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Humboldt, Alexander von: Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828. Berlin, 1828.

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beschreibenden, messenden und experimentirenden) innigst mit einander
vereinigt. Die Benennungen Naturforscher und Ärzte sind daher hier fast
synonym. Durch irdische Bande an den Typus niederer Gebilde gekettet,
vollendet der Mensch die Reihe höherer Organisationen. In seinem phy-
siologischen und pathologischen Zustande bietet er kaum eine eigene
Klasse von Erscheinungen dar. Was sich auf diesen hohen Zweck des ärzt-
lichen Studiums bezieht, und sich zu allgemeinen naturwissenschaftlichen
Ansichten erhebt, gehört vorzugsweise für diesen Verein. So wichtig es
ist, nicht das Band zu lösen, welches die gleichmässige Erforschung der
organischen und unorganischen Natur umfasst; so werden dennoch der
zunehmende Umfang und die allmählige Entwickelung dieses Instituts die
Nothwendigkeit fühlen lassen, ausser den gemeinschaftlichen öffentlichen
Versammlungen, denen diese Halle bestimmt ist, auch sectionsweise aus-
führlichere Vorträge über einzelne Disciplinen zu halten. Nur in solchen
engeren Kreisen, nur unter Männern, welche Gleichheit der Studien zu
einander hinzieht, sind mündliche Discussionen möglich. Ohne diese Art
der Erörterung, ohne Ansicht der gesammelten, oft schwer zu bestimmen-
den, und darum streitigen Naturkörper, würde der freimüthige Verkehr
Wahrheit-suchender Männer eines belebenden Princips beraubt sein.

Unter den Anstalten, welche in dieser Stadt zur Aufnahme der Ge-
sellschaft getroffen worden sind, hat man vorzuglich auf die Möglichkeit
einer solchen Absonderung in Sectionen Rücksicht genommen. Die Hoff-
nung, dass diese Vorkehrungen sich Ihres Beifalls erfreuen werden, legt mir
die Pflicht auf, hier in Erinnerung zu bringen, dass, obgleich Ihr Vertrauen
zweien Reisenden zugleich die Geschäftsführung übertragen hat, doch nur
einem allein, meinem edlen Freunde, Herrn Lichtenstein, das Verdienst
sorgsamer Vorsicht und rastloser Thätigkeit zukommt. Den wissenschaft-
lichen Geist achtend, der die Gesellschaft deutscher Naturforscher und

beschreibenden, messenden und experimentirenden) innigst mit einander
vereinigt. Die Benennungen Naturforscher und Ärzte sind daher hier fast
synonym. Durch irdische Bande an den Typus niederer Gebilde gekettet,
vollendet der Mensch die Reihe höherer Organisationen. In seinem phy-
siologischen und pathologischen Zustande bietet er kaum eine eigene
Klasse von Erscheinungen dar. Was sich auf diesen hohen Zweck des ärzt-
lichen Studiums bezieht, und sich zu allgemeinen naturwissenschaftlichen
Ansichten erhebt, gehört vorzugsweise für diesen Verein. So wichtig es
ist, nicht das Band zu lösen, welches die gleichmäſsige Erforschung der
organischen und unorganischen Natur umfaſst; so werden dennoch der
zunehmende Umfang und die allmählige Entwickelung dieses Instituts die
Nothwendigkeit fühlen lassen, auſser den gemeinschaftlichen öffentlichen
Versammlungen, denen diese Halle bestimmt ist, auch sectionsweise aus-
führlichere Vorträge über einzelne Disciplinen zu halten. Nur in solchen
engeren Kreisen, nur unter Männern, welche Gleichheit der Studien zu
einander hinzieht, sind mündliche Discussionen möglich. Ohne diese Art
der Erörterung, ohne Ansicht der gesammelten, oft schwer zu bestimmen-
den, und darum streitigen Naturkörper, würde der freimüthige Verkehr
Wahrheit-suchender Männer eines belebenden Princips beraubt sein.

Unter den Anstalten, welche in dieser Stadt zur Aufnahme der Ge-
sellschaft getroffen worden sind, hat man vorzuglich auf die Möglichkeit
einer solchen Absonderung in Sectionen Rücksicht genommen. Die Hoff-
nung, daſs diese Vorkehrungen sich Ihres Beifalls erfreuen werden, legt mir
die Pflicht auf, hier in Erinnerung zu bringen, daſs, obgleich Ihr Vertrauen
zweien Reisenden zugleich die Geschäftsführung übertragen hat, doch nur
einem allein, meinem edlen Freunde, Herrn Lichtenstein, das Verdienst
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[8/0007] beschreibenden, messenden und experimentirenden) innigst mit einander vereinigt. Die Benennungen Naturforscher und Ärzte sind daher hier fast synonym. Durch irdische Bande an den Typus niederer Gebilde gekettet, vollendet der Mensch die Reihe höherer Organisationen. In seinem phy- siologischen und pathologischen Zustande bietet er kaum eine eigene Klasse von Erscheinungen dar. Was sich auf diesen hohen Zweck des ärzt- lichen Studiums bezieht, und sich zu allgemeinen naturwissenschaftlichen Ansichten erhebt, gehört vorzugsweise für diesen Verein. So wichtig es ist, nicht das Band zu lösen, welches die gleichmäſsige Erforschung der organischen und unorganischen Natur umfaſst; so werden dennoch der zunehmende Umfang und die allmählige Entwickelung dieses Instituts die Nothwendigkeit fühlen lassen, auſser den gemeinschaftlichen öffentlichen Versammlungen, denen diese Halle bestimmt ist, auch sectionsweise aus- führlichere Vorträge über einzelne Disciplinen zu halten. Nur in solchen engeren Kreisen, nur unter Männern, welche Gleichheit der Studien zu einander hinzieht, sind mündliche Discussionen möglich. Ohne diese Art der Erörterung, ohne Ansicht der gesammelten, oft schwer zu bestimmen- den, und darum streitigen Naturkörper, würde der freimüthige Verkehr Wahrheit-suchender Männer eines belebenden Princips beraubt sein. Unter den Anstalten, welche in dieser Stadt zur Aufnahme der Ge- sellschaft getroffen worden sind, hat man vorzuglich auf die Möglichkeit einer solchen Absonderung in Sectionen Rücksicht genommen. Die Hoff- nung, daſs diese Vorkehrungen sich Ihres Beifalls erfreuen werden, legt mir die Pflicht auf, hier in Erinnerung zu bringen, daſs, obgleich Ihr Vertrauen zweien Reisenden zugleich die Geschäftsführung übertragen hat, doch nur einem allein, meinem edlen Freunde, Herrn Lichtenstein, das Verdienst sorgsamer Vorsicht und rastloser Thätigkeit zukommt. Den wissenschaft- lichen Geist achtend, der die Gesellschaft deutscher Naturforscher und

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828. Berlin, 1828, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versammlung_1828/7>, abgerufen am 28.03.2024.