kaum bewußt war, eine lange, lange Zeit verflossen und fast meine ganze Correspondenz blieb un terbrochen. Ein vernachlässigter Brief liegt einem Zentner schwer auf dem Herzen, er ist immer drükkender, je weniger man sich durch eine höfliche Entschuldigung rechtfertigen darf. Man wartet, sich zu aus einer Art von Rechthaberei, ein Hinderniß ab, auf das man, ex post, die ganze Schuld schieben könne und so vergeht ei- ne Woche nach der anderen, bis die Schaam sich darin mengt und einen völlig verstummen macht. Wenn es gegründet ist, daß diese Schaam und Gewissenhaf- tigkeit von einer allzugroßen Leber herrühren, so leide ich warlich stark an der Leberkrankheit, und die einzige Kurmethode, die ich Ihnen vorschlagen kann, ist daß Sie mir für mein offenherziges Geständniß Verzeihung schenken und mir die Freundschaft und Lie- be wiedergeben, in deren Besiz ich mich so glücklich schäze.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Alexander von Humboldt auf Reisen - Wissenschaft aus der Bewegung (2016): Bereitstellung der Texttranskription. (2016-09-27T17:00:45Z)
Klaus Gerlach, Ulrich Päßler: TEI-Textannotation. (2016-09-27T17:00:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_soemmering01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_soemmering01_1791/3
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Brief an Samuel Thomas Soemmerring. Hamburg, 28.01.-20.02.1791, S. 2r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_soemmering01_1791/3>, abgerufen am 25.04.2024.