Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Aus einem Schreiben Alexanders von Humboldt an seinen Bruder Wilhelm aus Fuero Orotova [d. i. Fuerto Orotava] am Fuß des Pic's von Teneriffa. Am 20ten Jun. 1799; Derselbe aus Cumana in Südamerica den 16ten Jul. 1799. In: Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, Bd. 4 (1800), S. 437-444.

Bild:
<< vorherige Seite

englische Fregatten vor dem Hafen. Von nun an ist bis
Westindien nichts mehr von ihnen zu fürchten. Meine Ge-
sundheit ist vortreflich, und mit Bonplant bin ich sehr zu-
frieden. Schon in Teneriffa haben wir erfahren, welche
Gastfreundschaft in allen Colonien herrscht; alles bewirthet
uns mit, und ohne Empfehlung, bloß um Nachrichten aus
Europa zu haben, und der königl. Paßport thut Wunder.
In St. Croix wohnten wir bei dem General Armiaga, einem
gutmüthigen alten Mann; hier in einem englischen Hause
bei einem Kaufmann John Collegan, wo Cook, Forster, Banks
und Lord Macartney auch wohnten. Es ist unbegreiflich,
welche Alsance und welche Bildung der Weiber man in
diesen Häusern findet.

Den 23ten Jun. Abends. Gestern Nacht kam ich vom Pic
zurük. Welcher Anblik! Welch ein Genuß! Wir waren
bis tief im Crater; vielleicht weiter, als irgend ein Natur-
forscher. Gefahr ist wenig dabei; aber Fatigue von Hize
und Kälte. Im Crater brannten die Schwefeldämpfe Löcher
in unsere Kleider, und die Hände erstarrten bei 2° R.
Gott! Welche Empfindungen! Hinab von dieser Höhe
(11300 Fuß), die dunkelblaue Himmelsdeke über sich, al-
te Lavenströme zu den Füssen; und dieser Schauplaz der
Verheerung (3 Quadrat-Meilen Bimstein) umkränzt von
Lorbeerwäldern; unter diesen die Weingärten, zwischen
denen Pisangbüsche sich bis ins Meer erstreken; die zierli-
chen Dörfer am Ufer des Meeres, und 7 Inseln, von denen
die Palma und Gran-Canaria sehr hohe Volcane haben, wie
eine Landcarte unter uns. Der Crater, in dem wir waren,
gibt nur Schwefel-Dämpfe, die Erde ist 70° R. heiß; an

den

engliſche Fregatten vor dem Hafen. Von nun an iſt bis
Weſtindien nichts mehr von ihnen zu fürchten. Meine Ge-
ſundheit iſt vortreflich, und mit Bonplant bin ich ſehr zu-
frieden. Schon in Teneriffa haben wir erfahren, welche
Gaſtfreundſchaft in allen Colonien herrſcht; alles bewirthet
uns mit, und ohne Empfehlung, bloß um Nachrichten aus
Europa zu haben, und der königl. Paßport thut Wunder.
In St. Croix wohnten wir bei dem General Armiaga, einem
gutmüthigen alten Mann; hier in einem engliſchen Hauſe
bei einem Kaufmann John Collegan, wo Cook, Forſter, Banks
und Lord Macartney auch wohnten. Es iſt unbegreiflich,
welche Alſance und welche Bildung der Weiber man in
dieſen Häuſern findet.

Den 23ten Jun. Abends. Geſtern Nacht kam ich vom Pic
zurük. Welcher Anblik! Welch ein Genuß! Wir waren
bis tief im Crater; vielleicht weiter, als irgend ein Natur-
forſcher. Gefahr iſt wenig dabei; aber Fatigue von Hize
und Kälte. Im Crater brannten die Schwefeldämpfe Löcher
in unſere Kleider, und die Hände erſtarrten bei 2° R.
Gott! Welche Empfindungen! Hinab von dieſer Höhe
(11300 Fuß), die dunkelblaue Himmelsdeke über ſich, al-
te Lavenſtröme zu den Füſſen; und dieſer Schauplaz der
Verheerung (3 Quadrat-Meilen Bimſtein) umkränzt von
Lorbeerwäldern; unter dieſen die Weingärten, zwiſchen
denen Piſangbüſche ſich bis ins Meer erſtreken; die zierli-
chen Dörfer am Ufer des Meeres, und 7 Inſeln, von denen
die Palma und Gran-Canaria ſehr hohe Volcane haben, wie
eine Landcarte unter uns. Der Crater, in dem wir waren,
gibt nur Schwefel-Dämpfe, die Erde iſt 70° R. heiß; an

