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Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42.

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ferntem Donner, bald wiederholten Schüssen schweren
Geschützes von grossem Kaliber. Es würde interessant
seyn, in Ländern, wo der Boden den Winter über
mit Schnee bedeckt ist, in der Nähe eines Wasserfal-
les zu untersuchen, ob nicht das nächtliche Zuneh-
men des Schalls im Winter geringer sey, als im Som-
mer wenn der Boden des Tags über durch die Son-
nenstrahlen stark erhitzt worden ist.

In der Ebene um die Mission von Atures hört man
das Getöse der über 1 franz. Meile davon entfernten gro-
ssen Wasserfälle des Oronoco noch so laut, dass man
sich in die Nähe der Brandung an einer felsigen Küste
versetzt glaubt. Nachts ist dieses Getöse drei Mal stärker
als während des Tags, und giebt diesen einsamen Orten
einen unaussprechlichen Reiz. Welches kann die Ur-
sach dieser Zunahme an Stärke des Schalls in einer
Einöde seyn, wo, wie es scheint, nichts das Schwei-
gen der Natur unterbricht? Die Geschwindigkeit des
Schalls nimmt, wenn die Temperatur kleiner wird,
nicht zu, sondern ab. Die Stärke wird geringer bei wi-
drigem Winde, in verdünnter Luft, und in den höhern
Regionen des Luftkreises, wo die Theilchen der erzit-
ternden Luft in jedem Schallstrahle minder dicht und
elastisch sind; Trockenheit und Feuchtigkeit der Luft
sind dagegen ohne Einfluss auf die Stärke des
Schalls; im kohlensauren Gas ist diese aber geringer
als in Mengungen von Stickgas und Sauerstoffgas.
Aus diesen Thatsachen, den einzigen, welche wir
mit einiger Gewissheit kennen, lässt sich schwer-
lich jenes Phänomen erklären, welches wir auch
in Europa in der Nähe jedes Wasserfalles wahrneh-

ferntem Donner, bald wiederholten Schüſſen ſchweren
Geſchützes von groſsem Kaliber. Es würde intereſſant
ſeyn, in Ländern, wo der Boden den Winter über
mit Schnee bedeckt iſt, in der Nähe eines Waſſerfal-
les zu unterſuchen, ob nicht das nächtliche Zuneh-
men des Schalls im Winter geringer ſey, als im Som-
mer wenn der Boden des Tags über durch die Son-
nenſtrahlen ſtark erhitzt worden iſt.

In der Ebene um die Miſſion von Aturès hört man
das Getöſe der über 1 franz. Meile davon entfernten gro-
ſsen Waſſerfälle des Oronoco noch ſo laut, daſs man
ſich in die Nähe der Brandung an einer felſigen Küſte
verſetzt glaubt. Nachts iſt dieſes Getöſe drei Mal ſtärker
als während des Tags, und giebt dieſen einſamen Orten
einen unausſprechlichen Reiz. Welches kann die Ur-
ſach dieſer Zunahme an Stärke des Schalls in einer
Einöde ſeyn, wo, wie es ſcheint, nichts das Schwei-
gen der Natur unterbricht? Die Geſchwindigkeit des
Schalls nimmt, wenn die Temperatur kleiner wird,
nicht zu, ſondern ab. Die Stärke wird geringer bei wi-
drigem Winde, in verdünnter Luft, und in den höhern
Regionen des Luftkreiſes, wo die Theilchen der erzit-
ternden Luft in jedem Schallſtrahle minder dicht und
elaſtiſch ſind; Trockenheit und Feuchtigkeit der Luft
ſind dagegen ohne Einfluſs auf die Stärke des
Schalls; im kohlenſauren Gas iſt dieſe aber geringer
als in Mengungen von Stickgas und Sauerſtoffgas.
Aus dieſen Thatſachen, den einzigen, welche wir
mit einiger Gewiſsheit kennen, läſst ſich ſchwer-
lich jenes Phänomen erklären, welches wir auch
in Europa in der Nähe jedes Waſſerfalles wahrneh-

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[34/0006] ferntem Donner, bald wiederholten Schüſſen ſchweren Geſchützes von groſsem Kaliber. Es würde intereſſant ſeyn, in Ländern, wo der Boden den Winter über mit Schnee bedeckt iſt, in der Nähe eines Waſſerfal- les zu unterſuchen, ob nicht das nächtliche Zuneh- men des Schalls im Winter geringer ſey, als im Som- mer wenn der Boden des Tags über durch die Son- nenſtrahlen ſtark erhitzt worden iſt. In der Ebene um die Miſſion von Aturès hört man das Getöſe der über 1 franz. Meile davon entfernten gro- ſsen Waſſerfälle des Oronoco noch ſo laut, daſs man ſich in die Nähe der Brandung an einer felſigen Küſte verſetzt glaubt. Nachts iſt dieſes Getöſe drei Mal ſtärker als während des Tags, und giebt dieſen einſamen Orten einen unausſprechlichen Reiz. Welches kann die Ur- ſach dieſer Zunahme an Stärke des Schalls in einer Einöde ſeyn, wo, wie es ſcheint, nichts das Schwei- gen der Natur unterbricht? Die Geſchwindigkeit des Schalls nimmt, wenn die Temperatur kleiner wird, nicht zu, ſondern ab. Die Stärke wird geringer bei wi- drigem Winde, in verdünnter Luft, und in den höhern Regionen des Luftkreiſes, wo die Theilchen der erzit- ternden Luft in jedem Schallſtrahle minder dicht und elaſtiſch ſind; Trockenheit und Feuchtigkeit der Luft ſind dagegen ohne Einfluſs auf die Stärke des Schalls; im kohlenſauren Gas iſt dieſe aber geringer als in Mengungen von Stickgas und Sauerſtoffgas. Aus dieſen Thatſachen, den einzigen, welche wir mit einiger Gewiſsheit kennen, läſst ſich ſchwer- lich jenes Phänomen erklären, welches wir auch in Europa in der Nähe jedes Waſſerfalles wahrneh-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42, hier S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_staerke_1820/6>, abgerufen am 29.03.2024.