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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

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reren sehr ähnlichen Nebenquellen. Einer tadelt
nur an dem Andern sein eigenes Verbrechen. Wer
selbst ein Schindeldach hat, sollte keine Feuerbrände
auf die Strohhütten seiner Nachbaren schleudern.

Der zunehmende Polytheismus der Bekenner
des Christenthums, welcher unter den Päbsten gar
keine Schranken mehr kannte, schreckte die, in ih-
rer Gottesverehrung streng monotheistischen Juden
immer weiter von ihnen zurück. Nur große Köni-
ge, Gesetzgeber, Helden und andere verdiente Men-
schen konnten bei Griechen und Römern unter die
Zahl der Götter und Halbgötter versetzt werden.
Anders gieng es bei den Christen. Jeder fanatische
Lump, mit dessen schmutzigen Knochen man vor den
verblendeten Augen des dummen Pöbels scheinbare
Wunder that, ward zum Gott oder Heiligen erho-
ben; eigene Tempel und Altäre wurden ihm errich-
tet; besondere Feste für ihn gestiftet, und kostbare,
für die Pfaffen einträgliche Wallfahrten zu seinen
modernden Gebeinen wurden angeordnet.

Hatte die griechische Mythologie mit ihrem lieb-
lichen Zauber, mit dem hohen ästhetischen Sinn,
der in allen ihren Dichtungen waltet, die Juden
nicht fesseln können; wie sollte es denn eine alber-
ne, scheinheilige und abentheuerliche Fabellehre, in
deren Hintergrunde sie einen Mann als Stifter zu
sehen wähnten, den sie für den größten Verbrecher
hielten? Wie konnten aufgeblasene, herrsch- und



reren ſehr aͤhnlichen Nebenquellen. Einer tadelt
nur an dem Andern ſein eigenes Verbrechen. Wer
ſelbſt ein Schindeldach hat, ſollte keine Feuerbraͤnde
auf die Strohhuͤtten ſeiner Nachbaren ſchleudern.

Der zunehmende Polytheismus der Bekenner
des Chriſtenthums, welcher unter den Paͤbſten gar
keine Schranken mehr kannte, ſchreckte die, in ih-
rer Gottesverehrung ſtreng monotheiſtiſchen Juden
immer weiter von ihnen zuruͤck. Nur große Koͤni-
ge, Geſetzgeber, Helden und andere verdiente Men-
ſchen konnten bei Griechen und Roͤmern unter die
Zahl der Goͤtter und Halbgoͤtter verſetzt werden.
Anders gieng es bei den Chriſten. Jeder fanatiſche
Lump, mit deſſen ſchmutzigen Knochen man vor den
verblendeten Augen des dummen Poͤbels ſcheinbare
Wunder that, ward zum Gott oder Heiligen erho-
ben; eigene Tempel und Altaͤre wurden ihm errich-
tet; beſondere Feſte fuͤr ihn geſtiftet, und koſtbare,
fuͤr die Pfaffen eintraͤgliche Wallfahrten zu ſeinen
modernden Gebeinen wurden angeordnet.

Hatte die griechiſche Mythologie mit ihrem lieb-
lichen Zauber, mit dem hohen aͤſthetiſchen Sinn,
der in allen ihren Dichtungen waltet, die Juden
nicht feſſeln koͤnnen; wie ſollte es denn eine alber-
ne, ſcheinheilige und abentheuerliche Fabellehre, in
deren Hintergrunde ſie einen Mann als Stifter zu
ſehen waͤhnten, den ſie fuͤr den groͤßten Verbrecher
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[47/0047] reren ſehr aͤhnlichen Nebenquellen. Einer tadelt nur an dem Andern ſein eigenes Verbrechen. Wer ſelbſt ein Schindeldach hat, ſollte keine Feuerbraͤnde auf die Strohhuͤtten ſeiner Nachbaren ſchleudern. Der zunehmende Polytheismus der Bekenner des Chriſtenthums, welcher unter den Paͤbſten gar keine Schranken mehr kannte, ſchreckte die, in ih- rer Gottesverehrung ſtreng monotheiſtiſchen Juden immer weiter von ihnen zuruͤck. Nur große Koͤni- ge, Geſetzgeber, Helden und andere verdiente Men- ſchen konnten bei Griechen und Roͤmern unter die Zahl der Goͤtter und Halbgoͤtter verſetzt werden. Anders gieng es bei den Chriſten. Jeder fanatiſche Lump, mit deſſen ſchmutzigen Knochen man vor den verblendeten Augen des dummen Poͤbels ſcheinbare Wunder that, ward zum Gott oder Heiligen erho- ben; eigene Tempel und Altaͤre wurden ihm errich- tet; beſondere Feſte fuͤr ihn geſtiftet, und koſtbare, fuͤr die Pfaffen eintraͤgliche Wallfahrten zu ſeinen modernden Gebeinen wurden angeordnet. Hatte die griechiſche Mythologie mit ihrem lieb- lichen Zauber, mit dem hohen aͤſthetiſchen Sinn, der in allen ihren Dichtungen waltet, die Juden nicht feſſeln koͤnnen; wie ſollte es denn eine alber- ne, ſcheinheilige und abentheuerliche Fabellehre, in deren Hintergrunde ſie einen Mann als Stifter zu ſehen waͤhnten, den ſie fuͤr den groͤßten Verbrecher hielten? Wie konnten aufgeblaſene, herrſch- und

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/47>, abgerufen am 28.03.2024.