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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Persönlichkeit vergessend, schaarten sich die Unbe-
friedigten und der Ehinger um das Lager, ent-
schlossen zum äußersten Widerstande gegen die
öffentliche Macht, welche ihnen den Helden ihrer
Hoffnungen und Aussichten rauben wollte. Selbst
Semilasso vergaß seinen Stand und stellte sich als
Camerad dicht neben den Ehinger, denn er dachte
nur an sein Institut nach dem Muster von Tra-
kehnen und an weiter nichts sonst. Vergebens
war es, daß der Bürgermeister Gehorsam dem Ge-
setze forderte, die Interessenten riefen, dieser Mann
sei über dem Gesetze. Der Bürgermeister aber,
der in seinem Amte nicht mit sich scherzen ließ,
sagte zu Marzeters: Der Kerls sind zu viele und
wir stehen gegen die Uebermacht, also lauft und
holt Bauernhülfe, Landsturm aus der nächsten
Nachbarschaft! Haben müssen wir ihn! -- Ihn, wie-
derholte Marzeters und lief fort. Auch die Dro-
hung schreckte indessen die Anhänger nicht, ihre
Mienen wurden nur noch entschlossener. Die Un-
befriedigten krämpelten ihre Rockärmel auf, der
Ehinger schwang seinen schweren Prügel, Semi-
lasso zog sogar einen türkischen Dolch, von dem er
behauptete, er sei an der Spitze vergiftet. Alles

Perſönlichkeit vergeſſend, ſchaarten ſich die Unbe-
friedigten und der Ehinger um das Lager, ent-
ſchloſſen zum äußerſten Widerſtande gegen die
öffentliche Macht, welche ihnen den Helden ihrer
Hoffnungen und Ausſichten rauben wollte. Selbſt
Semilaſſo vergaß ſeinen Stand und ſtellte ſich als
Camerad dicht neben den Ehinger, denn er dachte
nur an ſein Inſtitut nach dem Muſter von Tra-
kehnen und an weiter nichts ſonſt. Vergebens
war es, daß der Bürgermeiſter Gehorſam dem Ge-
ſetze forderte, die Intereſſenten riefen, dieſer Mann
ſei über dem Geſetze. Der Bürgermeiſter aber,
der in ſeinem Amte nicht mit ſich ſcherzen ließ,
ſagte zu Marzeters: Der Kerls ſind zu viele und
wir ſtehen gegen die Uebermacht, alſo lauft und
holt Bauernhülfe, Landſturm aus der nächſten
Nachbarſchaft! Haben müſſen wir ihn! — Ihn, wie-
derholte Marzeters und lief fort. Auch die Dro-
hung ſchreckte indeſſen die Anhänger nicht, ihre
Mienen wurden nur noch entſchloſſener. Die Un-
befriedigten krämpelten ihre Rockärmel auf, der
Ehinger ſchwang ſeinen ſchweren Prügel, Semi-
laſſo zog ſogar einen türkiſchen Dolch, von dem er
behauptete, er ſei an der Spitze vergiftet. Alles

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[336/0350] Perſönlichkeit vergeſſend, ſchaarten ſich die Unbe- friedigten und der Ehinger um das Lager, ent- ſchloſſen zum äußerſten Widerſtande gegen die öffentliche Macht, welche ihnen den Helden ihrer Hoffnungen und Ausſichten rauben wollte. Selbſt Semilaſſo vergaß ſeinen Stand und ſtellte ſich als Camerad dicht neben den Ehinger, denn er dachte nur an ſein Inſtitut nach dem Muſter von Tra- kehnen und an weiter nichts ſonſt. Vergebens war es, daß der Bürgermeiſter Gehorſam dem Ge- ſetze forderte, die Intereſſenten riefen, dieſer Mann ſei über dem Geſetze. Der Bürgermeiſter aber, der in ſeinem Amte nicht mit ſich ſcherzen ließ, ſagte zu Marzeters: Der Kerls ſind zu viele und wir ſtehen gegen die Uebermacht, alſo lauft und holt Bauernhülfe, Landſturm aus der nächſten Nachbarſchaft! Haben müſſen wir ihn! — Ihn, wie- derholte Marzeters und lief fort. Auch die Dro- hung ſchreckte indeſſen die Anhänger nicht, ihre Mienen wurden nur noch entſchloſſener. Die Un- befriedigten krämpelten ihre Rockärmel auf, der Ehinger ſchwang ſeinen ſchweren Prügel, Semi- laſſo zog ſogar einen türkiſchen Dolch, von dem er behauptete, er ſei an der Spitze vergiftet. Alles

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/350>, abgerufen am 28.03.2024.