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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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sehen zwar nicht den Zusammenhang einer
eintzigen Käsemilbe, und die Philosophische
Historie erzählt Exempel genug, auf was
für Thorheiten die Weisen verfallen sind,
wenn sie sich mit ihrem Urtheil von dem
grossen Zusammenhange der Welt und al-
ler ihrer Theile so weit haben wagen wol-
len, daß sie fest gesetzt, was dem Gantzen
etwa nutze oder nicht: Aber die haben alle
so weit nicht gesehen, wie ich. Diese ha-
ben nur im finstern geblintzet. Meine Au-
gen sind klärer. Jn meinem Verstande
ist Licht. Es begegnet mir zwar noch öff-
ters, daß ich eine Sache für unnütz ansehe,
deren grossen Nutzen ich hernach erfahre.
Aber das sind Kleinigkeiten. Jn dem
grossen Zusammenhange der Welt habe
ich mehr Einsicht. Das ist mir ein leichtes
zu begreiffen, daß viele unnütze und vergeb-
liche Dinge von GOtt in diese Welt gese-
tzet, und daß selbige gantz anders müsten
aussehen, wenn sie ein Allwissender gemacht
hätte. Denn wie ein Allwissender eine
Welt einrichten muß, und daß selbiger kei-
ne Anlagen muß hinein legen, welche die ge-
wöhnliche Vollkommenheit ihres gleichen
nicht erreichen, und deren Nutzen ich nicht

finden



ſehen zwar nicht den Zuſammenhang einer
eintzigen Kaͤſemilbe, und die Philoſophiſche
Hiſtorie erzaͤhlt Exempel genug, auf was
fuͤr Thorheiten die Weiſen verfallen ſind,
wenn ſie ſich mit ihrem Urtheil von dem
groſſen Zuſammenhange der Welt und al-
ler ihrer Theile ſo weit haben wagen wol-
len, daß ſie feſt geſetzt, was dem Gantzen
etwa nutze oder nicht: Aber die haben alle
ſo weit nicht geſehen, wie ich. Dieſe ha-
ben nur im finſtern geblintzet. Meine Au-
gen ſind klaͤrer. Jn meinem Verſtande
iſt Licht. Es begegnet mir zwar noch oͤff-
ters, daß ich eine Sache fuͤr unnuͤtz anſehe,
deren groſſen Nutzen ich hernach erfahre.
Aber das ſind Kleinigkeiten. Jn dem
groſſen Zuſammenhange der Welt habe
ich mehr Einſicht. Das iſt mir ein leichtes
zu begreiffen, daß viele unnuͤtze und vergeb-
liche Dinge von GOtt in dieſe Welt geſe-
tzet, und daß ſelbige gantz anders muͤſten
ausſehen, wenn ſie ein Allwiſſender gemacht
haͤtte. Denn wie ein Allwiſſender eine
Welt einrichten muß, und daß ſelbiger kei-
ne Anlagen muß hinein legen, welche die ge-
woͤhnliche Vollkommenheit ihres gleichen
nicht erreichen, und deren Nutzen ich nicht

finden
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[320/0338] ſehen zwar nicht den Zuſammenhang einer eintzigen Kaͤſemilbe, und die Philoſophiſche Hiſtorie erzaͤhlt Exempel genug, auf was fuͤr Thorheiten die Weiſen verfallen ſind, wenn ſie ſich mit ihrem Urtheil von dem groſſen Zuſammenhange der Welt und al- ler ihrer Theile ſo weit haben wagen wol- len, daß ſie feſt geſetzt, was dem Gantzen etwa nutze oder nicht: Aber die haben alle ſo weit nicht geſehen, wie ich. Dieſe ha- ben nur im finſtern geblintzet. Meine Au- gen ſind klaͤrer. Jn meinem Verſtande iſt Licht. Es begegnet mir zwar noch oͤff- ters, daß ich eine Sache fuͤr unnuͤtz anſehe, deren groſſen Nutzen ich hernach erfahre. Aber das ſind Kleinigkeiten. Jn dem groſſen Zuſammenhange der Welt habe ich mehr Einſicht. Das iſt mir ein leichtes zu begreiffen, daß viele unnuͤtze und vergeb- liche Dinge von GOtt in dieſe Welt geſe- tzet, und daß ſelbige gantz anders muͤſten ausſehen, wenn ſie ein Allwiſſender gemacht haͤtte. Denn wie ein Allwiſſender eine Welt einrichten muß, und daß ſelbiger kei- ne Anlagen muß hinein legen, welche die ge- woͤhnliche Vollkommenheit ihres gleichen nicht erreichen, und deren Nutzen ich nicht finden

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/338>, abgerufen am 25.04.2024.