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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Amtseide versichern, uns künftiges Jahr in Wien
Revanche zu geben. Daß man aber, wenn man
gern mit seinem jungen Manne in's Weite möchte,
ungern zu lange bei einem kranken Vetter bleibt,
der sein Tage nicht vernünftig werden wird --

Er leidet noch sehr, sagte der Diaconus ernst.

Bin ich denn gefühllos für sein Leiden? warf
Clelia kurz ein. Hätte ich noch Vergnügen in
Holland und England, wenn ich sein krankes Bild
mit mir nähme? Bin ich ihm nicht herzlich gut?
Sehne ich mich nicht, ihm zwanzig Küsse auf die
dummen Lippen zu geben, zwischen denen sein Blut
hervorstürzte? Aber ist deßhalb ein solcher Wacht-
posten bei einem Siechenbette, zu dem Einen der
Arzt nicht einmal hinzuläßt, etwas Angenehmes?
-- Und sein Sie nur ganz aufrichtig, lieber Herr
Pastor, Ihre kleine Frau sähe auch nicht ungern
einen gewissen Reisewagen anspannen.

Wie können Sie nur so etwas denken, meine
Gnädige! rief der Diaconus etwas verlegen, denn
er erinnerte sich an den Text einiger Gardinen-
predigten.

Schelmisch fuhr Clelia fort: Ich müßte mich
auf hochrothe Wangen und auf einen gewissen Glanz

Immermann's Münchhausen. 4. Th. 12

Amtseide verſichern, uns künftiges Jahr in Wien
Revanche zu geben. Daß man aber, wenn man
gern mit ſeinem jungen Manne in’s Weite möchte,
ungern zu lange bei einem kranken Vetter bleibt,
der ſein Tage nicht vernünftig werden wird —

Er leidet noch ſehr, ſagte der Diaconus ernſt.

Bin ich denn gefühllos für ſein Leiden? warf
Clelia kurz ein. Hätte ich noch Vergnügen in
Holland und England, wenn ich ſein krankes Bild
mit mir nähme? Bin ich ihm nicht herzlich gut?
Sehne ich mich nicht, ihm zwanzig Küſſe auf die
dummen Lippen zu geben, zwiſchen denen ſein Blut
hervorſtürzte? Aber iſt deßhalb ein ſolcher Wacht-
poſten bei einem Siechenbette, zu dem Einen der
Arzt nicht einmal hinzuläßt, etwas Angenehmes?
— Und ſein Sie nur ganz aufrichtig, lieber Herr
Paſtor, Ihre kleine Frau ſähe auch nicht ungern
einen gewiſſen Reiſewagen anſpannen.

Wie können Sie nur ſo etwas denken, meine
Gnädige! rief der Diaconus etwas verlegen, denn
er erinnerte ſich an den Text einiger Gardinen-
predigten.

Schelmiſch fuhr Clelia fort: Ich müßte mich
auf hochrothe Wangen und auf einen gewiſſen Glanz

Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 12
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[177/0189] Amtseide verſichern, uns künftiges Jahr in Wien Revanche zu geben. Daß man aber, wenn man gern mit ſeinem jungen Manne in’s Weite möchte, ungern zu lange bei einem kranken Vetter bleibt, der ſein Tage nicht vernünftig werden wird — Er leidet noch ſehr, ſagte der Diaconus ernſt. Bin ich denn gefühllos für ſein Leiden? warf Clelia kurz ein. Hätte ich noch Vergnügen in Holland und England, wenn ich ſein krankes Bild mit mir nähme? Bin ich ihm nicht herzlich gut? Sehne ich mich nicht, ihm zwanzig Küſſe auf die dummen Lippen zu geben, zwiſchen denen ſein Blut hervorſtürzte? Aber iſt deßhalb ein ſolcher Wacht- poſten bei einem Siechenbette, zu dem Einen der Arzt nicht einmal hinzuläßt, etwas Angenehmes? — Und ſein Sie nur ganz aufrichtig, lieber Herr Paſtor, Ihre kleine Frau ſähe auch nicht ungern einen gewiſſen Reiſewagen anſpannen. Wie können Sie nur ſo etwas denken, meine Gnädige! rief der Diaconus etwas verlegen, denn er erinnerte ſich an den Text einiger Gardinen- predigten. Schelmiſch fuhr Clelia fort: Ich müßte mich auf hochrothe Wangen und auf einen gewiſſen Glanz Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 12

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/189>, abgerufen am 25.04.2024.