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Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849.

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Meisterschaft. Mit einem Behagen, das er bei seinen Erfolgen in der Wissenschaft nicht bezeigte, erzählte er, wie er von einem Cavalerieoficier gefragt worden sei, ob er nicht bei der Reiterei gedient habe. Wie ernst und tüchtig er auch diese Beschäftigung auffasste, geht daraus hervor, dass er nicht nur in seiner philosophischen Begründung der Künste der Reitkunst einen Platz einräumte, sondern in späteren Jahren den Satz einer alten Reitschule lobte: "wer da will ein guter Reiter werden, der muss vor allen Dingen ein braver Mann sein." Denn um gut zu Pferde zu sitzen, müsse man ein gutes Gewissen haben und in sich fest und ruhig sein; wie der alte Cato als erste Bedingung zur Tüchtigkeit in jedem Können und Wissen verlangte, dass man ein vir bonus sei. Seine ganze Erscheinung hatte dadurch einen eigenthümlichen Charakter bekommen; Haltung und Gang verriethen den Reiter, wie auch die Kleidung, besonders die Stiefeln und Sporen, welche er seit seinen Studentenjahren beständig trug. Damit hatte er freilich nicht weniger Anstoss gegeben, als da er nach seiner Magisterpromotion Zopf und Haarbeutel auf immer von sich that. "Denken Sie denn mit ihren Sporen durch die Welt zu kommen?" fragte ihn einmal Platner, aber dergleichen irrte ihn nicht.

Mit Hermann war eine Anzahl lebhafter und talentvoller Studiengenossen eng verbunden, Ernst Platner, Heinroth, Clodius, Volckmann, Menzel, der einzige Duzbruder Hermann's. Meistens kamen sie im Bose'schen Garten zusammen, dort ging man, nicht selten in mondhellen Nächten, spazieren, es wurden Gedichte gemacht und kritisiert, mit grossem Eifer disputiert, wo denn Hermann stets bereit war zu opponieren oder Paradoxen zu vertheidigen und des Wehrlosen und Unterdrückten sich kräftig anzunehmen. Die französische Revolution liess es an Stoff zu lebhafter Unterhaltung nicht fehlen, wobei Hermann sich meistens als einen weniger enthusiastischen Verehrer der Republik zeigte, als manche seiner Freunde. Dieser Kreis ist zum Theil zerstreut worden, zum Theil lösten sich die Bande; später ist Hermann mehr zu Jüngeren, namentlich Schülern, in freundschaftliche Verhältnisse getreten. Auch mit Frauen verkehrte er gern, und der feurige, geistvolle junge Mann war bei ihnen wohl gelitten, da er ihnen im Umgange mit anmuthiger Feinheit und ächter Ritterlichkeit begegnete; bei näherer Bekanntschaft liebte er es sehr sich mit ihnen zu necken, wo er ihnen denn lebhaft zusetzte, aber immer in der unbefangensten Heiterkeit und mit harmloser Gutmüthigkeit. Auch über diesen

Meisterschaft. Mit einem Behagen, das er bei seinen Erfolgen in der Wissenschaft nicht bezeigte, erzählte er, wie er von einem Cavalerieoficier gefragt worden sei, ob er nicht bei der Reiterei gedient habe. Wie ernst und tüchtig er auch diese Beschäftigung auffasste, geht daraus hervor, dass er nicht nur in seiner philosophischen Begründung der Künste der Reitkunst einen Platz einräumte, sondern in späteren Jahren den Satz einer alten Reitschule lobte: «wer da will ein guter Reiter werden, der muss vor allen Dingen ein braver Mann sein.» Denn um gut zu Pferde zu sitzen, müsse man ein gutes Gewissen haben und in sich fest und ruhig sein; wie der alte Cato als erste Bedingung zur Tüchtigkeit in jedem Können und Wissen verlangte, dass man ein vir bonus sei. Seine ganze Erscheinung hatte dadurch einen eigenthümlichen Charakter bekommen; Haltung und Gang verriethen den Reiter, wie auch die Kleidung, besonders die Stiefeln und Sporen, welche er seit seinen Studentenjahren beständig trug. Damit hatte er freilich nicht weniger Anstoss gegeben, als da er nach seiner Magisterpromotion Zopf und Haarbeutel auf immer von sich that. «Denken Sie denn mit ihren Sporen durch die Welt zu kommen?» fragte ihn einmal Platner, aber dergleichen irrte ihn nicht.

Mit Hermann war eine Anzahl lebhafter und talentvoller Studiengenossen eng verbunden, Ernst Platner, Heinroth, Clodius, Volckmann, Menzel, der einzige Duzbruder Hermann’s. Meistens kamen sie im Bose’schen Garten zusammen, dort ging man, nicht selten in mondhellen Nächten, spazieren, es wurden Gedichte gemacht und kritisiert, mit grossem Eifer disputiert, wo denn Hermann stets bereit war zu opponieren oder Paradoxen zu vertheidigen und des Wehrlosen und Unterdrückten sich kräftig anzunehmen. Die französische Revolution liess es an Stoff zu lebhafter Unterhaltung nicht fehlen, wobei Hermann sich meistens als einen weniger enthusiastischen Verehrer der Republik zeigte, als manche seiner Freunde. Dieser Kreis ist zum Theil zerstreut worden, zum Theil lösten sich die Bande; später ist Hermann mehr zu Jüngeren, namentlich Schülern, in freundschaftliche Verhältnisse getreten. Auch mit Frauen verkehrte er gern, und der feurige, geistvolle junge Mann war bei ihnen wohl gelitten, da er ihnen im Umgange mit anmuthiger Feinheit und ächter Ritterlichkeit begegnete; bei näherer Bekanntschaft liebte er es sehr sich mit ihnen zu necken, wo er ihnen denn lebhaft zusetzte, aber immer in der unbefangensten Heiterkeit und mit harmloser Gutmüthigkeit. Auch über diesen

