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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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Es behagt nun einmal den Menschen, sie
sind darüber einig, sich einander etwas weiß
zu machen, und es kommt auch selten jemand
dabey zu kurz. Was brauchen die Leute sich
weiter lieb zu haben? woher und wozu? Sie
haben ganz andre Dinge an einander zu be-
stellen; geht es damit voran, so bleibt das
gute Vernehmen, ohne daß sich der eine um
den andern viel zu bekümmern hat. Indessen,
Lieber, wollen wir uns doch nicht verhehlen,
was der eigentliche Geist jener freundlichen
Toleranz und edlen Unbefangenheit ist:
Gleichgültigkeit und Betteley! --
Also noch einmal, Bruder, verzeih mein Un-
recht; aber daß ich mich bessern werde, dar-
auf mußt Du nicht zu sicher rechnen.

Bisher habe ich es mit allem zu ernstlich
gemeynt; ich spüre, daß man dabey zu Grun-
de geht, und für nichts. Wie ichs hinführo
anders machen werde, weiß der Himmel. Ich
bin, von innen und von aussen, in einem wun-
derbaren Gedränge. Etwas Ruhe habe ich

E 3

Es behagt nun einmal den Menſchen, ſie
ſind daruͤber einig, ſich einander etwas weiß
zu machen, und es kommt auch ſelten jemand
dabey zu kurz. Was brauchen die Leute ſich
weiter lieb zu haben? woher und wozu? Sie
haben ganz andre Dinge an einander zu be-
ſtellen; geht es damit voran, ſo bleibt das
gute Vernehmen, ohne daß ſich der eine um
den andern viel zu bekuͤmmern hat. Indeſſen,
Lieber, wollen wir uns doch nicht verhehlen,
was der eigentliche Geiſt jener freundlichen
Toleranz und edlen Unbefangenheit iſt:
Gleichguͤltigkeit und Betteley! —
Alſo noch einmal, Bruder, verzeih mein Un-
recht; aber daß ich mich beſſern werde, dar-
auf mußt Du nicht zu ſicher rechnen.

Bisher habe ich es mit allem zu ernſtlich
gemeynt; ich ſpuͤre, daß man dabey zu Grun-
de geht, und fuͤr nichts. Wie ichs hinfuͤhro
anders machen werde, weiß der Himmel. Ich
bin, von innen und von auſſen, in einem wun-
derbaren Gedraͤnge. Etwas Ruhe habe ich

E 3
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[69/0107] Es behagt nun einmal den Menſchen, ſie ſind daruͤber einig, ſich einander etwas weiß zu machen, und es kommt auch ſelten jemand dabey zu kurz. Was brauchen die Leute ſich weiter lieb zu haben? woher und wozu? Sie haben ganz andre Dinge an einander zu be- ſtellen; geht es damit voran, ſo bleibt das gute Vernehmen, ohne daß ſich der eine um den andern viel zu bekuͤmmern hat. Indeſſen, Lieber, wollen wir uns doch nicht verhehlen, was der eigentliche Geiſt jener freundlichen Toleranz und edlen Unbefangenheit iſt: Gleichguͤltigkeit und Betteley! — Alſo noch einmal, Bruder, verzeih mein Un- recht; aber daß ich mich beſſern werde, dar- auf mußt Du nicht zu ſicher rechnen. Bisher habe ich es mit allem zu ernſtlich gemeynt; ich ſpuͤre, daß man dabey zu Grun- de geht, und fuͤr nichts. Wie ichs hinfuͤhro anders machen werde, weiß der Himmel. Ich bin, von innen und von auſſen, in einem wun- derbaren Gedraͤnge. Etwas Ruhe habe ich E 3

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/107>, abgerufen am 28.03.2024.