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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hatten. Diese waren zuvörderst an die ihnen gebührende Stelle zu bringen. Kein Tieck wird sichtbar. Doch finde ich Engels Mimik und kann mich nicht enthalten, einige Seiten über den Ausdruck des Pathetischen und der Leidenschaft darin nachzulesen. Bei der Leidenschaft fällt mir das Werk des Professors Maaß von den Leidenschaften ein, ich steige zu den Philosophen empor und hole mir das Buch, um eine Parallelstelle zu vergleichen. So bin ich vertieft in Engel und Maaß, als ich zufällig in die Tasche greife und ein Büchlein darin fühle. Ich ziehe den Fund heraus, was habe ich in der Hand? Tiecks dramaturgische Blätter. Ich hatte sie zu mir gesteckt, als ich meinen Freund vorgestern verließ.

Jetzt will ich lesen; mein Blick füllt auf die Uhr, zum größten Schreck sehe ich, daß es schon halb sieben Uhr Abends ist. Ich greife zu Hut und Stock, eile auf die Straße, dem Theater zu, welches ziemlich weit von meiner Wohnung liegt. In der Nähe des Gebäudes strömt mir ein Zug Rückkehrender entgegen. Ich rudere hindurch, zur Casse; da zeigt der Cassirer auf den leeren Fleck vor ihm. Sämmtliche Billets sind vergeben; wenn ich vor einer halben Stunde gekommen wäre, meint der Mann, hätte er mir noch allenfalls einen Platz im zweiten Range verschaffen können. -- Ich habe Eßlair nicht zu sehen bekommen; er reis'te am folgenden Morgen wieder ab.

Zu einer andern Zeit schrieb mir ein hoher Gönner aus Frankfurt am Main, eröffnete mir die Aussicht zu

hatten. Diese waren zuvörderst an die ihnen gebührende Stelle zu bringen. Kein Tieck wird sichtbar. Doch finde ich Engels Mimik und kann mich nicht enthalten, einige Seiten über den Ausdruck des Pathetischen und der Leidenschaft darin nachzulesen. Bei der Leidenschaft fällt mir das Werk des Professors Maaß von den Leidenschaften ein, ich steige zu den Philosophen empor und hole mir das Buch, um eine Parallelstelle zu vergleichen. So bin ich vertieft in Engel und Maaß, als ich zufällig in die Tasche greife und ein Büchlein darin fühle. Ich ziehe den Fund heraus, was habe ich in der Hand? Tiecks dramaturgische Blätter. Ich hatte sie zu mir gesteckt, als ich meinen Freund vorgestern verließ.

Jetzt will ich lesen; mein Blick füllt auf die Uhr, zum größten Schreck sehe ich, daß es schon halb sieben Uhr Abends ist. Ich greife zu Hut und Stock, eile auf die Straße, dem Theater zu, welches ziemlich weit von meiner Wohnung liegt. In der Nähe des Gebäudes strömt mir ein Zug Rückkehrender entgegen. Ich rudere hindurch, zur Casse; da zeigt der Cassirer auf den leeren Fleck vor ihm. Sämmtliche Billets sind vergeben; wenn ich vor einer halben Stunde gekommen wäre, meint der Mann, hätte er mir noch allenfalls einen Platz im zweiten Range verschaffen können. — Ich habe Eßlair nicht zu sehen bekommen; er reis'te am folgenden Morgen wieder ab.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/12>, abgerufen am 24.04.2024.