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Meisterschaft. Mit einem Behagen, das er bei seinen Erfolgen in der Wissenschaft nicht bezeigte, erzählte er, wie er von einem Cavalerieoficier gefragt worden sei, ob er nicht bei der Reiterei gedient habe. Wie ernst und tüchtig er auch diese Beschäftigung auffasste, geht daraus hervor, dass er nicht nur in seiner philosophischen Begründung der Künste der Reitkunst einen Platz einräumte, sondern in späteren Jahren den Satz einer alten Reitschule lobte: «wer da will ein guter Reiter werden, der muss vor allen Dingen ein braver Mann sein.» Denn um gut zu Pferde zu sitzen, müsse man ein gutes Gewissen haben und in sich fest und ruhig sein; wie der alte Cato als erste Bedingung zur Tüchtigkeit in jedem Können und Wissen verlangte, dass man ein <hi rendition="#i">vir bonus</hi> sei. Seine ganze Erscheinung hatte dadurch einen eigenthümlichen Charakter bekommen; Haltung und Gang verriethen den Reiter, wie auch die Kleidung, besonders die Stiefeln und Sporen, welche er seit seinen Studentenjahren beständig trug. Damit hatte er freilich nicht weniger Anstoss gegeben, als da er nach seiner Magisterpromotion Zopf und Haarbeutel auf immer von sich that. «Denken Sie denn mit ihren Sporen durch die Welt zu kommen?» fragte ihn einmal Platner, aber dergleichen irrte ihn nicht.</p>
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[11/0011] Meisterschaft. Mit einem Behagen, das er bei seinen Erfolgen in der Wissenschaft nicht bezeigte, erzählte er, wie er von einem Cavalerieoficier gefragt worden sei, ob er nicht bei der Reiterei gedient habe. Wie ernst und tüchtig er auch diese Beschäftigung auffasste, geht daraus hervor, dass er nicht nur in seiner philosophischen Begründung der Künste der Reitkunst einen Platz einräumte, sondern in späteren Jahren den Satz einer alten Reitschule lobte: «wer da will ein guter Reiter werden, der muss vor allen Dingen ein braver Mann sein.» Denn um gut zu Pferde zu sitzen, müsse man ein gutes Gewissen haben und in sich fest und ruhig sein; wie der alte Cato als erste Bedingung zur Tüchtigkeit in jedem Können und Wissen verlangte, dass man ein vir bonus sei. Seine ganze Erscheinung hatte dadurch einen eigenthümlichen Charakter bekommen; Haltung und Gang verriethen den Reiter, wie auch die Kleidung, besonders die Stiefeln und Sporen, welche er seit seinen Studentenjahren beständig trug. Damit hatte er freilich nicht weniger Anstoss gegeben, als da er nach seiner Magisterpromotion Zopf und Haarbeutel auf immer von sich that. «Denken Sie denn mit ihren Sporen durch die Welt zu kommen?» fragte ihn einmal Platner, aber dergleichen irrte ihn nicht. Mit Hermann war eine Anzahl lebhafter und talentvoller Studiengenossen eng verbunden, Ernst Platner, Heinroth, Clodius, Volckmann, Menzel, der einzige Duzbruder Hermann’s. Meistens kamen sie im Bose’schen Garten zusammen, dort ging man, nicht selten in mondhellen Nächten, spazieren, es wurden Gedichte gemacht und kritisiert, mit grossem Eifer disputiert, wo denn Hermann stets bereit war zu opponieren oder Paradoxen zu vertheidigen und des Wehrlosen und Unterdrückten sich kräftig anzunehmen. Die französische Revolution liess es an Stoff zu lebhafter Unterhaltung nicht fehlen, wobei Hermann sich meistens als einen weniger enthusiastischen Verehrer der Republik zeigte, als manche seiner Freunde. Dieser Kreis ist zum Theil zerstreut worden, zum Theil lösten sich die Bande; später ist Hermann mehr zu Jüngeren, namentlich Schülern, in freundschaftliche Verhältnisse getreten. Auch mit Frauen verkehrte er gern, und der feurige, geistvolle junge Mann war bei ihnen wohl gelitten, da er ihnen im Umgange mit anmuthiger Feinheit und ächter Ritterlichkeit begegnete; bei näherer Bekanntschaft liebte er es sehr sich mit ihnen zu necken, wo er ihnen denn lebhaft zusetzte, aber immer in der unbefangensten Heiterkeit und mit harmloser Gutmüthigkeit. Auch über diesen

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Zitationshilfe: Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_rede_1849/11>, abgerufen am 28.03.2024.