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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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werde nach beiliegendem Rezept verbessert. Eine neue Lieferung
verbieten mir jetzt meine Geschäfte. -- Im Falle der Nicht-An-
nahme erbitt' ich es zurück.

Darf ich einen Mann, der den halben deutschen Buchhandel in
den Händen und auf dem Halse hat, wol um die Mühe ersuchen,5
unter den "poetischen Kleinigkeiten" in der betitelten "Liebessehn-
sucht" statt "hangt sie sich" zu setzen: "hängt Liebes Sehnsucht sich
an das Herz"?

Leben Sie wol.

Ihr10
Jean Paul Fr. Richter

N. S. Fände die Zensur im Alltagsklub politischen Anstoß: so
streiche man nur aus. Oder gibts einen dritten zynischen Anstoß:
weg damit!

[Beilage]15

Als Gast war im Klub ein durchreisender Schauspieler, welcher
wie ein französisches Trauerspiel, nicht ohne Liebe sein konnte.
Die alte Kehrstephanische Stadtpfarrerin mußte nach kurzem Finger-
schütteln sich so gegen ihn auslassen: "die alten Griechen hatten
blos ganze Dramen voll lauter spielender Satyrs, wir zuweilen20
ganze Schauspielertruppen." etc.

105. An Otto.

Du bist doch gar zu gut, du Alter! So zu halbieren, nämlich
dich. Andere halbieren andere. Ich werde den alten Bekannten25
mit schöner Erinnerung an seine Vorgänger trinken und wirklich
etwas dabei erschreiben. -- Vielleicht kann ich dir heute die Rezension
der Vorschule in der J[enaischen] L[iteratur] Zeitung schicken.
Gleichen guten Morgen! Mein Schauer war gestern vorbei.
Heute abends komme mit Amoene zum Thee; vielleicht kommt30
die Dobeneck und die Gräfin.

106. An Emanuel in Döhlau.

Theuerer Emanuel! Der gestrige Tag war uns durch die ganze
vorige Woche ein künftiger. Hier wollen fünf Menschen -- ich,35

werde nach beiliegendem Rezept verbeſſert. Eine neue Lieferung
verbieten mir jetzt meine Geſchäfte. — Im Falle der Nicht-An-
nahme erbitt’ ich es zurück.

Darf ich einen Mann, der den halben deutſchen Buchhandel in
den Händen und auf dem Halſe hat, wol um die Mühe erſuchen,5
unter den „poetiſchen Kleinigkeiten“ in der betitelten „Liebesſehn-
ſucht“ ſtatt „hangt ſie ſich“ zu ſetzen: „hängt Liebes Sehnſucht ſich
an das Herz“?

Leben Sie wol.

Ihr10
Jean Paul Fr. Richter

N. S. Fände die Zenſur im Alltagsklub politiſchen Anſtoß: ſo
ſtreiche man nur aus. Oder gibts einen dritten zyniſchen Anſtoß:
weg damit!

[Beilage]15

Als Gaſt war im Klub ein durchreiſender Schauſpieler, welcher
wie ein franzöſiſches Trauerſpiel, nicht ohne Liebe ſein konnte.
Die alte Kehrſtephaniſche Stadtpfarrerin mußte nach kurzem Finger-
ſchütteln ſich ſo gegen ihn auslaſſen: „die alten Griechen hatten
blos ganze Dramen voll lauter ſpielender Satyrs, wir zuweilen20
ganze Schauſpielertruppen.“ ꝛc.

105. An Otto.

Du biſt doch gar zu gut, du Alter! So zu halbieren, nämlich
dich. Andere halbieren andere. Ich werde den alten Bekannten25
mit ſchöner Erinnerung an ſeine Vorgänger trinken und wirklich
etwas dabei erſchreiben. — Vielleicht kann ich dir heute die Rezenſion
der Vorschule in der J[enaischen] L[iteratur] Zeitung ſchicken.
Gleichen guten Morgen! Mein Schauer war geſtern vorbei.
Heute abends komme mit Amoene zum Thee; vielleicht kommt30
die Dobeneck und die Gräfin.

106. An Emanuel in Döhlau.

Theuerer Emanuel! Der geſtrige Tag war uns durch die ganze
vorige Woche ein künftiger. Hier wollen fünf Menſchen — ich,35

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[36/0045] werde nach beiliegendem Rezept verbeſſert. Eine neue Lieferung verbieten mir jetzt meine Geſchäfte. — Im Falle der Nicht-An- nahme erbitt’ ich es zurück. Darf ich einen Mann, der den halben deutſchen Buchhandel in den Händen und auf dem Halſe hat, wol um die Mühe erſuchen, 5 unter den „poetiſchen Kleinigkeiten“ in der betitelten „Liebesſehn- ſucht“ ſtatt „hangt ſie ſich“ zu ſetzen: „hängt Liebes Sehnſucht ſich an das Herz“? Leben Sie wol. Ihr 10 Jean Paul Fr. Richter N. S. Fände die Zenſur im Alltagsklub politiſchen Anſtoß: ſo ſtreiche man nur aus. Oder gibts einen dritten zyniſchen Anſtoß: weg damit! 15 Als Gaſt war im Klub ein durchreiſender Schauſpieler, welcher wie ein franzöſiſches Trauerſpiel, nicht ohne Liebe ſein konnte. Die alte Kehrſtephaniſche Stadtpfarrerin mußte nach kurzem Finger- ſchütteln ſich ſo gegen ihn auslaſſen: „die alten Griechen hatten blos ganze Dramen voll lauter ſpielender Satyrs, wir zuweilen 20 ganze Schauſpielertruppen.“ ꝛc. 105. An Otto. [Bayreuth, 7. Juni 1809] Du biſt doch gar zu gut, du Alter! So zu halbieren, nämlich dich. Andere halbieren andere. Ich werde den alten Bekannten 25 mit ſchöner Erinnerung an ſeine Vorgänger trinken und wirklich etwas dabei erſchreiben. — Vielleicht kann ich dir heute die Rezenſion der Vorschule in der J[enaischen] L[iteratur] Zeitung ſchicken. Gleichen guten Morgen! Mein Schauer war geſtern vorbei. Heute abends komme mit Amoene zum Thee; vielleicht kommt 30 die Dobeneck und die Gräfin. 106. An Emanuel in Döhlau. Bayreuth d. 12. Jun. 1809 Theuerer Emanuel! Der geſtrige Tag war uns durch die ganze vorige Woche ein künftiger. Hier wollen fünf Menſchen — ich, 35

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/45>, abgerufen am 19.03.2024.