Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

stehen, in welchem so feindliche Töne zusam-
menkommen, das sie in einander schmelzen, zu
einer Melodie vereinigen soll? Alle Saiten des
Instruments müssen nach einander springen,
und der Sangboden selbst. Liebste Sylli, ich
ertrags nicht. O, daß ich bey Dir wäre, oder
ich dürfte meine Lenore für Dich missen! Wir
entbehrten gern einander; opferten noch viel
mehr auf, wenn Dir damit geholfen wäre.
Sage: ob Du eine von uns willst, und welche?
So unvollkommen auch die Theilnehmung wä-
re, die Du bey uns guten Kindern fändest; so
wäre sie doch rein, voll in ihrem Maaße und
innig. Unsere Augen, Sylli, ließen gewiß
die meisten Deiner Blicke ein. So gewönne
Deine Seele Raum; erhielte eine Stätte, wo
sie einen Theil ihres Lebens hinflüchten und
aufbewahren könnte. -- Sage, Liebe; soll ich
kommen? Ich fühle seit einiger Zeit einen aus-
serordentlichen Trieb wieder einmal um Dich
zu seyn, und wollte Dich schon jüngst mit An-
schlägen dazu unterhalten. Damals war es
mir fast allein um mich zu thun. Ich hätte

E

ſtehen, in welchem ſo feindliche Toͤne zuſam-
menkommen, das ſie in einander ſchmelzen, zu
einer Melodie vereinigen ſoll? Alle Saiten des
Inſtruments muͤſſen nach einander ſpringen,
und der Sangboden ſelbſt. Liebſte Sylli, ich
ertrags nicht. O, daß ich bey Dir waͤre, oder
ich duͤrfte meine Lenore fuͤr Dich miſſen! Wir
entbehrten gern einander; opferten noch viel
mehr auf, wenn Dir damit geholfen waͤre.
Sage: ob Du eine von uns willſt, und welche?
So unvollkommen auch die Theilnehmung waͤ-
re, die Du bey uns guten Kindern faͤndeſt; ſo
waͤre ſie doch rein, voll in ihrem Maaße und
innig. Unſere Augen, Sylli, ließen gewiß
die meiſten Deiner Blicke ein. So gewoͤnne
Deine Seele Raum; erhielte eine Staͤtte, wo
ſie einen Theil ihres Lebens hinfluͤchten und
aufbewahren koͤnnte. — Sage, Liebe; ſoll ich
kommen? Ich fuͤhle ſeit einiger Zeit einen auſ-
ſerordentlichen Trieb wieder einmal um Dich
zu ſeyn, und wollte Dich ſchon juͤngſt mit An-
ſchlaͤgen dazu unterhalten. Damals war es
mir faſt allein um mich zu thun. Ich haͤtte

E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0103" n="65"/>
&#x017F;tehen, in welchem &#x017F;o feindliche To&#x0364;ne zu&#x017F;am-<lb/>
menkommen, das &#x017F;ie in einander &#x017F;chmelzen, zu<lb/>
einer Melodie vereinigen &#x017F;oll? Alle Saiten des<lb/>
In&#x017F;truments mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nach einander &#x017F;pringen,<lb/>
und der Sangboden &#x017F;elb&#x017F;t. Lieb&#x017F;te Sylli, ich<lb/>
ertrags nicht. O, daß ich bey Dir wa&#x0364;re, oder<lb/>
ich du&#x0364;rfte meine Lenore fu&#x0364;r Dich mi&#x017F;&#x017F;en! Wir<lb/>
entbehrten gern einander; opferten noch viel<lb/>
mehr auf, wenn Dir damit geholfen wa&#x0364;re.<lb/>
Sage: ob Du eine von uns will&#x017F;t, und welche?<lb/>
So unvollkommen auch die Theilnehmung wa&#x0364;-<lb/>
re, die Du bey uns guten Kindern fa&#x0364;nde&#x017F;t; &#x017F;o<lb/>
wa&#x0364;re &#x017F;ie doch rein, voll in ihrem Maaße und<lb/>
innig. Un&#x017F;ere Augen, Sylli, ließen gewiß<lb/>
die mei&#x017F;ten Deiner Blicke ein. So gewo&#x0364;nne<lb/>
Deine Seele Raum; erhielte eine Sta&#x0364;tte, wo<lb/>
&#x017F;ie einen Theil ihres Lebens hinflu&#x0364;chten und<lb/>
aufbewahren ko&#x0364;nnte. &#x2014; Sage, Liebe; &#x017F;oll ich<lb/>
kommen? Ich fu&#x0364;hle &#x017F;eit einiger Zeit einen au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erordentlichen Trieb wieder einmal um Dich<lb/>
zu &#x017F;eyn, und wollte Dich &#x017F;chon ju&#x0364;ng&#x017F;t mit An-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;gen dazu unterhalten. Damals war es<lb/>
mir fa&#x017F;t allein um mich zu thun. Ich ha&#x0364;tte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0103] ſtehen, in welchem ſo feindliche Toͤne zuſam- menkommen, das ſie in einander ſchmelzen, zu einer Melodie vereinigen ſoll? Alle Saiten des Inſtruments muͤſſen nach einander ſpringen, und der Sangboden ſelbſt. Liebſte Sylli, ich ertrags nicht. O, daß ich bey Dir waͤre, oder ich duͤrfte meine Lenore fuͤr Dich miſſen! Wir entbehrten gern einander; opferten noch viel mehr auf, wenn Dir damit geholfen waͤre. Sage: ob Du eine von uns willſt, und welche? So unvollkommen auch die Theilnehmung waͤ- re, die Du bey uns guten Kindern faͤndeſt; ſo waͤre ſie doch rein, voll in ihrem Maaße und innig. Unſere Augen, Sylli, ließen gewiß die meiſten Deiner Blicke ein. So gewoͤnne Deine Seele Raum; erhielte eine Staͤtte, wo ſie einen Theil ihres Lebens hinfluͤchten und aufbewahren koͤnnte. — Sage, Liebe; ſoll ich kommen? Ich fuͤhle ſeit einiger Zeit einen auſ- ſerordentlichen Trieb wieder einmal um Dich zu ſeyn, und wollte Dich ſchon juͤngſt mit An- ſchlaͤgen dazu unterhalten. Damals war es mir faſt allein um mich zu thun. Ich haͤtte E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/103
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/103>, abgerufen am 28.03.2024.