Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Ihr lieben, guten Hochzeitsleute,
Kommt morgen auf den Hof, nicht heute;
Der Bräutigam und auch die Braut
Die werden vom Herrn Pastor getraut,
Und wenn getraut ist, geht's zu Tisch,
Darauf wird seyn viel Fleisch, kein Fisch,
Es wird da seyn auch ein Stück Wurst,
Ist gut für den Hunger und weckt den Durst,
Auch findet Ihr einen oder mehrere Schinken,
Auf welche sich sehr gut läßt trinken,
Ein Mostertstück wird nicht vergessen,
Das sollt Ihr dann mit Mostert essen,
In der Suppe sind Hühner, die nicht krähn,
Das Beste sind vier Puterhähn,
Die lagen fünfzig Jahr' an der Kett'
Davon sind sie geworden fett,
Kommt Ihr zum Oberhofe nicht,
So seid Ihr Alle schlechte Wicht --

Der junge Bursche würde noch lange in diesen
Versen, die er laut schreiend mit eintönigem Fall
der Stimme vortrug, fortgefahren haben, wenn ihn
nicht der Hofschulze ungeduldig unterbrochen und
zu ihm gesagt hätte: Ich brauche deinen Spruch
nicht. Warum bleibt Hölscher aus?

Weil ich ihn statt gestern, erst heute früh ein-
geladen habe, erwiederte kleinlaut der Hochzeitbitter.
Sie hatten mir gestern überall so viel eingeschenkt,
daß ich gegen Abend duselig geworden war und

Ihr lieben, guten Hochzeitsleute,
Kommt morgen auf den Hof, nicht heute;
Der Bräutigam und auch die Braut
Die werden vom Herrn Paſtor getraut,
Und wenn getraut iſt, geht’s zu Tiſch,
Darauf wird ſeyn viel Fleiſch, kein Fiſch,
Es wird da ſeyn auch ein Stück Wurſt,
Iſt gut für den Hunger und weckt den Durſt,
Auch findet Ihr einen oder mehrere Schinken,
Auf welche ſich ſehr gut läßt trinken,
Ein Moſtertſtück wird nicht vergeſſen,
Das ſollt Ihr dann mit Moſtert eſſen,
In der Suppe ſind Hühner, die nicht krähn,
Das Beſte ſind vier Puterhähn,
Die lagen fünfzig Jahr’ an der Kett’
Davon ſind ſie geworden fett,
Kommt Ihr zum Oberhofe nicht,
So ſeid Ihr Alle ſchlechte Wicht —

Der junge Burſche würde noch lange in dieſen
Verſen, die er laut ſchreiend mit eintönigem Fall
der Stimme vortrug, fortgefahren haben, wenn ihn
nicht der Hofſchulze ungeduldig unterbrochen und
zu ihm geſagt hätte: Ich brauche deinen Spruch
nicht. Warum bleibt Hölſcher aus?

Weil ich ihn ſtatt geſtern, erſt heute früh ein-
geladen habe, erwiederte kleinlaut der Hochzeitbitter.
Sie hatten mir geſtern überall ſo viel eingeſchenkt,
daß ich gegen Abend duſelig geworden war und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0045" n="31"/>
          <lg type="poem">
            <l>Ihr lieben, guten Hochzeitsleute,</l><lb/>
            <l>Kommt morgen auf den Hof, nicht heute;</l><lb/>
            <l>Der Bräutigam und auch die Braut</l><lb/>
            <l>Die werden vom Herrn Pa&#x017F;tor getraut,</l><lb/>
            <l>Und wenn getraut i&#x017F;t, geht&#x2019;s zu Ti&#x017F;ch,</l><lb/>
            <l>Darauf wird &#x017F;eyn viel Flei&#x017F;ch, kein Fi&#x017F;ch,</l><lb/>
            <l>Es wird da &#x017F;eyn auch ein Stück Wur&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t gut für den Hunger und weckt den Dur&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Auch findet Ihr einen oder mehrere Schinken,</l><lb/>
            <l>Auf welche &#x017F;ich &#x017F;ehr gut läßt trinken,</l><lb/>
            <l>Ein Mo&#x017F;tert&#x017F;tück wird nicht verge&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Das &#x017F;ollt Ihr dann mit Mo&#x017F;tert e&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>In der Suppe &#x017F;ind Hühner, die nicht krähn,</l><lb/>
            <l>Das Be&#x017F;te &#x017F;ind vier Puterhähn,</l><lb/>
            <l>Die lagen fünfzig Jahr&#x2019; an der Kett&#x2019;</l><lb/>
            <l>Davon &#x017F;ind &#x017F;ie geworden fett,</l><lb/>
            <l>Kommt Ihr zum Oberhofe nicht,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;eid Ihr Alle &#x017F;chlechte Wicht &#x2014;</l>
          </lg><lb/>
          <p>Der junge Bur&#x017F;che würde noch lange in die&#x017F;en<lb/>
Ver&#x017F;en, die er laut &#x017F;chreiend mit eintönigem Fall<lb/>
der Stimme vortrug, fortgefahren haben, wenn ihn<lb/>
nicht der Hof&#x017F;chulze ungeduldig unterbrochen und<lb/>
zu ihm ge&#x017F;agt hätte: Ich brauche deinen Spruch<lb/>
nicht. Warum bleibt Höl&#x017F;cher aus?</p><lb/>
          <p>Weil ich ihn &#x017F;tatt ge&#x017F;tern, er&#x017F;t heute früh ein-<lb/>
geladen habe, erwiederte kleinlaut der Hochzeitbitter.<lb/>
Sie hatten mir ge&#x017F;tern überall &#x017F;o viel einge&#x017F;chenkt,<lb/>
daß ich gegen Abend du&#x017F;elig geworden war und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0045] Ihr lieben, guten Hochzeitsleute, Kommt morgen auf den Hof, nicht heute; Der Bräutigam und auch die Braut Die werden vom Herrn Paſtor getraut, Und wenn getraut iſt, geht’s zu Tiſch, Darauf wird ſeyn viel Fleiſch, kein Fiſch, Es wird da ſeyn auch ein Stück Wurſt, Iſt gut für den Hunger und weckt den Durſt, Auch findet Ihr einen oder mehrere Schinken, Auf welche ſich ſehr gut läßt trinken, Ein Moſtertſtück wird nicht vergeſſen, Das ſollt Ihr dann mit Moſtert eſſen, In der Suppe ſind Hühner, die nicht krähn, Das Beſte ſind vier Puterhähn, Die lagen fünfzig Jahr’ an der Kett’ Davon ſind ſie geworden fett, Kommt Ihr zum Oberhofe nicht, So ſeid Ihr Alle ſchlechte Wicht — Der junge Burſche würde noch lange in dieſen Verſen, die er laut ſchreiend mit eintönigem Fall der Stimme vortrug, fortgefahren haben, wenn ihn nicht der Hofſchulze ungeduldig unterbrochen und zu ihm geſagt hätte: Ich brauche deinen Spruch nicht. Warum bleibt Hölſcher aus? Weil ich ihn ſtatt geſtern, erſt heute früh ein- geladen habe, erwiederte kleinlaut der Hochzeitbitter. Sie hatten mir geſtern überall ſo viel eingeſchenkt, daß ich gegen Abend duſelig geworden war und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/45
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/45>, abgerufen am 28.03.2024.