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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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nen, würde haben zugestehen müssen, daß dort die
leidenschaftlichste Tragödie im Gange sei.

Es war so spät geworden, daß die Nachbarn
sich zurückgezogen, die Knechte und Mägde sich
schlafen gelegt hatten und das Feuer auf dem
Heerde erloschen war. Der Hofschulze verschloß
darnach alle Thüren des Hauses und bereitete sich
zu seinem Werke, welches er für die Nacht erspart
hatte. Für ganz einsam hielt er sich, aber er war
belauscht. Als die Thüren abgeschlossen wurden,
schlich sich eine dunkele Gestalt zu der Spähestelle
im Eichenkamp und setzte sich dort nieder, das
Gesicht nach dem Oberhofe gewendet. Es war
der einäugige Spielmann, welcher inzwischen ge-
hört hatte, daß sein Feind nicht am Schlage ge-
storben sei und nun sehen wollte, ob ihm nicht
wenigstens die Qual aufliege, welche der Rachsüch-
tige ihm in heißem Grimme anwünschte. Nicht
lange durfte er auf die Freude dieses Anblicks
warten. Denn bald leuchtete in dem dunkelgewor-
denen Oberhofe ein Licht auf. -- Aha, sagte der
Spielmann, jetzt giebt er sich an's Suchen. --
Das Licht begann eine Wanderung, jetzt erschien
es hier, dann zeigte es sich da. -- Nun sucht er

nen, würde haben zugeſtehen müſſen, daß dort die
leidenſchaftlichſte Tragödie im Gange ſei.

Es war ſo ſpät geworden, daß die Nachbarn
ſich zurückgezogen, die Knechte und Mägde ſich
ſchlafen gelegt hatten und das Feuer auf dem
Heerde erloſchen war. Der Hofſchulze verſchloß
darnach alle Thüren des Hauſes und bereitete ſich
zu ſeinem Werke, welches er für die Nacht erſpart
hatte. Für ganz einſam hielt er ſich, aber er war
belauſcht. Als die Thüren abgeſchloſſen wurden,
ſchlich ſich eine dunkele Geſtalt zu der Späheſtelle
im Eichenkamp und ſetzte ſich dort nieder, das
Geſicht nach dem Oberhofe gewendet. Es war
der einäugige Spielmann, welcher inzwiſchen ge-
hört hatte, daß ſein Feind nicht am Schlage ge-
ſtorben ſei und nun ſehen wollte, ob ihm nicht
wenigſtens die Qual aufliege, welche der Rachſüch-
tige ihm in heißem Grimme anwünſchte. Nicht
lange durfte er auf die Freude dieſes Anblicks
warten. Denn bald leuchtete in dem dunkelgewor-
denen Oberhofe ein Licht auf. — Aha, ſagte der
Spielmann, jetzt giebt er ſich an’s Suchen. —
Das Licht begann eine Wanderung, jetzt erſchien
es hier, dann zeigte es ſich da. — Nun ſucht er

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[93/0105] nen, würde haben zugeſtehen müſſen, daß dort die leidenſchaftlichſte Tragödie im Gange ſei. Es war ſo ſpät geworden, daß die Nachbarn ſich zurückgezogen, die Knechte und Mägde ſich ſchlafen gelegt hatten und das Feuer auf dem Heerde erloſchen war. Der Hofſchulze verſchloß darnach alle Thüren des Hauſes und bereitete ſich zu ſeinem Werke, welches er für die Nacht erſpart hatte. Für ganz einſam hielt er ſich, aber er war belauſcht. Als die Thüren abgeſchloſſen wurden, ſchlich ſich eine dunkele Geſtalt zu der Späheſtelle im Eichenkamp und ſetzte ſich dort nieder, das Geſicht nach dem Oberhofe gewendet. Es war der einäugige Spielmann, welcher inzwiſchen ge- hört hatte, daß ſein Feind nicht am Schlage ge- ſtorben ſei und nun ſehen wollte, ob ihm nicht wenigſtens die Qual aufliege, welche der Rachſüch- tige ihm in heißem Grimme anwünſchte. Nicht lange durfte er auf die Freude dieſes Anblicks warten. Denn bald leuchtete in dem dunkelgewor- denen Oberhofe ein Licht auf. — Aha, ſagte der Spielmann, jetzt giebt er ſich an’s Suchen. — Das Licht begann eine Wanderung, jetzt erſchien es hier, dann zeigte es ſich da. — Nun ſucht er

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/105>, abgerufen am 19.04.2024.