Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite



mit jedem Tage verringert, und daß man überhaupt
uns nicht das halsstarrige, eigensinnige Beharren
bei alten thörichten Gebräuchen und Dogmen vor-
werfen kann, was den Juden zur Last fällt. Mö-
gen auch immer in den Köpfen der Pfaffen, in den
Beschlüssen der Konzilien und in den symbolischen
Büchern der verschiedenen christlichen Konfessionen
eine Menge von Tollheiten und Albernheiten noch
als finstere Nachtgespenster spucken; der Glaube an
sie fällt mit jedem Tage, und wird vielleicht in
einem Vierteljahrhundert ganz zusammen stürzen.
Die Juden hingegen weichen nie um ein Haar breit
von ihren hergebrachten Glaubenslehren, selbst wenn
sie in Rücksicht der äußern Gebräuche sich alle er-
denkliche Freiheiten erlauben sollten; denn diese
können, wie andere Sünden, verziehen werden, der
Unglaube aber nicht. "Wenn die böse Natur des
Menschen ihn überwältigt, heißt es im Talmud,
so gehe er nach einem Ort, wo man ihn nicht kennt,
und ziehe schwarze Kleider an, und thue Alles,
was sein Herz wünscht *)." Man sieht hieraus,
daß es mit der Beobachtung der Gebote und äus-
sern Gebräuche nicht so ernstlich genommen wird,
und daß es auch bei den Jsraeliten, wie bei man-
chen Christen, mehr auf das Glauben, als auf
Thun und Lassen ankömmt.

*) M. s. den Traktat Kidduschin.



mit jedem Tage verringert, und daß man uͤberhaupt
uns nicht das halsſtarrige, eigenſinnige Beharren
bei alten thoͤrichten Gebraͤuchen und Dogmen vor-
werfen kann, was den Juden zur Laſt faͤllt. Moͤ-
gen auch immer in den Koͤpfen der Pfaffen, in den
Beſchluͤſſen der Konzilien und in den ſymboliſchen
Buͤchern der verſchiedenen chriſtlichen Konfeſſionen
eine Menge von Tollheiten und Albernheiten noch
als finſtere Nachtgeſpenſter ſpucken; der Glaube an
ſie faͤllt mit jedem Tage, und wird vielleicht in
einem Vierteljahrhundert ganz zuſammen ſtuͤrzen.
Die Juden hingegen weichen nie um ein Haar breit
von ihren hergebrachten Glaubenslehren, ſelbſt wenn
ſie in Ruͤckſicht der aͤußern Gebraͤuche ſich alle er-
denkliche Freiheiten erlauben ſollten; denn dieſe
koͤnnen, wie andere Suͤnden, verziehen werden, der
Unglaube aber nicht. »Wenn die boͤſe Natur des
Menſchen ihn uͤberwaͤltigt, heißt es im Talmud,
ſo gehe er nach einem Ort, wo man ihn nicht kennt,
und ziehe ſchwarze Kleider an, und thue Alles,
was ſein Herz wuͤnſcht *).« Man ſieht hieraus,
daß es mit der Beobachtung der Gebote und aͤuſ-
ſern Gebraͤuche nicht ſo ernſtlich genommen wird,
und daß es auch bei den Jſraeliten, wie bei man-
chen Chriſten, mehr auf das Glauben, als auf
Thun und Laſſen ankoͤmmt.

