Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
IX.
Eduard Allwill an Clemens von
Wallberg.

Allerdings hätte ich Dein Verlangen eher er-
füllen sollen. Wo eigentliche Freundschaft ist,
da sind auch Ansprüche; und diese müssen von
beyden Seiten laut anerkannt werden und
überall gelten, oder der Henker soll den losen
nichtswürdigen Bettel -- an den Galgen han-
gen. Also verzeih, Lieber, und laß mich Dei-
ne weiteren Vorstellungen übergehen. Du
weißt ja, wie sehr ich Deiner Meynung bin;
weißt, was ich für ein Gesicht machte, wann
ich von Leuten hörte, die sich einander so lieb
hätten, daß sie sich gar nicht um einander be-
kümmerten: denn im Grunde ist es das, wenn
man sich einander alles nachsehen kann.
Fratzen! Mein Eckel daran nimmt von Tage
zu Tage zu: aber mich darüber zu erboßen,
wie ehedem, so kein Thor bin ich länger; ich
will mich nicht einmal darüber mehr ärgern.

IX.
Eduard Allwill an Clemens von
Wallberg.

Allerdings haͤtte ich Dein Verlangen eher er-
fuͤllen ſollen. Wo eigentliche Freundſchaft iſt,
da ſind auch Anſpruͤche; und dieſe muͤſſen von
beyden Seiten laut anerkannt werden und
uͤberall gelten, oder der Henker ſoll den loſen
nichtswuͤrdigen Bettel — an den Galgen han-
gen. Alſo verzeih, Lieber, und laß mich Dei-
ne weiteren Vorſtellungen uͤbergehen. Du
weißt ja, wie ſehr ich Deiner Meynung bin;
weißt, was ich fuͤr ein Geſicht machte, wann
ich von Leuten hoͤrte, die ſich einander ſo lieb
haͤtten, daß ſie ſich gar nicht um einander be-
kuͤmmerten: denn im Grunde iſt es das, wenn
man ſich einander alles nachſehen kann.
Fratzen! Mein Eckel daran nimmt von Tage
zu Tage zu: aber mich daruͤber zu erboßen,
wie ehedem, ſo kein Thor bin ich laͤnger; ich
will mich nicht einmal daruͤber mehr aͤrgern.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0106" n="68"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IX.</hi><lb/>
Eduard Allwill an Clemens von<lb/>
Wallberg.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">A</hi>llerdings ha&#x0364;tte ich Dein Verlangen eher er-<lb/>
fu&#x0364;llen &#x017F;ollen. Wo eigentliche Freund&#x017F;chaft i&#x017F;t,<lb/>
da &#x017F;ind auch An&#x017F;pru&#x0364;che; und die&#x017F;e mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en von<lb/>
beyden Seiten laut anerkannt werden und<lb/>
u&#x0364;berall gelten, oder der Henker &#x017F;oll den lo&#x017F;en<lb/>
nichtswu&#x0364;rdigen Bettel &#x2014; an den Galgen han-<lb/>
gen. Al&#x017F;o verzeih, Lieber, und laß mich Dei-<lb/>
ne weiteren Vor&#x017F;tellungen u&#x0364;bergehen. Du<lb/>
weißt ja, wie &#x017F;ehr ich Deiner Meynung bin;<lb/>
weißt, was ich fu&#x0364;r ein Ge&#x017F;icht machte, wann<lb/>
ich von Leuten ho&#x0364;rte, die &#x017F;ich einander &#x017F;o lieb<lb/>
ha&#x0364;tten, daß &#x017F;ie &#x017F;ich gar nicht um einander be-<lb/>
ku&#x0364;mmerten: denn im Grunde i&#x017F;t es das, wenn<lb/>
man &#x017F;ich einander alles nach&#x017F;ehen kann.<lb/>
Fratzen! Mein Eckel daran nimmt von Tage<lb/>
zu Tage zu: aber mich daru&#x0364;ber zu erboßen,<lb/>
wie ehedem, &#x017F;o kein Thor bin ich la&#x0364;nger; ich<lb/>
will mich nicht einmal daru&#x0364;ber mehr a&#x0364;rgern.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0106] IX. Eduard Allwill an Clemens von Wallberg. Allerdings haͤtte ich Dein Verlangen eher er- fuͤllen ſollen. Wo eigentliche Freundſchaft iſt, da ſind auch Anſpruͤche; und dieſe muͤſſen von beyden Seiten laut anerkannt werden und uͤberall gelten, oder der Henker ſoll den loſen nichtswuͤrdigen Bettel — an den Galgen han- gen. Alſo verzeih, Lieber, und laß mich Dei- ne weiteren Vorſtellungen uͤbergehen. Du weißt ja, wie ſehr ich Deiner Meynung bin; weißt, was ich fuͤr ein Geſicht machte, wann ich von Leuten hoͤrte, die ſich einander ſo lieb haͤtten, daß ſie ſich gar nicht um einander be- kuͤmmerten: denn im Grunde iſt es das, wenn man ſich einander alles nachſehen kann. Fratzen! Mein Eckel daran nimmt von Tage zu Tage zu: aber mich daruͤber zu erboßen, wie ehedem, ſo kein Thor bin ich laͤnger; ich will mich nicht einmal daruͤber mehr aͤrgern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/106
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/106>, abgerufen am 29.03.2024.