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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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sahen struppicht unter dem Hute in einzelnen
Flocken hervor, die Augen starrten wild und glä-
sern -- so trieb er, ein komischer Lear, die Werke
des Wahnsinns, welchen Nachtwachen, Erwartungen,
Grübeln, Zorn und zuletzt die aberwitzigsten Phan-
tastereien in ihm ausgebrütet hatten. Er fuhr
mit großen Schritten auf der Bodenkammer hin
und her, ein Beil in der Hand; der Tisch war
zur Seite geschleudert, der alte Lehnstuhl lag in
Trümmern, um diese Trümmer hatte er Kleidungs-
stücke, Flaschen, Gerüll und Gerümpel aller Art,
welches die Bodenkammer verwahrte, aufgehäuft.
Jetzt lief er mit dem Beile an das Giebelfenster,
bog sich hinaus, hackte an der Stütze, welche gegen
die Giebelwand gelehnt war, dann kehrte er zu
dem Gerümpel zurück, nahm was er fassen konnte
und warf Kleider, Flaschen, zerbrochenes Geräth
zum Fenster hinaus. So wechselte er in seinen
verrückten Beschäftigungen von Secunde zu Se-
cunde ab und trieb dieselben mit solcher Anstren-
gung, daß ihm der Schweiß vom Haupte floß.
Dazwischen rief er mit voller und tönender Stimme
unverständliche Worte wie: Fort mit Euch! Fort
mit Euch Eindringlingen, erkennt Euren Herrn,

ſahen ſtruppicht unter dem Hute in einzelnen
Flocken hervor, die Augen ſtarrten wild und glä-
ſern — ſo trieb er, ein komiſcher Lear, die Werke
des Wahnſinns, welchen Nachtwachen, Erwartungen,
Grübeln, Zorn und zuletzt die aberwitzigſten Phan-
taſtereien in ihm ausgebrütet hatten. Er fuhr
mit großen Schritten auf der Bodenkammer hin
und her, ein Beil in der Hand; der Tiſch war
zur Seite geſchleudert, der alte Lehnſtuhl lag in
Trümmern, um dieſe Trümmer hatte er Kleidungs-
ſtücke, Flaſchen, Gerüll und Gerümpel aller Art,
welches die Bodenkammer verwahrte, aufgehäuft.
Jetzt lief er mit dem Beile an das Giebelfenſter,
bog ſich hinaus, hackte an der Stütze, welche gegen
die Giebelwand gelehnt war, dann kehrte er zu
dem Gerümpel zurück, nahm was er faſſen konnte
und warf Kleider, Flaſchen, zerbrochenes Geräth
zum Fenſter hinaus. So wechſelte er in ſeinen
verrückten Beſchäftigungen von Secunde zu Se-
cunde ab und trieb dieſelben mit ſolcher Anſtren-
gung, daß ihm der Schweiß vom Haupte floß.
Dazwiſchen rief er mit voller und tönender Stimme
unverſtändliche Worte wie: Fort mit Euch! Fort
mit Euch Eindringlingen, erkennt Euren Herrn,

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[379/0393] ſahen ſtruppicht unter dem Hute in einzelnen Flocken hervor, die Augen ſtarrten wild und glä- ſern — ſo trieb er, ein komiſcher Lear, die Werke des Wahnſinns, welchen Nachtwachen, Erwartungen, Grübeln, Zorn und zuletzt die aberwitzigſten Phan- taſtereien in ihm ausgebrütet hatten. Er fuhr mit großen Schritten auf der Bodenkammer hin und her, ein Beil in der Hand; der Tiſch war zur Seite geſchleudert, der alte Lehnſtuhl lag in Trümmern, um dieſe Trümmer hatte er Kleidungs- ſtücke, Flaſchen, Gerüll und Gerümpel aller Art, welches die Bodenkammer verwahrte, aufgehäuft. Jetzt lief er mit dem Beile an das Giebelfenſter, bog ſich hinaus, hackte an der Stütze, welche gegen die Giebelwand gelehnt war, dann kehrte er zu dem Gerümpel zurück, nahm was er faſſen konnte und warf Kleider, Flaſchen, zerbrochenes Geräth zum Fenſter hinaus. So wechſelte er in ſeinen verrückten Beſchäftigungen von Secunde zu Se- cunde ab und trieb dieſelben mit ſolcher Anſtren- gung, daß ihm der Schweiß vom Haupte floß. Dazwiſchen rief er mit voller und tönender Stimme unverſtändliche Worte wie: Fort mit Euch! Fort mit Euch Eindringlingen, erkennt Euren Herrn,

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/393>, abgerufen am 25.04.2024.