Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Oben achtete er dessen nicht, daß er mit dem
brennenden Lichte neben Stroh und Heu vorbei-
ging; eine Unvorsichtigkeit, wofür jeder Knecht
ohnfehlbar den Dienst bei ihm verwirkt haben
würde. Geraden Schrittes ging er auf den Ver-
schlag zu, worin Oswald so unbequeme und doch
so glückselige Nachtstunden zugebracht hatte. Mit
der Sicherheit Eines, der weiß, daß ihn seine
Vermuthung nicht täuscht, machte er die Thüre
auf und sah sich im Verschlage um.

Aber als er nun das Lagerstroh umgekehrt und
die wenigen Sachen, welche der enge, kahle Raum
enthielt, hinweggethan hatte, brach er gewaltsam
zusammen. Denn zwischen diesen vier leeren Bret-
terwänden war das Schwert Karl's des Großen
auch nicht zu finden. Das brennende Licht ent-
sank seiner Hand, er setzte sich oder fiel vielmehr
auf einen dort stehenden Kasten und stieß einen
furchtbaren Schrei aus, einen von den Lauten,
die sich nicht beschreiben lassen, weil die Natur
in ihnen ihre eigensten, nur sich selbst vorbehalte-
nen Rechte übt.

Das Licht schwelte mit seiner Flamme auf
dem Fußboden in der Nähe des umherzerstreuten

7*

Oben achtete er deſſen nicht, daß er mit dem
brennenden Lichte neben Stroh und Heu vorbei-
ging; eine Unvorſichtigkeit, wofür jeder Knecht
ohnfehlbar den Dienſt bei ihm verwirkt haben
würde. Geraden Schrittes ging er auf den Ver-
ſchlag zu, worin Oswald ſo unbequeme und doch
ſo glückſelige Nachtſtunden zugebracht hatte. Mit
der Sicherheit Eines, der weiß, daß ihn ſeine
Vermuthung nicht täuſcht, machte er die Thüre
auf und ſah ſich im Verſchlage um.

Aber als er nun das Lagerſtroh umgekehrt und
die wenigen Sachen, welche der enge, kahle Raum
enthielt, hinweggethan hatte, brach er gewaltſam
zuſammen. Denn zwiſchen dieſen vier leeren Bret-
terwänden war das Schwert Karl’s des Großen
auch nicht zu finden. Das brennende Licht ent-
ſank ſeiner Hand, er ſetzte ſich oder fiel vielmehr
auf einen dort ſtehenden Kaſten und ſtieß einen
furchtbaren Schrei aus, einen von den Lauten,
die ſich nicht beſchreiben laſſen, weil die Natur
in ihnen ihre eigenſten, nur ſich ſelbſt vorbehalte-
nen Rechte übt.

Das Licht ſchwelte mit ſeiner Flamme auf
dem Fußboden in der Nähe des umherzerſtreuten

7*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0111" n="99"/>
          <p>Oben achtete er de&#x017F;&#x017F;en nicht, daß er mit dem<lb/>
brennenden Lichte neben Stroh und Heu vorbei-<lb/>
ging; eine Unvor&#x017F;ichtigkeit, wofür jeder Knecht<lb/>
ohnfehlbar den Dien&#x017F;t bei ihm verwirkt haben<lb/>
würde. Geraden Schrittes ging er auf den Ver-<lb/>
&#x017F;chlag zu, worin Oswald &#x017F;o unbequeme und doch<lb/>
&#x017F;o glück&#x017F;elige Nacht&#x017F;tunden zugebracht hatte. Mit<lb/>
der Sicherheit Eines, der weiß, daß ihn &#x017F;eine<lb/>
Vermuthung nicht täu&#x017F;cht, machte er die Thüre<lb/>
auf und &#x017F;ah &#x017F;ich im Ver&#x017F;chlage um.</p><lb/>
          <p>Aber als er nun das Lager&#x017F;troh umgekehrt und<lb/>
die wenigen Sachen, welche der enge, kahle Raum<lb/>
enthielt, hinweggethan hatte, brach er gewalt&#x017F;am<lb/>
zu&#x017F;ammen. Denn zwi&#x017F;chen die&#x017F;en vier leeren Bret-<lb/>
terwänden war das Schwert Karl&#x2019;s des Großen<lb/>
auch nicht zu finden. Das brennende Licht ent-<lb/>
&#x017F;ank &#x017F;einer Hand, er &#x017F;etzte &#x017F;ich oder fiel vielmehr<lb/>
auf einen dort &#x017F;tehenden Ka&#x017F;ten und &#x017F;tieß einen<lb/>
furchtbaren Schrei aus, einen von den Lauten,<lb/>
die &#x017F;ich nicht be&#x017F;chreiben la&#x017F;&#x017F;en, weil die Natur<lb/>
in ihnen ihre eigen&#x017F;ten, nur &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vorbehalte-<lb/>
nen Rechte übt.</p><lb/>
          <p>Das Licht &#x017F;chwelte mit &#x017F;einer Flamme auf<lb/>
dem Fußboden in der Nähe des umherzer&#x017F;treuten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0111] Oben achtete er deſſen nicht, daß er mit dem brennenden Lichte neben Stroh und Heu vorbei- ging; eine Unvorſichtigkeit, wofür jeder Knecht ohnfehlbar den Dienſt bei ihm verwirkt haben würde. Geraden Schrittes ging er auf den Ver- ſchlag zu, worin Oswald ſo unbequeme und doch ſo glückſelige Nachtſtunden zugebracht hatte. Mit der Sicherheit Eines, der weiß, daß ihn ſeine Vermuthung nicht täuſcht, machte er die Thüre auf und ſah ſich im Verſchlage um. Aber als er nun das Lagerſtroh umgekehrt und die wenigen Sachen, welche der enge, kahle Raum enthielt, hinweggethan hatte, brach er gewaltſam zuſammen. Denn zwiſchen dieſen vier leeren Bret- terwänden war das Schwert Karl’s des Großen auch nicht zu finden. Das brennende Licht ent- ſank ſeiner Hand, er ſetzte ſich oder fiel vielmehr auf einen dort ſtehenden Kaſten und ſtieß einen furchtbaren Schrei aus, einen von den Lauten, die ſich nicht beſchreiben laſſen, weil die Natur in ihnen ihre eigenſten, nur ſich ſelbſt vorbehalte- nen Rechte übt. Das Licht ſchwelte mit ſeiner Flamme auf dem Fußboden in der Nähe des umherzerſtreuten 7*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/111
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/111>, abgerufen am 19.04.2024.