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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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115. An Emanuel.

Verzeihen Sie die Verspätung des Geldes, lieber Emanuel! Ich
war 2 mal nicht zu Hause. Hier auch der Teller, womit Sie immer
außer Hause traktieren. Zum Schreiben weiß ich nichts neues,5
aber zum Sagen und Verschweigen viel.

116. An Otto.

Lieber Otto! Um 1 Uhr will das Fieber -- aus spaßhaften
Gründen, die du erfahren sollst -- den stärksten und letzten Sturm10
auf meinen Leichnam laufen, der sich aber schon wehren wird. Da
ich aber Langweile als bloßer Zuschauer habe: so will ich -- während
sie fechten -- etwas lesen, etwan Montesquieu's Privatbriefe und
Müllers zweiten Theil, wenn du sie mir geben willst.

117. An Emanuel.15

Lieber Emanuel! Gestern Vormittag arbeitete ich -- und Nach-
mittags wurd' ich bearbeitet von meinem Fieber-Kobold, vielleicht
das letzte mal.

Ich lese keine weiblichen Briefe lieber als die J[ettens], weil20
eben so viel Verstand und Blick als Gefühl darin. Sie sieht die
H[offmann?] wie ich diese längst errathen. In Rücksicht des
Politischen fürchte und hoff' ich nicht; jede Stunde vernichtet die
andere.

118. An Otto.25

Ich bedauere, daß ich dich gestern versäumet habe; heute wär'
es nicht geschehen, da zum Glück das Fieber mich mit seinen zwei
Jahrszeiten, Winter und Sommer, wieder umzogen hat.

Kannst du mir nicht Montesquieu's restierenden Esprit des lois30
geben?

Gute Nacht!

Der Geplagte ist ein Plager.

115. An Emanuel.

Verzeihen Sie die Verſpätung des Geldes, lieber Emanuel! Ich
war 2 mal nicht zu Hauſe. Hier auch der Teller, womit Sie immer
außer Hauſe traktieren. Zum Schreiben weiß ich nichts neues,5
aber zum Sagen und Verſchweigen viel.

116. An Otto.

Lieber Otto! Um 1 Uhr will das Fieber — aus ſpaßhaften
Gründen, die du erfahren ſollſt — den ſtärkſten und letzten Sturm10
auf meinen Leichnam laufen, der ſich aber ſchon wehren wird. Da
ich aber Langweile als bloßer Zuſchauer habe: ſo will ich — während
ſie fechten — etwas leſen, etwan Montesquieu’s Privatbriefe und
Müllers zweiten Theil, wenn du ſie mir geben willſt.

117. An Emanuel.15

Lieber Emanuel! Geſtern Vormittag arbeitete ich — und Nach-
mittags wurd’ ich bearbeitet von meinem Fieber-Kobold, vielleicht
das letzte mal.

Ich leſe keine weiblichen Briefe lieber als die J[ettens], weil20
eben ſo viel Verſtand und Blick als Gefühl darin. Sie ſieht die
H[offmann?] wie ich dieſe längſt errathen. In Rückſicht des
Politiſchen fürchte und hoff’ ich nicht; jede Stunde vernichtet die
andere.

118. An Otto.25

Ich bedauere, daß ich dich geſtern verſäumet habe; heute wär’
es nicht geſchehen, da zum Glück das Fieber mich mit ſeinen zwei
Jahrszeiten, Winter und Sommer, wieder umzogen hat.

Kannſt du mir nicht Montesquieu’s reſtierenden Esprit des lois30
geben?

Gute Nacht!

Der Geplagte iſt ein Plager.

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[40/0049] 115. An Emanuel. [Bayreuth, 5. Juli 1809] Verzeihen Sie die Verſpätung des Geldes, lieber Emanuel! Ich war 2 mal nicht zu Hauſe. Hier auch der Teller, womit Sie immer außer Hauſe traktieren. Zum Schreiben weiß ich nichts neues, 5 aber zum Sagen und Verſchweigen viel. 116. An Otto. [Bayreuth, 11. Juli 1809] Lieber Otto! Um 1 Uhr will das Fieber — aus ſpaßhaften Gründen, die du erfahren ſollſt — den ſtärkſten und letzten Sturm 10 auf meinen Leichnam laufen, der ſich aber ſchon wehren wird. Da ich aber Langweile als bloßer Zuſchauer habe: ſo will ich — während ſie fechten — etwas leſen, etwan Montesquieu’s Privatbriefe und Müllers zweiten Theil, wenn du ſie mir geben willſt. 117. An Emanuel. 15 [Bayreuth, 12. Juli 1809] Lieber Emanuel! Geſtern Vormittag arbeitete ich — und Nach- mittags wurd’ ich bearbeitet von meinem Fieber-Kobold, vielleicht das letzte mal. Ich leſe keine weiblichen Briefe lieber als die J[ettens], weil 20 eben ſo viel Verſtand und Blick als Gefühl darin. Sie ſieht die H[offmann?] wie ich dieſe längſt errathen. In Rückſicht des Politiſchen fürchte und hoff’ ich nicht; jede Stunde vernichtet die andere. 118. An Otto. 25 [Bayreuth, 13. Juli 1809] Ich bedauere, daß ich dich geſtern verſäumet habe; heute wär’ es nicht geſchehen, da zum Glück das Fieber mich mit ſeinen zwei Jahrszeiten, Winter und Sommer, wieder umzogen hat. Kannſt du mir nicht Montesquieu’s reſtierenden Esprit des lois 30 geben? Gute Nacht! Der Geplagte iſt ein Plager.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/49>, abgerufen am 19.03.2024.