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Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316.

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über die Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper.

So wie Afrika, in neueren Zeiten, für einen an Palmen-Formen
armen Welttheil erkannt worden ist, während es die Alten auf Münzen und
Denkmälern als Palmenreich symbolisirten; so haben auch die letzten Ent-
deckungsreisen unsern Glauben an eine stets gleichförmige Tropenhitze in
den afrikanischen Wüsten sonderbar modifizirt. Von Murzuk in Fezzan
aus reisend (einer Oase, in der Ritchie und Lyon, wahrscheinlich wegen des
in der Luft schwebenden wärmestrahlenden Sandes
, im Schatten, 5-6 Fuß
über den Boden, mehrere Sommer-Monate hindurch, das Reaumursche
Thermometer, um 5 Uhr Morgens zwischen 24° und 26°, Mittags zwischen
38° und 43° gesehen haben) starb Dr. Oudney vor Kälte, mitten in Afrika,
an der Grenze von Bornu, unter dem 13ten Breitengrade, zu Ende Decemb.
in einem Lande, das nach Barometer-Messungen nicht 1200 Fuß über
dem Meeresspiegel erhaben ist. Man behauptet, Wasserschläuche, welche
Oudney's Caravane trug, seien in derselben Nacht gefroren gewesen;
doch hat mir Clapperton's Reisegefährte, Major Denham, den ich nach
seiner Rückkehr vom See Tchad um mündliche Erläuterungen gebeten, er-
zählt, daß am Morgen, einige Stunden nach dem Tode des Dr. Oudney,
die Luft-Temperatur nicht unter 71/2 Grad gewesen sei. In Süd-Amerika,
dem Aequator näher, bei Bogota und Quito, habe ich, trotz der großen
kälteerzeugenden Wirkung der Strahlung hoher Ebenen, Wasser noch nicht
in 8500 und 9000 Fuß Höhe mit Eis bedeckt gesehen. In den handschrift-
lichen Tagebüchern des jungen Beaufort, der vor Kurzem im oberen
Senegal ein Opfer seines wissenschaftlichen Eifers geworden ist, finde ich,
unter 16 Grad Breite, das Thermometer im Schatten, an demselben Tage,
auf 36 Grad in der Mittagsstunde, und auf 12 Grad am frühen Morgen. So
tief sinkt nie die Luft-Temperatur in Amerika in der Ebene unter demselben
nördlichen Parallelkreise. Als ich im vorigen Jahre der Akademie einen
ausführlichen Bericht über die vortrefflichen Arbeiten von Ehrenberg
und Hemprich vorlegte, habe ich bereits der Kälte erwähnt, welcher
diese gelehrten Reisenden in der Wüste von Dongola, unter 19 Grad
Breite, ausgesetzt waren. Nordwinde gelangten bis in diese südliche Tro-
pen-Gegend, und im December sank das Thermometer bis 2°,5 R. über
dem Gefrier-Punkte herab, also volle 12 Grad tiefer, als es, nach sorgfältig
von mir gesammelten Erfahrungen, je unter derselben Breite, in Westin-
dien
, beobachtet wurde. Man ist erstaunt, nicht etwa am äußersten Rande

über die Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper.

