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Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785.

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Amtmann. Zur Sache, zur Sache!
Obfstn. Ja, ja -- gern. Von Herzen gern. Wenn
Sie mich -- -- aber -- erlauben Sie, ich muß mich sezzen.
Amtmann. Was wird das?
Obfstn. O Herr! Ich bin alt -- habe manches Kreuz
auf der Welt getragen -- habe viel ausgestanden --
aber heute hat es mich zusammen geworfen. -- Nun
kann ich nicht weiter. Meinem Manne verberge ich
es, so viel ich kann. Aber Herr Amtmann! Mutterherz
geht über alles, und der Sohn sollte der Trost meiner
alten Tage sein! In acht Tagen sollte er heirathen.
Und hätte Gott meinen alten Mann zu sich genommen,
so hätte der mich pflegen sollen; und nun -- der Athem
vergeht mir. -- Oh -- Oh! Lassen Sie mich ausweinen.
(sie steht auf und geht verzweiflend umher.) Das Herz will
mir zerspringen.
Amtmann. Lieber Gott, es thut mir leid -- es ist
Schade um sein junges Leben. Indeß alles, was Sie
mir gesagt haben, hat mir der Herr Pastor schon gesagt.
Obfstn. (schnell.) Nein, nein, das hat er nicht.
O das kann er nicht. Er ist ein gelehrter Mann,
ein guter Mann, er meint es gut mit uns, er hat Anto-
nen lieb -- aber ich habe ihn geboren! Drei und zwan-
zig Jahre lang habe ich ihn mit Angst und Freude her-
Amtmann. Zur Sache, zur Sache!
Obfſtn. Ja, ja — gern. Von Herzen gern. Wenn
Sie mich — — aber — erlauben Sie, ich muß mich ſezzen.
Amtmann. Was wird das?
Obfſtn. O Herr! Ich bin alt — habe manches Kreuz
auf der Welt getragen — habe viel ausgeſtanden —
aber heute hat es mich zuſammen geworfen. — Nun
kann ich nicht weiter. Meinem Manne verberge ich
es, ſo viel ich kann. Aber Herr Amtmann! Mutterherz
geht uͤber alles, und der Sohn ſollte der Troſt meiner
alten Tage ſein! In acht Tagen ſollte er heirathen.
Und haͤtte Gott meinen alten Mann zu ſich genommen,
ſo haͤtte der mich pflegen ſollen; und nun — der Athem
vergeht mir. — Oh — Oh! Laſſen Sie mich ausweinen.
(ſie ſteht auf und geht verzweiflend umher.) Das Herz will
mir zerſpringen.
Amtmann. Lieber Gott, es thut mir leid — es iſt
Schade um ſein junges Leben. Indeß alles, was Sie
mir geſagt haben, hat mir der Herr Paſtor ſchon geſagt.
Obfſtn. (ſchnell.) Nein, nein, das hat er nicht.
O das kann er nicht. Er iſt ein gelehrter Mann,
ein guter Mann, er meint es gut mit uns, er hat Anto-
nen lieb — aber ich habe ihn geboren! Drei und zwan-
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[175/0181] Amtmann. Zur Sache, zur Sache! Obfſtn. Ja, ja — gern. Von Herzen gern. Wenn Sie mich — — aber — erlauben Sie, ich muß mich ſezzen. Amtmann. Was wird das? Obfſtn. O Herr! Ich bin alt — habe manches Kreuz auf der Welt getragen — habe viel ausgeſtanden — aber heute hat es mich zuſammen geworfen. — Nun kann ich nicht weiter. Meinem Manne verberge ich es, ſo viel ich kann. Aber Herr Amtmann! Mutterherz geht uͤber alles, und der Sohn ſollte der Troſt meiner alten Tage ſein! In acht Tagen ſollte er heirathen. Und haͤtte Gott meinen alten Mann zu ſich genommen, ſo haͤtte der mich pflegen ſollen; und nun — der Athem vergeht mir. — Oh — Oh! Laſſen Sie mich ausweinen. (ſie ſteht auf und geht verzweiflend umher.) Das Herz will mir zerſpringen. Amtmann. Lieber Gott, es thut mir leid — es iſt Schade um ſein junges Leben. Indeß alles, was Sie mir geſagt haben, hat mir der Herr Paſtor ſchon geſagt. Obfſtn. (ſchnell.) Nein, nein, das hat er nicht. O das kann er nicht. Er iſt ein gelehrter Mann, ein guter Mann, er meint es gut mit uns, er hat Anto- nen lieb — aber ich habe ihn geboren! Drei und zwan- zig Jahre lang habe ich ihn mit Angſt und Freude her-

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Zitationshilfe: Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/iffland_jaeger_1785/181>, abgerufen am 28.03.2024.