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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ankommt! Was will ich davon denken? Täuschen Sie mich? Wollen Sie mich aufziehen?

Es steht Ihnen ja frei, von diesen Dingen zu halten, was Sie wollen, versetzte der Arzt sehr kaltblütig. Daß ich keinen Propheten meiner Lehre aus Ihnen machen will, beweise Ihnen die Bitte, die ich an Sie richte, sich Ihres Schwures gewissenhaft eingedenk zu halten.

Er packte sein Geräth zusammen und schien Abschied nehmen zu wollen. Ich ergriff ihn bei der Hand. Bleiben Sie noch einige Augenblicke! rief ich leidenschaftlich; lassen Sie mich nicht in dem Dunkel, wohinein mich diese mystischen Eröffnungen gestoßen haben! Erklären Sie mir die Sache. Ich frage mit den Worten Luther's: Wie kann Wasser so große Dinge thun? In welchem Zusammenhange soll meine Handreichung mit der Herstellung jener Dame stehn?

Und wenn nun, versetzte er, jenes Wasser verborgene Kräfte besäße, die unsere wachen Sinne zu entdecken nur nicht fein genug wären? Ist es der Scheidekunst schon gelungen, die gewöhnlichen Mineralquellen vollständig zu entziffern? Bleibt nicht ein unbekanntes Etwas in ihnen übrig, was keine Kunst nachmachen kann? Uns scheint jenes Wasser von der Bäderlei gewöhnliches Wasser, die heilige Ekstase der Somnambüle, vor der es nichts Verborgenes giebt, muß doch wohl noch etwas Anderes darin sehn. Ich erinnre mich, sie sah es gelbröthlich leuchten. Es ist wahr, bis jetzt nahm man an, der geheime gei-

ankommt! Was will ich davon denken? Täuschen Sie mich? Wollen Sie mich aufziehen?

Es steht Ihnen ja frei, von diesen Dingen zu halten, was Sie wollen, versetzte der Arzt sehr kaltblütig. Daß ich keinen Propheten meiner Lehre aus Ihnen machen will, beweise Ihnen die Bitte, die ich an Sie richte, sich Ihres Schwures gewissenhaft eingedenk zu halten.

Er packte sein Geräth zusammen und schien Abschied nehmen zu wollen. Ich ergriff ihn bei der Hand. Bleiben Sie noch einige Augenblicke! rief ich leidenschaftlich; lassen Sie mich nicht in dem Dunkel, wohinein mich diese mystischen Eröffnungen gestoßen haben! Erklären Sie mir die Sache. Ich frage mit den Worten Luther's: Wie kann Wasser so große Dinge thun? In welchem Zusammenhange soll meine Handreichung mit der Herstellung jener Dame stehn?

Und wenn nun, versetzte er, jenes Wasser verborgene Kräfte besäße, die unsere wachen Sinne zu entdecken nur nicht fein genug wären? Ist es der Scheidekunst schon gelungen, die gewöhnlichen Mineralquellen vollständig zu entziffern? Bleibt nicht ein unbekanntes Etwas in ihnen übrig, was keine Kunst nachmachen kann? Uns scheint jenes Wasser von der Bäderlei gewöhnliches Wasser, die heilige Ekstase der Somnambüle, vor der es nichts Verborgenes giebt, muß doch wohl noch etwas Anderes darin sehn. Ich erinnre mich, sie sah es gelbröthlich leuchten. Es ist wahr, bis jetzt nahm man an, der geheime gei-

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[0028] ankommt! Was will ich davon denken? Täuschen Sie mich? Wollen Sie mich aufziehen? Es steht Ihnen ja frei, von diesen Dingen zu halten, was Sie wollen, versetzte der Arzt sehr kaltblütig. Daß ich keinen Propheten meiner Lehre aus Ihnen machen will, beweise Ihnen die Bitte, die ich an Sie richte, sich Ihres Schwures gewissenhaft eingedenk zu halten. Er packte sein Geräth zusammen und schien Abschied nehmen zu wollen. Ich ergriff ihn bei der Hand. Bleiben Sie noch einige Augenblicke! rief ich leidenschaftlich; lassen Sie mich nicht in dem Dunkel, wohinein mich diese mystischen Eröffnungen gestoßen haben! Erklären Sie mir die Sache. Ich frage mit den Worten Luther's: Wie kann Wasser so große Dinge thun? In welchem Zusammenhange soll meine Handreichung mit der Herstellung jener Dame stehn? Und wenn nun, versetzte er, jenes Wasser verborgene Kräfte besäße, die unsere wachen Sinne zu entdecken nur nicht fein genug wären? Ist es der Scheidekunst schon gelungen, die gewöhnlichen Mineralquellen vollständig zu entziffern? Bleibt nicht ein unbekanntes Etwas in ihnen übrig, was keine Kunst nachmachen kann? Uns scheint jenes Wasser von der Bäderlei gewöhnliches Wasser, die heilige Ekstase der Somnambüle, vor der es nichts Verborgenes giebt, muß doch wohl noch etwas Anderes darin sehn. Ich erinnre mich, sie sah es gelbröthlich leuchten. Es ist wahr, bis jetzt nahm man an, der geheime gei-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/28>, abgerufen am 25.04.2024.