So wie Afrika, in neueren Zeiten, für einen an Palmen-Formen
armen Welttheil erkannt worden ist, während es die Alten auf Münzen und
Denkmälern als Palmenreich symbolisirten; so haben auch die letzten Ent-
deckungsreisen unsern Glauben an eine stets gleichförmige Tropenhitze in
den afrikanischen Wüsten sonderbar modifizirt. Von Murzuk in Fezzan
aus reisend (einer Oase, in der Ritchie und Lyon, wahrscheinlich wegen des
in der Luft schwebenden wärmestrahlenden Sandes
, im Schatten, 5-6 Fuß
über den Boden, mehrere Sommer-Monate hindurch, das Reaumursche
Thermometer, um 5 Uhr Morgens zwischen 24° und 26°, Mittags zwischen
38° und 43° gesehen haben) starb Dr. Oudney vor Kälte, mitten in Afrika,
an der Grenze von Bornu, unter dem 13ten Breitengrade, zu Ende Decemb.
in einem Lande, das nach Barometer-Messungen nicht 1200 Fuß über
dem Meeresspiegel erhaben ist. Man behauptet, Wasserschläuche, welche
Oudney's Caravane trug, seien in derselben Nacht gefroren gewesen;
doch hat mir Clapperton's Reisegefährte, Major Denham, den ich nach
seiner Rückkehr vom See Tchad um mündliche Erläuterungen gebeten, er-
zählt, daß am Morgen, einige Stunden nach dem Tode des Dr. Oudney,
die Luft-Temperatur nicht unter 7½ Grad gewesen sei. In Süd-Amerika,
dem Aequator näher, bei Bogota und Quito, habe ich, trotz der großen
kälteerzeugenden Wirkung der Strahlung hoher Ebenen, Wasser noch nicht
in 8500 und 9000 Fuß Höhe mit Eis bedeckt gesehen. In den handschrift-
lichen Tagebüchern des jungen Beaufort, der vor Kurzem im oberen
Senegal ein Opfer seines wissenschaftlichen Eifers geworden ist, finde ich,
unter 16 Grad Breite, das Thermometer im Schatten, an demselben Tage,
auf 36 Grad in der Mittagsstunde, und auf 12 Grad am frühen Morgen. So
tief sinkt nie die Luft-Temperatur in Amerika in der Ebene unter demselben
nördlichen Parallelkreise. Als ich im vorigen Jahre der Akademie einen
ausführlichen Bericht über die vortrefflichen Arbeiten von Ehrenberg
und Hemprich vorlegte, habe ich bereits der Kälte erwähnt, welcher
diese gelehrten Reisenden in der Wüste von Dongola, unter 19 Grad
Breite, ausgesetzt waren. Nordwinde gelangten bis in diese südliche Tro-
pen-Gegend, und im December sank das Thermometer bis 2°,5 R. über
dem Gefrier-Punkte herab, also volle 12 Grad tiefer, als es, nach sorgfältig
von mir gesammelten Erfahrungen, je unter derselben Breite, in Westin-
dien
, beobachtet wurde. Man ist erstaunt, nicht etwa am äußersten Rande

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[301/0008] über die Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. So wie Afrika, in neueren Zeiten, für einen an Palmen-Formen armen Welttheil erkannt worden ist, während es die Alten auf Münzen und Denkmälern als Palmenreich symbolisirten; so haben auch die letzten Ent- deckungsreisen unsern Glauben an eine stets gleichförmige Tropenhitze in den afrikanischen Wüsten sonderbar modifizirt. Von Murzuk in Fezzan aus reisend (einer Oase, in der Ritchie und Lyon, wahrscheinlich wegen des in der Luft schwebenden wärmestrahlenden Sandes, im Schatten, 5-6 Fuß über den Boden, mehrere Sommer-Monate hindurch, das Reaumursche Thermometer, um 5 Uhr Morgens zwischen 24° und 26°, Mittags zwischen 38° und 43° gesehen haben) starb Dr. Oudney vor Kälte, mitten in Afrika, an der Grenze von Bornu, unter dem 13ten Breitengrade, zu Ende Decemb. in einem Lande, das nach Barometer-Messungen nicht 1200 Fuß über dem Meeresspiegel erhaben ist. Man behauptet, Wasserschläuche, welche Oudney's Caravane trug, seien in derselben Nacht gefroren gewesen; doch hat mir Clapperton's Reisegefährte, Major Denham, den ich nach seiner Rückkehr vom See Tchad um mündliche Erläuterungen gebeten, er- zählt, daß am Morgen, einige Stunden nach dem Tode des Dr. Oudney, die Luft-Temperatur nicht unter 7½ Grad gewesen sei. In Süd-Amerika, dem Aequator näher, bei Bogota und Quito, habe ich, trotz der großen kälteerzeugenden Wirkung der Strahlung hoher Ebenen, Wasser noch nicht in 8500 und 9000 Fuß Höhe mit Eis bedeckt gesehen. In den handschrift- lichen Tagebüchern des jungen Beaufort, der vor Kurzem im oberen Senegal ein Opfer seines wissenschaftlichen Eifers geworden ist, finde ich, unter 16 Grad Breite, das Thermometer im Schatten, an demselben Tage, auf 36 Grad in der Mittagsstunde, und auf 12 Grad am frühen Morgen. So tief sinkt nie die Luft-Temperatur in Amerika in der Ebene unter demselben nördlichen Parallelkreise. Als ich im vorigen Jahre der Akademie einen ausführlichen Bericht über die vortrefflichen Arbeiten von Ehrenberg und Hemprich vorlegte, habe ich bereits der Kälte erwähnt, welcher diese gelehrten Reisenden in der Wüste von Dongola, unter 19 Grad Breite, ausgesetzt waren. Nordwinde gelangten bis in diese südliche Tro- pen-Gegend, und im December sank das Thermometer bis 2°,5 R. über dem Gefrier-Punkte herab, also volle 12 Grad tiefer, als es, nach sorgfältig von mir gesammelten Erfahrungen, je unter derselben Breite, in Westin- dien, beobachtet wurde. Man ist erstaunt, nicht etwa am äußersten Rande

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316, hier S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ursachen_1830/8>, abgerufen am 18.04.2024.