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Humboldt, Alexander von: Über die Verbindung zwischen dem Orinoco und Amazonenfluss. In: Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmels-Kunde, Bd. 26 (1812), S. 230-235.

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Monatl. Corresp. 1812. SEPT.
einer Linie, die von N. O. gegen S. W. geht. Ein
grosser Theil von Guiana ist eine Insel, die durch
das Meer und durch die strömenden Gewässer des
Amazonenflusses, des Guainia, des Cassiquiari und
des Orinoco gebildet wird.

Untersucht man den Boden eines Flusses, nach
einem in die Queere laufenden Durchschnitt, mit dem
Senkbley, so findet man beständig, dass er, weit
entfernt eine horizontale Ebene zu bilden, aus einer
Reihe von Furchen von ungleicher Tiefe besteht.
Je breiter der Fluss ist, desto grösser ist die Anzahl
der Furchen; und oft behaupten sie auf grosse Stre-
cken einen vollkommenen Parallelismus. Jeder Fluss
kann angesehen werden, als bestände er aus meh-
rern Canälen; und es findet bey ihm eine Spaltung
in zwey Theile statt, wenn ein Theil des Erdreichs,
welches an das Ufer stösst, niedriger ist, als der Bo-
den einer ihm zur Seite liegenden Furche. Diese
Spaltungen sind in der Nähe der Mündungen der
Flüsse, wo das Erdreich wenig Ungleichheiten hat,
ziemlich gemein. Das Delta des Nils und das des
Orinoco geben uns Beyspiele dieser Erscheinung. In
diesen Fällen gibt es sogar bisweilen Verbindungen
zwischen zweyen Flüssen, wenn die Arme dersel-
ben einander nahe laufen. Die Spaltungen im In-
nern des Landes in der Nähe der Quellen sind desto
seltener, da die meisten grossen Flüsse in bergigten Ge-
genden entspringen und in Thälern fortfliessen, die
durch mehr oder minder beträchtliche Erhöhungen
von einander abgesondert sind. Ein Arm der Loire
könnte sich unmöglich einen Weg zum Bette der
Seine bahnen. Das Innere von Guiana, derjenige

Theil

Monatl. Correſp. 1812. SEPT.
einer Linie, die von N. O. gegen S. W. geht. Ein
groſser Theil von Guiana iſt eine Inſel, die durch
das Meer und durch die ſtrömenden Gewäſſer des
Amazonenfluſſes, des Guainia, des Caſſiquiari und
des Orinoco gebildet wird.

Unterſucht man den Boden eines Fluſſes, nach
einem in die Queere laufenden Durchſchnitt, mit dem
Senkbley, ſo findet man beſtändig, daſs er, weit
entfernt eine horizontale Ebene zu bilden, aus einer
Reihe von Furchen von ungleicher Tiefe beſteht.
Je breiter der Fluſs iſt, deſto gröſser iſt die Anzahl
der Furchen; und oft behaupten ſie auf groſse Stre-
cken einen vollkommenen Parallelismus. Jeder Fluſs
kann angeſehen werden, als beſtände er aus meh-
rern Canälen; und es findet bey ihm eine Spaltung
in zwey Theile ſtatt, wenn ein Theil des Erdreichs,
welches an das Ufer ſtöſst, niedriger iſt, als der Bo-
den einer ihm zur Seite liegenden Furche. Dieſe
Spaltungen ſind in der Nähe der Mündungen der
Flüſſe, wo das Erdreich wenig Ungleichheiten hat,
ziemlich gemein. Das Delta des Nils und das des
Orinoco geben uns Beyſpiele dieſer Erſcheinung. In
dieſen Fällen gibt es ſogar bisweilen Verbindungen
zwiſchen zweyen Flüſſen, wenn die Arme derſel-
ben einander nahe laufen. Die Spaltungen im In-
nern des Landes in der Nähe der Quellen ſind deſto
ſeltener, da die meiſten groſsen Flüſſe in bergigten Ge-
genden entſpringen und in Thälern fortflieſsen, die
durch mehr oder minder beträchtliche Erhöhungen
von einander abgeſondert ſind. Ein Arm der Loire
könnte ſich unmöglich einen Weg zum Bette der
Seine bahnen. Das Innere von Guiana, derjenige

Theil
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[234/0005] Monatl. Correſp. 1812. SEPT. einer Linie, die von N. O. gegen S. W. geht. Ein groſser Theil von Guiana iſt eine Inſel, die durch das Meer und durch die ſtrömenden Gewäſſer des Amazonenfluſſes, des Guainia, des Caſſiquiari und des Orinoco gebildet wird. Unterſucht man den Boden eines Fluſſes, nach einem in die Queere laufenden Durchſchnitt, mit dem Senkbley, ſo findet man beſtändig, daſs er, weit entfernt eine horizontale Ebene zu bilden, aus einer Reihe von Furchen von ungleicher Tiefe beſteht. Je breiter der Fluſs iſt, deſto gröſser iſt die Anzahl der Furchen; und oft behaupten ſie auf groſse Stre- cken einen vollkommenen Parallelismus. Jeder Fluſs kann angeſehen werden, als beſtände er aus meh- rern Canälen; und es findet bey ihm eine Spaltung in zwey Theile ſtatt, wenn ein Theil des Erdreichs, welches an das Ufer ſtöſst, niedriger iſt, als der Bo- den einer ihm zur Seite liegenden Furche. Dieſe Spaltungen ſind in der Nähe der Mündungen der Flüſſe, wo das Erdreich wenig Ungleichheiten hat, ziemlich gemein. Das Delta des Nils und das des Orinoco geben uns Beyſpiele dieſer Erſcheinung. In dieſen Fällen gibt es ſogar bisweilen Verbindungen zwiſchen zweyen Flüſſen, wenn die Arme derſel- ben einander nahe laufen. Die Spaltungen im In- nern des Landes in der Nähe der Quellen ſind deſto ſeltener, da die meiſten groſsen Flüſſe in bergigten Ge- genden entſpringen und in Thälern fortflieſsen, die durch mehr oder minder beträchtliche Erhöhungen von einander abgeſondert ſind. Ein Arm der Loire könnte ſich unmöglich einen Weg zum Bette der Seine bahnen. Das Innere von Guiana, derjenige Theil

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Verbindung zwischen dem Orinoco und Amazonenfluss. In: Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmels-Kunde, Bd. 26 (1812), S. 230-235, hier S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_verbindung_1812/5>, abgerufen am 28.03.2024.