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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Stande gekommen. Auch er überzeugte sich zwar,
daß die Sache verjährt sei, gleichwohl meinte er,
sie habe eine solche Gestalt, daß wenigstens das
Thatsächliche in aller Form Rechtens festgestellt
werden müsse. Der Amtseifer des Geschäftsman-
nes wurde selbst durch den traurigen Zwischen-
fall mit seinem jungen Freunde nicht von dieser
Bahn abgeleitet. Er trug daher, was er geschrie-
ben, zu dem Vorstande des Gerichts, gab die
nöthigen Erläuterungen dazu und das Gericht ging
ebenfalls in die Ansicht ein, daß ein geständiger
Mörder wenn auch von noch so alter Zeit her,
wenigstens vor der Hand nicht auf freien Füßen
stehen und unverhört bleiben dürfe.

Man schritt daher gegen den Patriotencaspar
zur Verhaftung. Dieser hielt von dem Leiterwagen
herunter, auf dem man ihn einbrachte, Reden an
das Volk, verfluchte die Gerichte von seines Glei-
chen und pries die Gerichte des Königs, vor denen
er nunmehr seine alte Schuld abbüßen wolle. Zu-
gleich berühmte er sich des Torts, den er seinem
Todfeinde angethan. Das Gericht wollte sich in-
dessen auch nicht so ohne Weiteres mit einer viel-
leicht nachher getadelten Arbeit belasten, fragte

Stande gekommen. Auch er überzeugte ſich zwar,
daß die Sache verjährt ſei, gleichwohl meinte er,
ſie habe eine ſolche Geſtalt, daß wenigſtens das
Thatſächliche in aller Form Rechtens feſtgeſtellt
werden müſſe. Der Amtseifer des Geſchäftsman-
nes wurde ſelbſt durch den traurigen Zwiſchen-
fall mit ſeinem jungen Freunde nicht von dieſer
Bahn abgeleitet. Er trug daher, was er geſchrie-
ben, zu dem Vorſtande des Gerichts, gab die
nöthigen Erläuterungen dazu und das Gericht ging
ebenfalls in die Anſicht ein, daß ein geſtändiger
Mörder wenn auch von noch ſo alter Zeit her,
wenigſtens vor der Hand nicht auf freien Füßen
ſtehen und unverhört bleiben dürfe.

Man ſchritt daher gegen den Patriotencaspar
zur Verhaftung. Dieſer hielt von dem Leiterwagen
herunter, auf dem man ihn einbrachte, Reden an
das Volk, verfluchte die Gerichte von ſeines Glei-
chen und pries die Gerichte des Königs, vor denen
er nunmehr ſeine alte Schuld abbüßen wolle. Zu-
gleich berühmte er ſich des Torts, den er ſeinem
Todfeinde angethan. Das Gericht wollte ſich in-
deſſen auch nicht ſo ohne Weiteres mit einer viel-
leicht nachher getadelten Arbeit belaſten, fragte

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[230/0242] Stande gekommen. Auch er überzeugte ſich zwar, daß die Sache verjährt ſei, gleichwohl meinte er, ſie habe eine ſolche Geſtalt, daß wenigſtens das Thatſächliche in aller Form Rechtens feſtgeſtellt werden müſſe. Der Amtseifer des Geſchäftsman- nes wurde ſelbſt durch den traurigen Zwiſchen- fall mit ſeinem jungen Freunde nicht von dieſer Bahn abgeleitet. Er trug daher, was er geſchrie- ben, zu dem Vorſtande des Gerichts, gab die nöthigen Erläuterungen dazu und das Gericht ging ebenfalls in die Anſicht ein, daß ein geſtändiger Mörder wenn auch von noch ſo alter Zeit her, wenigſtens vor der Hand nicht auf freien Füßen ſtehen und unverhört bleiben dürfe. Man ſchritt daher gegen den Patriotencaspar zur Verhaftung. Dieſer hielt von dem Leiterwagen herunter, auf dem man ihn einbrachte, Reden an das Volk, verfluchte die Gerichte von ſeines Glei- chen und pries die Gerichte des Königs, vor denen er nunmehr ſeine alte Schuld abbüßen wolle. Zu- gleich berühmte er ſich des Torts, den er ſeinem Todfeinde angethan. Das Gericht wollte ſich in- deſſen auch nicht ſo ohne Weiteres mit einer viel- leicht nachher getadelten Arbeit belaſten, fragte

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/242>, abgerufen am 29.03.2024.