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0003" n="439"/>
engli&#x017F;che Fregatten vor dem Hafen. Von nun an i&#x017F;t bis<lb/><hi rendition="#i">We&#x017F;tindien</hi> nichts mehr von ihnen zu fürchten. Meine Ge-<lb/>
&#x017F;undheit i&#x017F;t vortreflich, und mit <hi rendition="#i">Bonplant</hi> bin ich &#x017F;ehr zu-<lb/>
frieden. Schon in <hi rendition="#i">Teneriffa</hi> haben wir erfahren, welche<lb/>
Ga&#x017F;tfreund&#x017F;chaft in allen Colonien herr&#x017F;cht; alles bewirthet<lb/>
uns mit, und ohne Empfehlung, bloß um Nachrichten aus<lb/><hi rendition="#i">Europa</hi> zu haben, und der königl. Paßport thut Wunder.<lb/>
In <hi rendition="#i">St. Croix</hi> wohnten wir bei dem General <hi rendition="#i">Armiaga</hi>, einem<lb/>
gutmüthigen alten Mann; hier in einem engli&#x017F;chen Hau&#x017F;e<lb/>
bei einem Kaufmann <hi rendition="#i">John Collegan</hi>, wo <hi rendition="#i">Cook</hi>, <hi rendition="#i">For&#x017F;ter</hi>, <hi rendition="#i">Banks</hi><lb/>
und Lord <hi rendition="#i">Macartney</hi> auch wohnten. Es i&#x017F;t unbegreiflich,<lb/>
welche Al&#x017F;ance und welche Bildung der Weiber man in<lb/>
die&#x017F;en Häu&#x017F;ern findet.</p><lb/>
      <p><hi rendition="#i">Den 23ten Jun. Abends</hi>. Ge&#x017F;tern Nacht kam ich vom <hi rendition="#i">Pic</hi><lb/>
zurük. Welcher Anblik! Welch ein Genuß! Wir waren<lb/>
bis tief im Crater; vielleicht weiter, als irgend ein Natur-<lb/>
for&#x017F;cher. Gefahr i&#x017F;t wenig dabei; aber Fatigue von Hize<lb/>
und Kälte. Im Crater brannten die Schwefeldämpfe Löcher<lb/>
in un&#x017F;ere Kleider, und die Hände er&#x017F;tarrten bei 2° R.<lb/>
Gott! Welche Empfindungen! Hinab von die&#x017F;er Höhe<lb/>
(11300 Fuß), die dunkelblaue Himmelsdeke über &#x017F;ich, al-<lb/>
te Laven&#x017F;tröme zu den Fü&#x017F;&#x017F;en; und die&#x017F;er Schauplaz der<lb/>
Verheerung (3 Quadrat-Meilen Bim&#x017F;tein) umkränzt von<lb/>
Lorbeerwäldern; unter die&#x017F;en die Weingärten, zwi&#x017F;chen<lb/>
denen Pi&#x017F;angbü&#x017F;che &#x017F;ich bis ins Meer er&#x017F;treken; die zierli-<lb/>
chen Dörfer am Ufer des Meeres, und 7 In&#x017F;eln, von denen<lb/>
die <hi rendition="#i">Palma</hi> und <hi rendition="#i">Gran-Canaria</hi> &#x017F;ehr hohe Volcane haben, wie<lb/>
eine Landcarte unter uns. Der Crater, in dem wir waren,<lb/>
gibt nur Schwefel-Dämpfe, die Erde i&#x017F;t 70° R. heiß; an<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[439/0003] engliſche Fregatten vor dem Hafen. Von nun an iſt bis Weſtindien nichts mehr von ihnen zu fürchten. Meine Ge- ſundheit iſt vortreflich, und mit Bonplant bin ich ſehr zu- frieden. Schon in Teneriffa haben wir erfahren, welche Gaſtfreundſchaft in allen Colonien herrſcht; alles bewirthet uns mit, und ohne Empfehlung, bloß um Nachrichten aus Europa zu haben, und der königl. Paßport thut Wunder. In St. Croix wohnten wir bei dem General Armiaga, einem gutmüthigen alten Mann; hier in einem engliſchen Hauſe bei einem Kaufmann John Collegan, wo Cook, Forſter, Banks und Lord Macartney auch wohnten. Es iſt unbegreiflich, welche Alſance und welche Bildung der Weiber man in dieſen Häuſern findet. Den 23ten Jun. Abends. Geſtern Nacht kam ich vom Pic zurük. Welcher Anblik! Welch ein Genuß! Wir waren bis tief im Crater; vielleicht weiter, als irgend ein Natur- forſcher. Gefahr iſt wenig dabei; aber Fatigue von Hize und Kälte. Im Crater brannten die Schwefeldämpfe Löcher in unſere Kleider, und die Hände erſtarrten bei 2° R. Gott! Welche Empfindungen! Hinab von dieſer Höhe (11300 Fuß), die dunkelblaue Himmelsdeke über ſich, al- te Lavenſtröme zu den Füſſen; und dieſer Schauplaz der Verheerung (3 Quadrat-Meilen Bimſtein) umkränzt von Lorbeerwäldern; unter dieſen die Weingärten, zwiſchen denen Piſangbüſche ſich bis ins Meer erſtreken; die zierli- chen Dörfer am Ufer des Meeres, und 7 Inſeln, von denen die Palma und Gran-Canaria ſehr hohe Volcane haben, wie eine Landcarte unter uns. Der Crater, in dem wir waren, gibt nur Schwefel-Dämpfe, die Erde iſt 70° R. heiß; an den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_wilhelm_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_wilhelm_1800/3
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Aus einem Schreiben Alexanders von Humboldt an seinen Bruder Wilhelm aus Fuero Orotova [d. i. Fuerto Orotava] am Fuß des Pic's von Teneriffa. Am 20ten Jun. 1799; Derselbe aus Cumana in Südamerica den 16ten Jul. 1799. In: Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, Bd. 4 (1800), S. 437-444, hier S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_wilhelm_1800/3>, abgerufen am 24.04.2024.