*) M. ſ. den Traktat Kidduſchin.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="32"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
mit jedem Tage verringert, und daß man u&#x0364;berhaupt<lb/>
uns nicht das hals&#x017F;tarrige, eigen&#x017F;innige Beharren<lb/>
bei alten tho&#x0364;richten Gebra&#x0364;uchen und Dogmen vor-<lb/>
werfen kann, was den Juden zur La&#x017F;t fa&#x0364;llt. Mo&#x0364;-<lb/>
gen auch immer in den Ko&#x0364;pfen der Pfaffen, in den<lb/>
Be&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en der Konzilien und in den &#x017F;ymboli&#x017F;chen<lb/>
Bu&#x0364;chern der ver&#x017F;chiedenen chri&#x017F;tlichen Konfe&#x017F;&#x017F;ionen<lb/>
eine Menge von Tollheiten und Albernheiten noch<lb/>
als fin&#x017F;tere Nachtge&#x017F;pen&#x017F;ter &#x017F;pucken; der Glaube an<lb/>
&#x017F;ie fa&#x0364;llt mit jedem Tage, und wird vielleicht in<lb/>
einem Vierteljahrhundert ganz zu&#x017F;ammen &#x017F;tu&#x0364;rzen.<lb/>
Die Juden hingegen weichen nie um ein Haar breit<lb/>
von ihren hergebrachten Glaubenslehren, &#x017F;elb&#x017F;t wenn<lb/>
&#x017F;ie in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht der a&#x0364;ußern Gebra&#x0364;uche &#x017F;ich alle er-<lb/>
denkliche Freiheiten erlauben &#x017F;ollten; denn die&#x017F;e<lb/>
ko&#x0364;nnen, wie andere Su&#x0364;nden, verziehen werden, der<lb/>
Unglaube aber nicht. »Wenn die bo&#x0364;&#x017F;e Natur des<lb/>
Men&#x017F;chen ihn u&#x0364;berwa&#x0364;ltigt, heißt es im Talmud,<lb/>
&#x017F;o gehe er nach einem Ort, wo man ihn nicht kennt,<lb/>
und ziehe <hi rendition="#g">&#x017F;chwarze</hi> Kleider an, und thue Alles,<lb/>
was &#x017F;ein Herz wu&#x0364;n&#x017F;cht <note place="foot" n="*)">M. &#x017F;. den Traktat Kiddu&#x017F;chin.</note>.« Man &#x017F;ieht hieraus,<lb/>
daß es mit der Beobachtung der Gebote und a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern Gebra&#x0364;uche nicht &#x017F;o ern&#x017F;tlich genommen wird,<lb/>
und daß es auch bei den J&#x017F;raeliten, wie bei man-<lb/>
chen Chri&#x017F;ten, mehr auf das Glauben, als auf<lb/>
Thun und La&#x017F;&#x017F;en anko&#x0364;mmt.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0032] mit jedem Tage verringert, und daß man uͤberhaupt uns nicht das halsſtarrige, eigenſinnige Beharren bei alten thoͤrichten Gebraͤuchen und Dogmen vor- werfen kann, was den Juden zur Laſt faͤllt. Moͤ- gen auch immer in den Koͤpfen der Pfaffen, in den Beſchluͤſſen der Konzilien und in den ſymboliſchen Buͤchern der verſchiedenen chriſtlichen Konfeſſionen eine Menge von Tollheiten und Albernheiten noch als finſtere Nachtgeſpenſter ſpucken; der Glaube an ſie faͤllt mit jedem Tage, und wird vielleicht in einem Vierteljahrhundert ganz zuſammen ſtuͤrzen. Die Juden hingegen weichen nie um ein Haar breit von ihren hergebrachten Glaubenslehren, ſelbſt wenn ſie in Ruͤckſicht der aͤußern Gebraͤuche ſich alle er- denkliche Freiheiten erlauben ſollten; denn dieſe koͤnnen, wie andere Suͤnden, verziehen werden, der Unglaube aber nicht. »Wenn die boͤſe Natur des Menſchen ihn uͤberwaͤltigt, heißt es im Talmud, ſo gehe er nach einem Ort, wo man ihn nicht kennt, und ziehe ſchwarze Kleider an, und thue Alles, was ſein Herz wuͤnſcht *).« Man ſieht hieraus, daß es mit der Beobachtung der Gebote und aͤuſ- ſern Gebraͤuche nicht ſo ernſtlich genommen wird, und daß es auch bei den Jſraeliten, wie bei man- chen Chriſten, mehr auf das Glauben, als auf Thun und Laſſen ankoͤmmt. *) M. ſ. den Traktat Kidduſchin.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/32
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/32>, abgerufen am 25.04.2024.